Die AHV stehe mit einem Bein am finanziellen Abgrund, warnen die Gegner der 13. AHV-Rente. Das seien Angstszenarien, geben die Gewerkschaften zurück. Sie sagen: Die Reserven der AHV stiegen jährlich, von 50 Milliarden derzeit auf 70 Milliarden bis zum Ende des Jahrzehnts. Die Finanzierung des Rentenausbaus sei darum kein Problem. Was stimmt?
Die Kurve zeigt nach oben: Die AHV-Ausgaben wachsen in den nächsten Jahren an, weil die Babyboomer-Generation in Rente geht und die Lebenserwartung zunimmt. Wie stark der Anstieg ist, zeigen die Prognosen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV): Die Ausgaben steigen von rund 50 Milliarden Franken in diesem Jahr auf fast 60 Milliarden Franken im Jahr 2030 – ohne 13. AHV-Rente.
Bis 2030 ist die Finanzierung der Renten kein Problem. Es kommt genügend Geld rein, um die steigenden Ausgaben zu decken, auch dank zwei Volksentscheiden der vergangenen Jahre: Erstens wurde das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöht, was die AHV entlastet. Zweitens spülen die mit der STAF-Vorlage beschlossenen Massnahmen Geld in die Kasse. Die Finanzspritzen in der Höhe von rund 4 Milliarden Franken pro Jahr sorgen dafür, dass die Reserven steigen und die Finanzierung der Renten bis 2030 garantiert ist.
Doch das erfreuliche Bild ändert sich bald. Ab 2031 kippt das Umlageergebnis gemäss den Prognosen des BSV ins Minus, die Ausgaben übersteigen also die Einnahmen. Das Parlament hat den Bundesrat daher beauftragt, bis Ende 2026 eine neue AHV-Reform vorzulegen, um die Finanzierungslücke anzugehen.
In anderen Worten: Derzeit steht die AHV zwar gut da. Doch es handelt sich um ein kurzes Zeitfenster. Auch ohne 13. AHV-Rente braucht es künftig mehr Einnahmen – oder weniger Ausgaben. Mit einer 13. AHV-Rente tritt dieses Problem früher und verschärfter auf.
Wird die Initiative für eine 13. AHV-Rente angenommen, erhalten Rentnerinnen und Rentner ab 2026 bis zu 2450 Franken mehr AHV pro Jahr. Das hat ein Preisschild: Laut Bund beliefen sich die Kosten im ersten Jahr auf 4,1 Milliarden Franken, später auf 5 Milliarden Franken pro Jahr.
Einen Teil der Kosten müsste der Bund übernehmen, da er gemäss Gesetz einen Fünftel der AHV-Ausgaben trägt. Derzeit sind das rund 10 Milliarden Franken, 2033 wären es laut BSV mit der 13. AHV-Rente 14,5 Milliarden. Wie die steigenden Ausgaben gedeckt werden könnten, ist offen – der Bund macht dazu keine Angaben. Klar ist: Entweder müsste er in anderen Bereichen sparen, was angesichts der Finanzlage schwierig werden dürfte. Realistischer erscheint derzeit, dass der Bund sich mehr Einnahmen beschaffen, also Steuern oder Abgaben erhöhen müsste.
Trotz des steigenden Bundesbeitrags bliebe in der AHV-Kasse ein grosses Loch. Das Umlageergebnis wäre ab 2026 negativ, die Kasse würde sich schnell leeren. Es braucht also mehr Geld. Nach Ansicht der Initianten ist das kein Problem. «Wir bestreiten nicht, dass es etwas kostet», sagte Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbunds, kürzlich vor den Medien. «Aber es ist absolut finanzierbar.»
Wie die Mehrausgaben finanziert werden, legt der Initiativtext nicht fest. Das Parlament müsste darüber entscheiden. Im Abstimmungskampf plädieren die Initianten für höhere Lohnbeiträge. Die 13. AHV-Rente koste Arbeitnehmende nur 0,4 zusätzliche Lohnprozente, argumentieren sie. Für Erwerbstätige mit einem Einkommen von 6000 Franken wären das 80 Rappen pro Tag. Dafür erhielten sie später eine 13. AHV-Rente. Das stimmt, zeigt aber nicht das ganze Bild.
Um die 13. AHV-Rente zu finanzieren, müssen sich auch die Arbeitgebenden an höheren Lohnabgaben beteiligen. Gemäss Berechnungen des Bundes müssten bereits im ersten Jahr nach der Einführung der 13. AHV-Rente die Abgaben von 8,7 auf 9,4 Prozent erhöht werden. Der Lohnbeitrag müsste 2033 auf 9,5 Prozent erhöht werden. Arbeitnehmende und -geber tragen je die Hälfte davon.
Für Arbeitgeber würden die Lohnkosten entsprechend steigen. Allerdings könnten sie einen Teil auf die Arbeitnehmenden überwälzen, indem sie zum Beispiel den Lohn weniger erhöhen als geplant. Das Beratungsunternehmen Ecoplan kam 2020 in einer Studie zur zweiten Säule zum Schluss, dass Arbeitnehmende die Hauptlast von zusätzlichen Lohnbeiträgen tragen.
Eine andere Möglichkeit wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Um die 13. AHV-Rente zu finanzieren, müsste sie laut BSV am Tag der Umsetzung von 8,1 auf 9,1 Prozent steigen, ab 2033 bräuchte es eine weitere Erhöhung. Dadurch würden sich auch die Rentnerinnen und Rentner an der Finanzierung beteiligen.
Denkbar wäre auch eine Kombination der beiden Varianten. Sowohl Mehrwertsteuer wie auch Lohnbeiträge wurden in den letzten Jahren zugunsten der AHV bereits erhöht. Längerfristig braucht die AHV indes noch mehr Geld. Laut einer Studie der UBS bräuchte es auch ohne 13. AHV-Rente einen Lohnbeitragssatz von 10,1 Prozent, um die Finanzierungslücke nachhaltig zu schliessen. Oder die Mehrwertsteuer müsste um etwa 1,5 bis 2 Prozentpunkte angehoben werden.
Daneben kursieren auch alternative Vorschläge:
Transaktionssteuer: Mitte-Ständerat Beat Rieder brachte 2021 den Vorschlag einer Finanzmarkttransaktionssteuer auf den Tisch, um die AHV mittel- und langfristig zu finanzieren. Der Bundesrat hält den Vorschlag nicht für sinnvoll: Er fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes. Der Ständerat nahm Rieders Postulat 2022 knapp an, der Bundesrat muss einen Bericht dazu vorlegen.
Erbschaftssteuer: GLP-Nationalrätin und Ökonomin Kathrin Bertschy schlägt eine «moderate» Erbschaftssteuer vor. Allerdings hat das Stimmvolk 2015 die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV» klar abgelehnt. Zudem verlangen bereits die Juso mit einer jüngst eingereichten Initiative eine Erbschaftssteuer, um den Klimaschutz zu finanzieren.
Kein Thema mehr ist der ursprünglich geplante Weg: Gewinne der Schweizerischen Nationalbank sollten zum Teil in die AHV fliessen. Der Gewerkschaftsbund hatte 2022 eine entsprechende Initiative lanciert. Doch dann schrieb die Nationalbank einen Rekordverlust – und das Projekt wurde begraben.
Ganz anders als die 13. AHV-Rente würde sich die Initiative der Jungfreisinnigen auswirken, die ebenfalls am 3. März zur Abstimmung kommt. Sie will das Rentenalter erhöhen, um die Finanzierung der AHV zu sichern. Bis 2033 soll das Rentenalter auf 66 steigen, danach soll es an die Lebenserwartung gekoppelt werden.
Die AHV würde dadurch entlastet. Die Menschen würden länger arbeiten und daher mehr Beiträge bezahlen. Gleichzeitig wären die Ausgaben tiefer, weil die Rente später bezogen würde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen geht davon aus, dass ab dem Jahr 2033, wenn das Rentenalter 66 erreicht wäre, die Rechnung der AHV um jährlich rund 2 Milliarden Franken entlastet würde. Das bedeutet umgerechnet Einsparungen von 0,3 bis 0,5 Prozent Mehrwertsteuer oder 0,2 bis 0,4 Prozent Lohnbeiträge.
Kurz: Das höhere Rentenalter lindert den Druck auf die AHV, reicht aber gemäss BSV-Prognosen längerfristig nicht aus – auch wenn die 13. AHV-Rente verworfen würde. 2033 würden die Ausgaben die Einnahmen gemäss Prognose um gut 1 Milliarde übersteigen. Allerdings läge das Minus mit 3,1 Milliarden Franken deutlich höher, falls die Renteninitiative abgelehnt würde. Das Finanzierungsloch würde sich also ebenfalls öffnen, allerdings erst später und weniger drastisch. (aargauerzeitung.ch)
Weiter können Frauen so ihre eigene AHV erhöhen und wären nicht auf Zusatzleistungen wie eine 13te Rente angewiesen.
Die Lösung mit einer 13ten Rente ist sicher nicht perfekt, aber bei einem Nein passiert gar nichts.