Das Ja ist ein erster Schritt: Jetzt folgt der Härtetest
Graubünden ist ein Kanton mit schmelzenden Gletschern und rutschenden Hängen. Und ein Trendsetter bei Klimaabstimmungen. Das Nein zum CO₂-Gesetz war vor zwei Jahren ein Vorbote für die nationale Ablehnung. Jetzt war früh klar, dass die Bündner dem Klimaschutz-Gesetz zustimmen würden. Prompt sagte die gesamte Schweiz Ja.
Natürlich fehlte der Negativeffekt durch die beiden Agrarinitiativen, der das CO₂-Gesetz in den Abgrund riss. Dennoch ist das Bekenntnis zum Klimaschutz erfreulich. Die Schweiz ist das erste Land der Welt, in dem das UNO-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 durch einen Volksentscheid legitimiert wurde. Gleichzeitig können sich die Klimaforscher bestätigt fühlen.
Das Ja zum Klimaschutz-Gesetz ist auch ein Vertrauensbeweis für die oft angefeindete Wissenschaft. Und ein erster wichtiger Erfolg für den neuen «Klimaminister» Albert Rösti, auch wenn er sich im Abstimmungskampf nicht gerade überanstrengt hat. Ein grösseres Zerwürfnis mit seiner SVP hat er damit wohl verhindert. Doch Rösti bleibt gefordert.
Kein zweites Nein
Denn allzu viel dürfen wir uns nicht einbilden auf dieses Ja. Manchen Bündnern mag der Hangrutsch in Brienz die Augen geöffnet haben. Aber viele haben wohl gedacht, sie könnten nicht ein zweites Mal Nein stimmen. Und rund 40 Prozent sind bei der Ablehnung geblieben. Es ist bedenklich, dass die verlogene Nein-Kampagne der SVP derart verfangen konnte.
Eigentlich handelt es sich um ein harmloses Gesetz. Neben den Subventionen für Heizungsersatz und Innovation enthält es wenig konkrete Massnahmen. Das ist eine seiner Schwächen. Sie ermöglichten es den Gegnern, Ängste vor Verboten und Strommangel zu schüren. Das Klimaschutz-Gesetz ist deshalb nur der Anfang. Jetzt folgt der Härtetest.
Massnahmen für mehr Strom
Die Schweiz braucht für die Dekarbonisierung tatsächlich viel mehr Strom. Kurz- und mittelfristig geht das nur durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit dem sogenannten Mantelerlass, der sich im Parlament auf der Zielgeraden befindet, werden die Weichen dafür gestellt. Nur der Angriff auf den Naturschutz muss noch abgewehrt werden.
Am letzten Freitag hat das Parlament zudem ein Gesetz verabschiedet, das die Verfahren für Windenergie-Anlagen beschleunigen will. Die SVP war mehrheitlich dagegen, will aber offenbar kein Referendum ergreifen. Möglich ist es trotzdem, denn die Opposition gegen Windräder ist teilweise heftig. Auch der Mantelerlass könnte vors Stimmvolk kommen.
Nicht die letzte Abstimmung
Hinzu kommt die Neuauflage des CO₂-Gesetzes. Es ist absehbar, dass die Abstimmung vom Sonntag nicht die letzte zum Klimaschutz sein wird. Das Stimmvolk allerdings hat sich immer wieder allergisch gezeigt gegen alles, was nach Zwängerei aussieht. Das mussten gerade die Coronaskeptiker mit dem Scheitern auch ihres dritten Referendums erfahren.
Es gibt noch sehr viel zu tun, bis die Schweiz die Klimaneutralität bis 2050 erreicht. Aber mit der Annahme des Gegenvorschlags zur Gletscher-Initiative ist der Anfang gemacht.