Es ist eine verstörende Videosequenz. In den Häuserschluchten Schanghais schreien Menschen ihren Frust von der Seele. Eingesperrt in ihren Wohnungen in der chinesischen Millionenmetropole protestieren sie gegen die Covid-Politik ihres Landes, als auf einmal eine Drohne mit Lautsprecher zu fliegen kommt. «Kontrollieren Sie den Wunsch Ihrer Seele nach Freiheit. Öffnen Sie nicht das Fenster und singen Sie nicht», tönt es.
In China sind die Fluggeräte nicht mehr aus dem öffentlichen Raum wegzudenken. Doch auch den zivilen Drohnenmarkt dominiert die asiatische Grossmacht. Die Firma DJI aus der südchinesischen Stadt Shenzhen ist die grösste Drohnenherstellerin der Welt. Umsatz: 3 Milliarden Dollar pro Jahr. Weltweiter Marktanteil: über 50 Prozent.
Nun zeigen Recherchen von CH Media: Zu den Kunden zählt auch die Schweizer Armee. Auf Anfrage bestätigt sie: «Armasuisse hat zu Testzwecken vier kleine und für den zivilen Markt ausgelegte Drohnen beschafft.» Das Bundesamt für Rüstung hat sich dabei für das Modell «DJI Mavic 2 Enterprise Advanced» entschieden - Lautsprecher inklusive. Kostenpunkt: 5000 Franken pro Stück.
Davon wusste die Öffentlichkeit bislang nichts. Der Bund hat darauf verzichtet, die Beschaffung zu kommunizieren. Es sei «einzig um Versuche» gegangen, argumentiert die Armee. «Sollte eine Einführung zugunsten der Armee geplant werden, wird dies auch ordentlich kommuniziert werden.»
Am technischen Können der Drohnen wird es nicht scheitern. Die 2021 durchgeführten Tests verliefen erfolgreich. Die Drohne erfülle «sämtliche Anforderungen», schreibt die Armee. Geprüft wurde, ob sie sich bei der Beseitigung von Blindgängern und zugunsten der Sanierung ehemaliger Schiessplätze bewährt. Im Vordergrund standen zwei Aufgaben: Beobachten mittels Tageslicht- und Wärmebildkamera und Warnen via Lautsprecher.
Bei linken Sicherheitspolitikerinnen schrillen die Alarmglocken. «Es ist für mich unverständlich, dass Drohnen aus China beschafft werden», sagt Nationalrätin Marionna Schlatter (Grüne/ZH). Auch SP-Ratskollegin Min Li Marti erachtet die Nutzung chinesischer Drohnen als «potenziell problematisch». Für ihre Solothurner Genossin Franziska Roth ist der Schritt «geopolitisch sehr problematisch». Während die Schweiz eine engere Zusammenarbeit mit der Nato anstrebe, beschaffe sie gleichzeitig Drohnen bei den Chinesen, «notabene der grössten Gefahr für die Nato».
Kein Problem sieht die Armee. Die Drohnen seien nicht für taktische Einsätze vorgesehen. «Sie werden nur in der normalen Lage und zur Überwachung der Beseitigung von Blindgängern in öffentlich zugänglichem Gebiet eingesetzt», betont die Armee. Somit würden sie in Gegenden fliegen, in denen auch zivil betriebene Drohnen desselben Herstellers anzutreffen seien.
Die linken Bedenken sind nicht aus der Luft gegriffen. DJI sorgt seit Jahren international für Schlagzeilen. So soll die Firma das chinesische Militär bei der Überwachung der muslimischen Minderheit der Uiguren geholfen haben. Und laut Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums stellt sie ein Risiko für die nationale Sicherheit dar und macht die USA gegenüber Cyber-Angriffen verwundbarer. Dem US-Militär ist es darum seit 2017 verboten, Drohnen dieses Anbieters zu nutzen.
Dass ein Nato-Staat das Unternehmen auf eine schwarze Liste setzt, lässt die Schweizer Armee kalt. «Zahlreiche Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in der Schweiz wie auch in den Nachbarländern setzen Drohnen der Firma DJI ein.» Ohnehin hatte die Armee nach eigenen Angaben keine andere Wahl. Das Modell sei «heute die einzige auf dem Markt verfügbare Drohne, welche die technischen Anforderungen erfüllt».
Mit Unverständnis reagiert SP-Sicherheitspolitikerin Roth. «Die Amerikaner prüfen ganz genau, mit welchem Material sie in ihrer Armee arbeiten und mit welchem eben nicht.» Es sei schleierhaft, weshalb die Schweizer Armee dies anders beurteile. Auch Grünen-Nationalrätin Schlatter erachtet die technologische Abhängigkeit von China als «grosses Sicherheitsrisiko».
Bedenken gibt es nicht nur in den USA. Auch in Europa wächst die Angst vor einem Einfallstor für Spionage. So fanden Forscher aus Deutschland Anfang Jahr teilweise schwerwiegende Sicherheitslücken in DJI-Drohnen. So liess sich die Seriennummer der Geräte ändern, die Ortung der Drohne ausser Kraft setzen und das Fluggerät aus der Ferne zum Absturz bringen.
Zwar behob das Unternehmen die Schwachstellen sofort. Was bleibt, ist jedoch die enge Verbandelung mit dem chinesischen Staat. Entgegen früherer Beteuerungen hat auch DJI Gelder des Staatsfonds erhalten, wie die «Washington Post» letztes Jahr aufdeckte. Damit möchte China kommerzielle Anbieter ködern, im Rüstungssektor Fuss zu fassen.
Ein Gesetz verpflichtet zudem chinesische Konzerne zur Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst. In den Augen der deutschen Regierung besteht dadurch das Risiko einer Einflussnahme. Trotz Kritik gab sie im Frühling bekannt, weiterhin am Kauf von 60 Drohnen für den Einsatz in Katastrophengebieten festzuhalten. Als Reaktion versicherte sie jedoch, eine spezielle Software einzusetzen, um die Datensicherheit zu gewährleisten.
«Es kann durchaus sein, dass die Drohnen unproblematisch sind», sagt SP-Nationalrätin Marti. Dafür müsse die Armee aber sicherstellen, dass die nötigen Abklärungen und Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden - so wie es in Deutschland geschehen sei. «Das ist hier nicht ersichtlich.»
Skeptisch ist auch Grünen-Politikerin Schlatter. Weil nur der Hersteller wisse, was seine Software mache, sei «eine gemeinsame Vertrauensbasis» notwendig. Schlatter bezweifelt, dass diese Voraussetzung im Datenschutzbereich mit China gegeben sei.
Aus Sicht der Behörden ist das unerheblich. Die Weitergabe von Personendaten an die chinesischen Behörden durch die Schweizer Armee sei «rechtlich nicht möglich», schreibt der Eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger auf Anfrage. Die Armee ergänzt, es sei gar nicht vorgesehen, dass der Anbieter Zugriff auf Daten und Systeme habe.
Das zeigen auch die Erfahrungen der angefragten Schweizer Polizeikorps. Viele setzen bereits heute DJI-Drohnen ein - vor allem für das Ausmessen einer Unfallstelle oder für Suchflüge bei vermissten Personen in unwegsamen Gelände. Alleine die St.Galler Kantonspolizei besitzt 30 chinesische Drohnen. Auch Aargau, Bern, Luzern und Zürich haben mehrere Geräte beschafft.
Die Regel ist, dass die Drohnen stets im Offline-Modus fliegen - also ohne Internetverbindung. Das gilt auch für ein Update der Software. Als Daten fallen mehrheitlich Bildaufnahmen an. Florian Schneider, Polizeisprecher aus St.Gallen, vergleicht die Datenverarbeitung mit einer herkömmlichen Fotokamera. Die Drohne besitze eine Speicherkarte für die Bilder, die nach jedem Flug ausgelesen werde.
Schneider weist zudem darauf hin, dass auch eine Mehrheit amerikanischer Blaulichtorganisationen chinesische Drohnen einsetzt. Auch die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) kommt mit Blick auf die USA zum Schluss: «Hier geht es um politische Entscheide, welche nichts mit der Drohnenbeschaffung in der Schweiz zu tun haben.» (aargauerzeitung.ch)
Sind allerdings halt kleinere Firmen deren Spesenkonten wohl nicht üppig genug sind um die Entscheidungsträger bei Armasuisse zu überzeugen.