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Freiwillig oder nicht? Streit um Waffenausbildung beim Zoll

Nach Abgang des Zoll-Chefs: Bundesrätin macht Ansage zu Waffen – doch die wird ignoriert

Unter Finanzministerin Karin Keller-Sutter herrscht ein frischer Wind beim Zoll. Aber werden ihre Anweisungen wirklich von allen Zollkadern ausgeführt? Es gibt Zweifel, wie das Beispiel der Ausbildung Allegra zeigt.
13.07.2023, 08:06
Henry Habegger / ch media
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Beim Zoll ist nicht alles so klar wie die Haltung dieses Grenzwächters.Bild: keystone

Am 5. Juli 2023 unterstrich Finanzministerin Karin Keller-Sutter die Order in einer Mail an die gut 4000 Beschäftigten des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG): «Das Absolvieren der Allegra-Ausbildung ist für Zollfachleute bis auf Weiteres freiwillig.» Das habe die Geschäftsleitung unter Interims-Chefin Isabelle Emmenegger so entschieden.

Die Weiterbildung Allegra ist beim Personal aus verschiedensten Gründen hoch umstritten. Unter anderem weil auch die Bewaffnung damit einhergeht, wofür es noch gar keine gesetzliche Grundlage gibt. Allegra ist eine der Grundlagen zur Einführung des umstrittenen neuen Einheitsberufsbilds «Fachspezialist, Fachspezialistin in Zoll und Grenzsicherheit», das die bisherigen Berufe Zollfachperson und Grenzwächter ersetzen soll.

So jedenfalls wollten es der frühere Finanzminister Ueli Maurer (SVP) und der abgesetzte Zoll-Chef Christian Bock. Maurers Nachfolgerin Keller-Sutter lässt das neue Berufsbild jetzt aber durch eine externe Firma überprüfen. Die Finanzministerin, die derzeit auch eine neue Chefin oder einen neuen Chef des BAZG sucht, hat eine Art Marschhalt verfügt.

Aber kann sich Keller-Sutter durchsetzen, werden ihre Weisungen auch wirklich umgesetzt und eingehalten? Ein Angestellter sagt: «Es hat sich bei uns überhaupt nichts geändert, es wird alles weiter vorangetrieben, als ob Bock noch da wäre. Seine Jünger sind leider noch hier.»

Bundesraetin Karin Keller-Sutter spricht waehrend einer Medienkonferenz des Bundesrates zu den Resultaten der eidgenoessischen Abstimmungen, am Sonntag, 18. Juni 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer ...
Keller-Sutter lässt das neue Berufsbild «Fachspezialist, Fachspezialistin in Zoll und Grenzsicherheit» durch eine externe Firma überprüfenBild: keystone

Beim Zoll Zürich zum Beispiel sei alles wie gehabt. Notabene: «Dass Allegra freiwillig sein soll, wird bei uns nicht umgesetzt.» Der Befehl sei ausgegeben worden, «dass Allegra für alle ab Stufe Equipenchef Pflicht ist, und somit auch die Bewaffnung».

Auch Beobachter aus der Wirtschaft sagen, es gehe beim Zoll weiter wie bisher, an Schlüsselstellen seien weiterhin die Leute, die Direktor Bock eingesetzt habe. Und diese hielten einfach am bisherigen Kurs fest.

Zoll verspricht: «Werden Anweisungen durchsetzen»

Nachfrage beim Bundesamt für Zoll: Wie freiwillig ist Allegra wirklich? Ist die BAZG-Leitung nötigenfalls gewillt, ihre Anordnungen intern durchzusetzen, wenn diese nicht befolgt werden?

BAZG-Sprecherin Tabea Rüdin gibt es schriftlich: «Allegra ist für alle Zollfachleute inklusive Zollfachleute in Kaderfunktionen freiwillig. Das BAZG bestätigt, dass die Geschäftsleitung die Mitarbeitenden mehrfach über verschiedene Kanäle über die Freiwilligkeit von Allegra informiert hat, dies gilt auch für Kaderfunktionen.» Und sie betont: «Hinweisen, dass die Vorgaben nicht befolgt werden, wird die Geschäftsleitung nachgehen und ihre Anforderungen durchsetzen.»

Allegra ist die Weiterbildung für Leute, die bereits beim Zoll arbeiten. Weiter am Laufen sind die Ausbildungsgänge zu Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit, die sich an Externe richten. In diesen Lehrgängen bildet das BAZG weiterhin nach dem Einheitsberufsbild aus.

Wie viele Aspiranten brechen die Ausbildung ab?

Aber auch dort gibt es Probleme, sagen Insider. Bis fast die Hälfte der Aspiranten schliesse aus unterschiedlichen Gründen nicht ab. Eine Quelle spricht von 75 bis 80 Aspiranten, von denen 48 abschlossen. Zudem sagen mehrere Beobachter, dass sich meist Leute melden, die «vom Profil her Grenzwächter und nicht Zolltechniker» seien. Was dazu führe, dass weitere abspringen, weil ihre Erwartungen enttäuscht würden.

Das BAZG relativiert. «Während der Ausbildung des ersten Jahrgangs haben rund 33 Prozent die Ausbildung abgebrochen», so die Sprecherin. «Beim zweiten Lehrgang waren es knapp 14 Prozent. Diese Zahlen unterlagen bereits in der Vergangenheit Schwankungen und entsprechen in etwa den Erfahrungen.» Zum Abbruch der Ausbildung hätten «die üblichen Gründe geführt». Beispielsweise falsche Berufsvorstellungen, Unfall oder Krankheit, ungenügende Leistungen.

Falsche Berufsvorstellungen hatte wohl auch die alte BAZG-Spitze. Darum lässt Finanzministerin Keller-Sutter jetzt überprüfen, ob das von Maurer und Bock aufgegleiste Berufsbild überhaupt Sinn macht. Keller-Sutter hat jedenfalls alle Hände voll zu tun. (aargauerzeitung.ch)

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