Ein Roboter für die Armee. Er soll auf dem Gefechtsfeld helfen, Verwundete zu bergen, das Gebiet zu überwachen und die Truppen logistisch zu versorgen. Das war die Idee von Mark Höpflinger. Der umtriebige Leiter des Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrums (SDRZ) des Verteidigungsdepartements (VBS) forscht mit seinem Team seit Jahren im Auftrag des Bundes auf dem Gebiet.
Für das Roboterprojekt benötigte Höpflinger einen Anfangskredit von 5 Millionen Franken. Doch die Armee brach das Projekt im März 2022 aus Budgetgründen ab. Es sei nicht als prioritär beurteilt worden, begründet das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) den Schritt.
Eine erstaunliche Argumentation in einem Land, das so innovativ ist wie kaum ein anderes, wenn es um Roboter und Drohnen geht. Von den weltweit zwanzig führenden Labors ist jedes fünfte hier angesiedelt. Als Innovationstreiber erweisen sich die ETH Zürich und Lausanne. Bereits 2013 rühmte der US-Internetguru Chris Anderson die Schweiz als «Silicon Valley der Robotik».
Die Schweiz schöpfe dieses Potenzial nicht aus, betont Höpflinger. Beim Leiter des Drohnenzentrums ist ein gewisser Frust spürbar, wenn er in seinem Büro in Thun darüber spricht. «Im internationalen Vergleich hat die Schweiz eine einmalige Dichte an Start-ups, Wissen und Kompetenz.»
Das Problem sieht der ETH-Ingenieur im industriellen Bereich. Dort hinke die Schweiz hinterher:
Einer der Stolpersteine ist das Geld. In der Schweiz ist es schwierig, Risikokapital zu beschaffen. So erstaunt es nicht, dass es zwar viele Start-ups, aber keine grösseren Hersteller gibt. Auch verfolgt die Schweiz keine Industriepolitik. Anders im Ausland: So geht gerne vergessen, dass das Pentagon einst Geburtshelfer des Silicon Valley in den USA war.
Doch staatliche Hilfe wäre notwendig. Das zeigt etwa das Beispiel von Such- und Rettungsrobotern im Katastrophenschutz. Ob Erdbeben, Felsstürze oder andere Naturkatastrophen: Bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten wären solche Roboter hoch willkommen. Nur: Welche Behörde möchte einen Prototypen einkaufen, der im Ernstfall nicht funktioniert?
Zögerlich agiert auch die Ruag. Der bundeseigene Rüstungsbetrieb arbeitet zwar bei Forschungsprojekten mit Höpflingers Team zusammen. Die Absicht ist, dass das Unternehmen Resultate dieser Forschung im industriellen Kontext nutzt. «Es gibt interessante Entwicklungen, aber für einen kommerziellen Einsatz stehen die Anwendungen noch in einem frühen Stadium», sagt die Ruag zur Situation in der Schweiz.
Generell räumt der Bund dem Bereich eher wenig Priorität ein. Das Forschungsbudget des Drohnenzentrums beläuft sich gerade mal auf 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Die Schweiz stecke im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig Geld in diesen Bereich, betont Höpflinger. Das hat Folgen: So machen andere Staaten Geld locker für vielversprechende Projekte in der Schweiz. Allgegenwärtig ist die Forschungsagentur des US-Verteidigungsministeriums, Darpa genannt.
Fördermittel erhielt etwa Davide Scaramuzza. Mit seinem Team hat der Professor für Robotik an der Universität Zürich autonome Drohnen entwickelt, die selbst in unwegsamem Gelände im Autopilot fliegen. Das weckte auch das Interesse des US-Militärs. Ein Problem sieht Scaramuzza darin nicht. «Die Ergebnisse sind transparent und öffentlich zugänglich. Die ganze Welt kann davon profitieren», betonte er letzten Juni gegenüber swissinfo.ch.
Es gab noch Zeiten, da entwickelte die Schweiz ihre Drohnen selber. Bei der 2019 ausrangierten Ranger-Drohne spannte die Ruag in den 1980er-Jahren mit Oerlikon-Contraves und der Israel Aircraft Industries zusammen. Die Nachfolgerin, die Aufklärungsdrohne Hermes 900, bestellte die Schweiz gleich ganz in Israel.
Hoffnungen setzt Robotikforscher Höpflinger nun in Thomas Süssli. Der ehemalige Banker und IT-Experte ist seit Anfang 2020 Chef der Armee und hat frischen Wind gebracht. So hat er etwa das Innovationsboard V geschaffen, das die Armeeführung mit Vertretern der Ruag und der ETH Zürich an einen Tisch bringt.
Anders als seine Vorgänger ist Süssli nicht aus dem inneren Zirkel Armeechef geworden, sondern kommt von aussen. Erst seit 2015 Berufsoffizier, arbeitete er davor für verschiedene Banken. Dieser Aussenblick ist das Glück der Roboterforscher – wie auch der Umstand, dass seine neue Chefin, Bundesrätin Viola Amherd, keine Militärkarriere gemacht hat.
Druck macht auch die Politik. Mit einer Motion fordert die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates Massnahmen, um die Innovation im Sicherheitsbereich zu fördern. «In diesem Bereich braucht es einen Push der Politik», sagt der Freiburger Grüne-Nationalrat Gerhard Andrey. Der Nationalrat hat dem Vorstoss bereits zugestimmt.
Dass die Schweiz industriell bei den militärischen Drohnen hinterherhinkt, hat noch einen anderen – hehren – Grund. Sie hat mehr Skrupel als andere Länder. So liegt der Fokus des Drohnenzentrums auf unbewaffneten Systemen. «Technik zeigt uns, was man kann, nicht was man soll», sagt Höpflinger. Als zentral erachtet er die Frage der Automatisierung. «Der Mensch darf die Kontrolle nicht abgeben.»
Bei der Gesetzgebung ist das weltweit längst geschehen. Viele Robotikunternehmen in der Schweiz haben das Heft darum selbst in die Hand genommen. So untersagt etwa Anybotics, einer der weltweit führenden Hersteller von Laufrobotern, den bewaffneten Einsatz seiner Maschinen vertraglich.
Solange sich die internationale Staatengemeinschaft auf keine Regeln einigt, sind solche Alleingänge wirkungslos. Seit 2017 diskutiert die UNO über ein Verbot autonomer Waffensysteme – auch als Killerroboter bekannt.
Eine Einigung scheiterte bislang am Widerstand führender Mächte wie den USA und Russland. Die Zeit drängt: So soll 2020 im libyschen Bürgerkrieg eine Drohne ein menschliches Ziel «gejagt» haben, ohne dazu angewiesen worden zu sein.
(aargauerzeitung.ch)
Teilweise nachvollziehbar: Wer nur beobachtet, wird selten etwas falsch machen.
Dafür verlochen wir Milliarden für nicht passende Brückenanschlüsse (Wallis), nicht ausgelastete Zugverbindungen (NEAT) oder jedes militärische IT-Projekt seit gefühlt immer.
Zum Heulen und Schämen gleichermassen.