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Klimaschutz-Gesetz: Nach dem Ja beginnt die eigentliche Arbeit

Aktion von Unterstuetzern des "Ja Komitee zum Klimaschutz-Gesetz" am Samstag, 20. Mai 2023, im Val Morteratsch in Pontresina. Die Gletscherzeremonie "Good-bye Morteratschgletscher" ...
Kampagne für das Klimaschutz-Gesetz am Fuss des massiv geschrumpften Morteratsch-Gletschers in Pontresina (GR).Bild: keystone
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Das Ja ist ein erster Schritt: Jetzt folgt der Härtetest

Im zweiten Anlauf hat sich das Schweizer Stimmvolk für den Klimaschutz ausgesprochen. Allzu viel darf man sich auf dieses Ergebnis nicht einbilden. Denn es gibt noch viel zu tun.
18.06.2023, 15:3519.06.2023, 12:59
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Graubünden ist ein Kanton mit schmelzenden Gletschern und rutschenden Hängen. Und ein Trendsetter bei Klimaabstimmungen. Das Nein zum CO₂-Gesetz war vor zwei Jahren ein Vorbote für die nationale Ablehnung. Jetzt war früh klar, dass die Bündner dem Klimaschutz-Gesetz zustimmen würden. Prompt sagte die gesamte Schweiz Ja.

Natürlich fehlte der Negativeffekt durch die beiden Agrarinitiativen, der das CO₂-Gesetz in den Abgrund riss. Dennoch ist das Bekenntnis zum Klimaschutz erfreulich. Die Schweiz ist das erste Land der Welt, in dem das UNO-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 durch einen Volksentscheid legitimiert wurde. Gleichzeitig können sich die Klimaforscher bestätigt fühlen.

Das Ja zum Klimaschutz-Gesetz ist auch ein Vertrauensbeweis für die oft angefeindete Wissenschaft. Und ein erster wichtiger Erfolg für den neuen «Klimaminister» Albert Rösti, auch wenn er sich im Abstimmungskampf nicht gerade überanstrengt hat. Ein grösseres Zerwürfnis mit seiner SVP hat er damit wohl verhindert. Doch Rösti bleibt gefordert.

Kein zweites Nein

Denn allzu viel dürfen wir uns nicht einbilden auf dieses Ja. Manchen Bündnern mag der Hangrutsch in Brienz die Augen geöffnet haben. Aber viele haben wohl gedacht, sie könnten nicht ein zweites Mal Nein stimmen. Und rund 40 Prozent sind bei der Ablehnung geblieben. Es ist bedenklich, dass die verlogene Nein-Kampagne der SVP derart verfangen konnte.

Eigentlich handelt es sich um ein harmloses Gesetz. Neben den Subventionen für Heizungsersatz und Innovation enthält es wenig konkrete Massnahmen. Das ist eine seiner Schwächen. Sie ermöglichten es den Gegnern, Ängste vor Verboten und Strommangel zu schüren. Das Klimaschutz-Gesetz ist deshalb nur der Anfang. Jetzt folgt der Härtetest.

Massnahmen für mehr Strom

Die Schweiz braucht für die Dekarbonisierung tatsächlich viel mehr Strom. Kurz- und mittelfristig geht das nur durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit dem sogenannten Mantelerlass, der sich im Parlament auf der Zielgeraden befindet, werden die Weichen dafür gestellt. Nur der Angriff auf den Naturschutz muss noch abgewehrt werden.

Bundesrat Albert Roesti spricht bei der Eroeffnung der BAFU Fachtagung "Anpassen an den Klimawandel", am Dienstag, 16. Mai 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Für Bundesrat Albert Rösti war es wohl nicht die letzte Klimaabstimmung.Bild: keystone

Am letzten Freitag hat das Parlament zudem ein Gesetz verabschiedet, das die Verfahren für Windenergie-Anlagen beschleunigen will. Die SVP war mehrheitlich dagegen, will aber offenbar kein Referendum ergreifen. Möglich ist es trotzdem, denn die Opposition gegen Windräder ist teilweise heftig. Auch der Mantelerlass könnte vors Stimmvolk kommen.

Nicht die letzte Abstimmung

Hinzu kommt die Neuauflage des CO₂-Gesetzes. Es ist absehbar, dass die Abstimmung vom Sonntag nicht die letzte zum Klimaschutz sein wird. Das Stimmvolk allerdings hat sich immer wieder allergisch gezeigt gegen alles, was nach Zwängerei aussieht. Das mussten gerade die Coronaskeptiker mit dem Scheitern auch ihres dritten Referendums erfahren.

Es gibt noch sehr viel zu tun, bis die Schweiz die Klimaneutralität bis 2050 erreicht. Aber mit der Annahme des Gegenvorschlags zur Gletscher-Initiative ist der Anfang gemacht.

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Das Bergdorf Brienz (GR)
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Das Bergdorf Brienz (GR)
Blick auf das Dorf und den «Brienzer Rutsch»: Der Berg bedroht das Dorf im Albutal sowie weitere Ortschaften.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
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Das Klimaschutzgesetz kurz erklärt
Video: watson
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127 Kommentare
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Laggoss
18.06.2023 16:02registriert Januar 2021
„Neben den Subventionen […] enthält es wenig konkrete Massnahmen.“
Richtig, deshalb wurde das Gesetz angenommen. Die Ziele werden sich aber ohne weitere Massnahmen nicht erreichen lassen, gratis kommen wir nicht weg. Ich bin für Klimaschutz, aber es wird Mehrkosten und/oder Verbote geben, wer etwas anderes behauptet lebt in einer Traumwelt.
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2r_music
18.06.2023 16:22registriert April 2020
Für die zig Millionen die die SVP durch ihre zwängerei in den Sandgesetzt hat, hätte schon vieles Umgesetz werden können. Solarinitiative, CO2 und Klimaschutz.
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Cosmopolitikus
18.06.2023 16:17registriert August 2018
Wer glaubt, dass wir die Klimaziele zum Nulltarif erreichen, wird enttäuscht werden. Es ist jedoch der einzige Weg, der uns bleibt. Die Schweiz mit ihrer Innovationskraft sollte das schaffen, vor allem, da eine Mehrheit das auch will. Aber es wird uns auch weh tun, in vielerlei Hinsicht. Dorthin zu gelangen, wo wir heute stehen, war einfacher…
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