Am Ende war das Resultat deutlich: 59 Prozent sagten Ja zum Klimaschutzgesetz. Das sind rund zehn Prozent mehr als noch vor zwei Jahren, als die Stimmbevölkerung das CO₂-Gesetz abgelehnt hat. Der Klimaschutzbewegung dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Denn die Zustimmungswerte nahmen in den vergangenen Wochen stetig ab.
Dass das Klimaschutzgesetz angenommen wurde, dürfte unter anderem daran liegen, dass die Gegner nicht genügend mobilisieren konnten. Gerade im ländlichen Raum blieben viele Leute der Urne fern, die vor zwei Jahren noch ein Nein zum CO₂-Gesetz in die Urne legten.
Die These, dass Simonetta Sommaruga das CO₂-Gesetz hätte gewinnen können, wenn die beiden Landwirtschaftinitiativen zu einem anderen Zeitpunkt an der Urne gewesen wären, steht seit gestern auf durchaus soliden Beinen.
Ein anderer Grund für die hohe Zustimmung liegt darin, dass das Klimaschutzgesetz ziemlich moderat ist. Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, braucht es jedoch weit mehr Massnahmen als die beschlossenen Subventionen für Heizungsersatz und Innovation.
So benötigt die Schweiz künftig viel mehr Strom als noch heute. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, darüber scheiden sich die Geister. Während die einen Atomkraftwerke fordern, wollen andere Windenergieanlagen. Die kommenden Diskussionen dürften ruppig geführt werden. Ein kleiner Vorgeschmack lieferten sich Cédric Wermuth und Magdalena Martullo-Blocher, die sich in der Elefantenrunde beim SRF über Kreuz lagen.
Nach dem gestrigen Sonntag ist klar: Klimaschutz ist in der Schweiz mehrheitsfähig. Die Frage ist, wie weit die Massnahmen gehen dürfen. Die SVP hat auch in diesem Abstimmungskampf gezeigt, dass sie über die Parteigrenzen hinaus mobilisieren kann.
Apropos SVP: Albert Rösti musste als Energie- und Umweltminister für ein Ja beim Klimaschutzgesetz weibeln. Er trat damit gegen seine eigene Partei an.
Rösti erfüllte die nicht ganz einfache Aufgabe überzeugend und zeigte Format. Zwar riss er sich für das Ja kein Bein aus, doch man kann ihm keine Arbeitsverweigerung vorwerfen. «Er hat seine neue Rolle umarmt und ausgefüllt. Da gab es auch schon Exponenten, die mit viel mehr ‹Kä Luscht› oder ‹Ja, aber› an solche Vorlagen getreten sind», sagte Politologe Urs Bieri gegenüber watson.
Rösti hat seine erste Abstimmung als Bundesrat gewonnen und wohl trotzdem nur wenige SVP-Wähler verärgert. Der Spagat ist ihm gelungen.
Der Uvek-Vorsteher will nun die einheimische Stromproduktion verstärken. An der Pressekonferenz von Sonntag sagte er: «Klimapolitik fängt mit Energiepolitik an, und das gilt nach dem Entscheid von heute mehr denn je.» Wolle man viele Bereiche stärker elektrifizieren, sei mehr im Inland produzierter Strom nötig. «Wir brauchen neue Stauseen, wir brauchen Solaranlagen und Windparks.»
Vier Monate vor den nationalen Wahlen ist das Interesse an der Schweizer Politik überschaubar. Nur gerade 42 Prozent der Stimmberechtigten gingen an die Urne. Das ist deutlich tiefer als in den Coronajahren 2020 und 2021, als im Schnitt 49,3 und 57,2 Prozent abstimmten.
Zwischen 2010 und 2019 und im Jahr 2022 lag der Schnitt bei etwas über 45 Prozent – also über drei Prozent höher als am Sonntag. Politologe Urs Bieri sagte zu watson: «Die Stimmbeteiligung ist die grosse Überraschung des Wochenendes.» Sowohl die Corona- als auch die Klimavorlage hätten eigentlich Mobilisierungspotential gehabt.
Die SP konnte bei Steuerfragen in den vergangenen Jahren auf nationaler Ebene grosse Erfolge feiern. Gestern Sonntag setzte es bei der OECD-Mindeststeuer jedoch eine deutliche Niederlage ab. Die Sozialdemokraten befürchten, dass bei der aktuellen Umsetzung die zusätzlichen Einnahmen über Umwege wieder bei den Grosskonzernen landen und empfahlen deshalb ein Nein.
Damit konnte die SP aber nur gerade 21 Prozent der Stimmbevölkerung überzeugen. Es sei kompliziert gewesen, die Standpunkte zu erklären, sagte SP-Nationalrat Fabian Molina gegenüber watson. «Das erklärt zu einem grossen Teil das sehr deutliche Ergebnis, das mir natürlich weh tut.»
Das Engagement für ein Nein bei der OECD-Mindeststeuer hielt sich auf Seiten der SP in Grenzen. Die Partei hielt ihre finanziellen Mittel zurück für den Wahlkampf im Herbst. Molina sagte dazu: «Wir haben diese Abstimmung nicht gesucht, es war eine obligatorische Abstimmung aufgrund einer Verfassungsänderung.»
Geht es also um Steuersenkungen, so hat die SP bewiesen, dass sie eine Vetomacht sein kann. Muss das Volk jedoch darüber entscheiden, wie die Steuergelder zwischen den Kantonen verteilt werden, hat die SP weniger Schlagkraft.
«Wir haben diese Abstimmung nicht gesucht», SP-Nationalrat Fabian Molina ist enttäuscht über das abzeichnende Nein zur #OecdMindeststeuer. @watson_news @FabianMolinaNR pic.twitter.com/CYHRk5y8io
— K.Marti (@killumination__) June 18, 2023
Keine Überraschung schafften die Corona-Massnahmengegner. Sie zogen an der Urne zum dritten Mal den Kürzeren. Mass-voll Präsident Nicolas Rimoldi trat mit Zigarre vor die SRF-Kamera und zeigte sich zunächst auch nach den ersten Trends noch optimistisch, dass es für ein Nein reichen könnte.
Es kam jedoch anders, als von ihm erhofft – am Ende wurde das Covid-19-Gesetz mit 62 Prozent deutlich angenommen. Trotz der Niederlage wird Rimoldi nicht von der Bildfläche verschwinden. Im Herbst kandidiert er für den Nationalrat.
Bei den Wahlen im Herbst wollen auch die Freunde der Verfassung präsent sein. Das sagte Präsident Roland Bühlmann gegenüber SRF. Zudem seien weitere Initiativen geplant – etwa die «Verarbeitungsinitiative».
Auch wenn sich Rimoldi und Bühlmann vor der SRF-Kamera die Hand gaben, sind Streitereien zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Massnahmengegner nicht von der Hand zu weisen. Patrick Jetzer, Mitbegründer von «Aufrecht Schweiz», ärgerte sich am Sonntag über Rimoldi und Co. Ihre Argumentation sei «mehr als dürftig gewesen» und sei mit ein Grund, weshalb das Referendum scheiterte, so Jetzer.
Wollen sie jetzt 3 Niederlagen schweizweit verarbeiten?
Das ist echt schade für unsere Demokratie.
Bei uns heißt Demokratie eben nicht, 20 Jahre lang den gleichen Präsidenten abzusegnen und sich dann zurückzulehnen.
Dabei ist die briefliche Abstimmung so bequem und einfach.
Zumindest hatte jeder und jede das Recht und die Chance, seine/ihre Meinung zu sagen - wenn man eine Meinung hat.