Was wäre, wenn es keine Rolle spielte, ob der Kandidat aus Zug oder Bern kommt? Wenn es niemanden interessierte, ob die Anwärterin schon einmal zum Kaffee in Herrliberg gewesen ist oder nicht? Was wäre, wenn ein professioneller Headhunter den Bundesrat suchte und die Kriterien unbeachtet blieben, die in Bundesbern zählen?
Björn Johansson ist einer der erfahrensten und erfolgreichsten Headhunter der Schweiz. Er ist gerade 75 geworden und sucht nach wie vor nach Führungskräften. Würde ihn die Bundeskanzlei anfragen, ob er bis Anfang Dezember einen Bundesrat finden könnte – Johansson würde die Auswahl nach folgenden Kriterien treffen:
Lokal, in Bern, international. Der Kandidat muss im politischen System der Schweiz verwurzelt sein. Johansson merkt jedoch an: «Eine Person, dessen Horizont nur von Genf bis nach St.Margrethen reicht, kommt nicht in Frage.» Die Schweiz gehe ihren eigenen Weg, aber ein Bundesrat müsse wissen: Was läuft in den USA, in China, in Russland, bei der EU, der Weltbank? Gut wären längere Aufenthalte im Ausland. In jedem Fall müsse jemand aber seine Kenntnisse über internationale Zusammenhänge unter Beweis stellen.
«Ein Bundesrat muss gut kommunizieren können, und zwar auch dann, wenn er unter Druck steht», meint der Headhunter. Bundesrat Alain Berset machte es in der Corona-Krise vor. In seinem Bundesamt für Gesundheit lief manches schief; Berset bügelte es kommunikativ aus. Die Bevölkerung sah in Woche für Woche am Fernsehen. Allgemeiner Eindruck: Wer spricht wie Berset, hält die Fäden in der Hand.
«Deutsch, Französisch und Englisch», fordert Johansson. In internationalen Gremien ist Englisch Standardsprache. Gute Englischkenntnisse werden darum vorausgesetzt. Ein Bundesrat sollte sich nicht in einem CNN-Interview mit rudimentärem Englisch der Lächerlichkeit preisgeben, wie das Ueli Maurer tat.
Die sieben Schweizer Bundesräte sind gleichberechtigt. Primadonnen, die sich nicht ins Kollegialitätsprinzip einfügen können, überstehen die Ausscheidung nicht. «Teamorientiertheit setzt voraus, dass man einen eigenen klaren Standpunkt hat», betont Johansson. Eine vorschnelle Anpassung an die Mehrheitsmeinung sei nicht erwünscht.
Johansson weist darauf hin, dass sich eine Regierung im Ausland aus 15 bis 20 Personen zusammensetze. Der Bundesrat ist hingegen ein Siebnergremium. «Entscheidend ist darum, dass man delegieren kann. Voraussetzung dafür ist, dass man gute Chefbeamte auswählt.»
Ein neu gewählter Bundesrat kann sich sein Departement nicht selber auswählen. «Es braucht darum Generalisten. Leute mit wacher Neugier.» Wer sich nur für ein Fachgebiet interessiert, fällt aus dem Raster.
Das Amt in der Landesregierung bedeutet vor allem harte Arbeit. «Wenn das familiäre Umfeld des Bundesrats ein Problem hat mit dessen 16-Stunden-Tagen, kommt es nicht gut», hält Johansson fest.
Das sind die sieben Kriterien des Headhunters. Wie geht er nun konkret ans Werk? Er nutzt sein riesiges Beziehungsnetz. Und er holt Referenzen ein, formelle und informelle.
Bei den formellen Referenzen weiss der Adressat, um was es geht. Man teilt ihr oder ihm mit: «Wir haben Herrn X im Auge für die Position des Bundesrats.» Nun erhofft man sich eine Auskunft darüber, wo mögliche Stärken und Schwächen bei der Ausübung des hohen Amtes liegen könnten.
Johansson holt mehr informelle Referenzen ein. Er will dann vom Gesprächspartner wissen: Wie ist Frau Y so? Wie führt sie? Wie verhält sie sich, wenn der Druck zunimmt? Wie kommuniziert sie in ihrem Unternehmen? Dass Frau Y Mitglied der Landesregierung werden könnte, kommt nicht zur Sprache.
Es ist nie so, dass ein Anwärter alle Kriterien klar erfüllt. Johansson erklärt, dass gerade in Bezug auf die Führungsstärke Defizite bei Menschen auszumachen seien, die man für Leitungspositionen in grösseren Organisationen vorsehe. Was dann?
«Dann stellt man ihm oder ihr einen Mentor zur Seite», sagt der Headhunter. In der Wirtschaft sei das verbreiteter, als man annehme – die Beratungsmandate blieben meistens vertraulich.
Wäre das auch im Bundesrat möglich? Johansson sieht keinen Hinderungsgrund. Es gebe da verschiedene Modelle. Ein neues Mitglied der Regierung könnte zum Beispiel einen Altbundesrat als Mentor haben. Wann immer sich ein grösseres Problem ergebe, stehe der vormalige Magistrat bereit für eine Einschätzung und Ratschläge.
Bei grösseren Unternehmen seien vergleichbare Beratungsmandate meistens zeitlich begrenzt. «Irgendwann meint fast jeder CEO, dass er alles am besten weiss. Auch wenn das falsch ist», sagt Johansson.
Der Headhunter ist überzeugt: Rekrutiert man nach seinen sieben Kriterien einen Bundesrat und führt man dabei die Abklärungen gründlich durch – es käme ein gutes Mitglied der Landesregierung heraus. Und am Schluss wählt das Bundesparlament wohl Albert Rösti, Headhunting hin oder her. (aargauerzeitung.ch)
Da werf ich doch gleich meinen Hut in den Ring
Trotz allem muss man bedenken, dass viele CEO's eine Fehlbesetzung für das Unternehmen ist.
Entweder machen die Headhunters ihren Job nicht richtig, oder die Auswahlkriterien sind falsch.
Z.B. vermisse ich bei den Auswahlkriterien soziale Kompetenz und Empathie. Ist offensichtlich bei Führungsjobs nicht relevant.