Da dachte man gerade noch, das Schweizer Politikjahr 2025 werde langweilig. Und jetzt das: Am ersten «richtigen» Arbeitstag liess Gerhard Pfister einen verspäteten Silvesterböller hochgehen. Der Zuger Nationalrat gab am traditionellen Dreikönigsgespräch der Mitte-Partei in Bern bekannt, das Präsidium per Ende Juni «an die nächste Generation» zu übergeben.
Die Ankündigung kam unerwartet, doch sie macht Sinn. Der 62-jährige Pfister steht seit 9 Jahren an der Parteispitze, eine unüblich lange Amtszeit für diesen «Verschleissjob». Und der Zeitpunkt ist perfekt. Niemand wird behaupten können, Pfister ergreife die Flucht. Als er 2016 die Leitung der damaligen CVP übernahm, wirkte diese orientierungslos.
Heute sei die Partei «stärker, moderner und dynamischer als vor zehn Jahren», sagte Pfister am Montag vor den Medien, mit einer Portion Eigenlob (eine gewisse Eitelkeit ist dem Zuger keineswegs fremd). Als Gründe für den aus seiner Sicht guten Formstand der Mitte-Partei nannte Pfister «die Öffnung, den Namenswechsel und die Fusion mit der BDP».
Bei seiner Wahl politisierte Gerhard Pfister am rechten Rand der CVP-Fraktion. Als Parteipräsident rückte er in die Mitte der Mitte. Das liege an seiner Funktion, er selbst habe sich «nicht gross verändert», meinte Pfister. Als cleverer Politstratege erkannte er, dass es in der Schweizer Politik eine Marktlücke gibt für eine bürgerliche Partei mit sozialem Touch.
Einen ersten Erfolg konnte er bereits bei den «Grün-Wahlen» 2019 verzeichnen, bei denen die CVP die geringsten Verluste der vier Bundesratsparteien verbuchte. Es folgten die Fusion mit der geschrumpften BDP und der Namenswechsel zu Die Mitte. Er stiess auf einigen internen Widerstand, wurde am Ende aber überraschend reibungslos durchgezogen.
Bei den Wahlen 2023 sah es so aus, als hätte die «neue» Mitte beim Wähleranteil die FDP überholt. Es handelte sich um einen Rechnungsfehler des Bundesamts für Statistik, doch die Mitte-Fraktion hat in der Bundesversammlung sechs Sitze mehr als die Freisinnigen. Die Spekulationen über den zweiten FDP-Sitz im Bundesrat rissen jedenfalls nie ab.
Womit sich die Frage stellt, ob Gerhard Pfister womöglich noch einen Grund für seinen überraschenden Abgang hat. In Bundesbern wollen die Gerüchte über einen baldigen Rücktritt von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd nicht verstummen. Der Zeitpunkt nach der Frauenfussball-EM in der Schweiz im Sommer wäre auch in ihrem Fall günstig.
Pfister verwies am Montag auf Amherds relativ kurze Amtszeit (sie ist seit sechs Jahren Verteidigungsministerin). Bei der Nachfolge-Wahl für Doris Leuthard 2018 hatte er wegen seiner Rolle als Parteichef verzichtet. Hört er im Sommer auf, ist er «nur» noch ein gewöhnlicher Nationalrat, und als solcher stünden ihm alle Optionen offen.
Manche in Bern glauben, Pfister lauere auf eine solche Chance. Er selbst hat nie gesagt, er wolle Bundesrat werden. Dementiert hat er allfällige Ambitionen aber auch nicht. «Die Frage, ob ich für den Bundesrat kandidiere, werde ich dann beantworten, wenn sie sich stellt», sagte er im Interview mit Tamedia. Es ist eine typische Pfister-Antwort.
Der Amherd-Rücktritt ist eine offene Frage, doch es gilt als ausgemacht, dass die Walliserin nicht mehr lange im Bundesrat bleiben wird. Sie hätte wohl nichts dagegen, den Streit mit Kollegin Karin Keller-Sutter um das Armeebudget jemand anderem zu überlassen. Falls Pfister antritt, ist er so gut wie gewählt, sagen selbst linke Stimmen.
Heikel wird es höchstens für seine Nachfolgerin oder den Nachfolger an der Parteispitze. Wer am 28. Juni in Biel von den Delegierten erkoren wird, muss sich eigene Ambitionen auf den Bundesrat vermutlich für längere Zeit abschminken. Fest steht: In diesem vermeintlich langweiligen Politikjahr ist schon einmal für ziemlich viel Gesprächsstoff gesorgt.
Macht Platz für einen Bundesrat der auch noch ein paar Jahrzehnte mit den Entscheidungen leben muss, die er mitverursacht!