Der Spionage-Skandal um die Zuger Crypto AG erschüttert die Schweiz. Die CIA und der deutsche Nachrichtendienst haben jahrelang über die Zuger Firma Crypto AG über 100 Staaten abgehört. Für einmal sind sich sogar SVP-Doyen Christoph Blocher und die SP/Grüne einig. Sie fordern, dass die Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes und des Bundesrats mittels einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) aufgeklärt wird. «Wenn es einen ernsthaften Verdacht gibt, dass Bundesräte davon gewusst haben, muss dies von einer externen Stelle untersucht werden, eventuell braucht es sogar ein PUK», sagte Blocher zu Tamedia.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Sei es das Swissair-Grounding, die UBS-Affäre, Insieme-IT-Debakel oder der Postauto-Skandal: In allen Fällen scheiterten die PUK-Forderungen im Parlament. Seit über 20 Jahren gab es keine PUK mehr.
Bei der Crypto-Affäre stehen die Chancen nicht schlecht: Mit den Stimmen von SP, Grünen, SVP und FDP (plus einigen Grünliberalen), wäre eine PUK sowohl im National- wie Ständerat mehrheitsfähig. Noch haben die Parteien aber die Sache nicht vertieft diskutiert. Die beiden Kammern könnten bei der Frühlingssession die PUK einsetzen.
Eine PUK ist das stärkste Mittel zur Aufsicht der eidgenössischen Verwaltung. Sie kann eingesetzt werden, wenn «Vorkommnisse von grosser Tragweite der Klärung bedürfen». Und zwar mit letzter Konsequenz.
Am Mittwochabend kündigte GPdel-Präsident Alfred Heer (SVP) an, dass die Geschäftsprüfungsdelegation (GPdel) unverzüglich Anhörungen zu den Machenschaften der Crypto AG aufnimmt. Am Donnerstag ist die Untersuchung offiziell eingeleitet worden. Die GPdel ist die Oberaufsicht der Nachrichtendienste.
Die GPdel hat grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie eine PUK. Dennoch fordert Balthasar Glättli von den Grünen eine PUK: «Auch die Rolle der Aufsicht über den Geheimdienst muss geklärt werden. Die GPdel kann sich nicht selbst einen Persilschein ausstellen», sagte er zu SRF.
Im Frühjahr 1964 lief die geplante Beschaffung von 100 Mirage-Kampfflugzeugen wegen Kostenüberschreitugnen völlig aus dem Ruder. Das Parlament zog in letzter Sekunde die Notbremse. Dank einer PUK: Ein 138-seitiger Untersuchungsbericht zeigte das Missmanagement schonungslos auf. Der Bericht führte dazu, dass nur 57 statt 100 Kampfjets geordert wurden. Zudem rollten die Köpfe von Generalstabschef Jakob Annashon und Etienne Primeault, Waffenchef der Luftwaffe. Bundesrat Chaudet trat später verbittert zurück.
Vor über 30 Jahren ist die Fichenaffäre durch eine PUK aufgeflogen. Die Kommission hatte den Auftrag, Licht in die Hintergründe des Telefongesprächs zwischen der damaligen Justizministerin Elisabeth Kopp und ihrem Mann zu bringen. Kopp hatte ihren Ehemann wegen Ermittlungen in einem Fall von Geldwäscherei gewarnt und ihm geraten, aus dem Verwaltungsrat einer verdächtigten Firma auszutreten.
Im PUK-Bericht wurde dann das Ausmass der Fichenaffäre deutlich: Über 900'000 Menschen waren fichiert worden. Die Empörung war gross: So demonstrierten am 3. März 1990 in Bern rund 30'000 Menschen gegen den «Schnüffelstaat».
Die Empörung war gross, als im Zuge der Fichenaffäre 1990 eine geheime Widerstandsorganisation namens P-26 aufflog. Sie hätte im Fall einer kommunistischen Besetzung der Schweiz im Untergrund aktiv werden sollen. Eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK EMD) kam in ihrem 277-seitigen Bericht zu dem Schluss, die P-26 stelle eine potenzielle Gefahr für die verfassungsmässige Ordnung dar. Von einer illegalen «Geheimarmee» war in Medien und Politik die Rede.
Die vierte PUK zur Durchleuchtung der Eidgenössischen Versicherungskasse war eher eine parlamentarische Form der Vergangenheitsbewältigung. Die Pensionskasse des Bundes (PKB) hatte seit Beginn der achtziger Jahre mit grossen Problemen in den Bereichen Führung und Organisation, EDV und Finanzen zu kämpfen. Millionenbeträge konnten buchhalterisch nicht belegt werden. Die Hauptverantwortung für das Debakel in der PKB trugen laut Schlussbericht der frühere Chef des EFD sowie die beiden früheren Direktorinnen der Eidgenössischen Versicherungskasse, zu der die PKB gehörte.
Der Bundesrat weiss seit November von den Machenschaften der Krytpo AG. Im Januar hat die Landesregierung entschieden, alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer mit einer Untersuchung zu beauftragen. Dieser hat viel Erfahrung mit delikaten Angelegenheiten: Er war Mitglied der PUK, welche die Fichenaffäre untersuchte.
PUK oder GPDel werden die Gemüter beruhigen aber was geheim ist bleibt geheim. Geheimdienste richten sich nicht nach den Regeln der Demokratie.
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