Die Schweiz hat seit dem 20. Juni sechsundzwanzig neue Virengeneräle. Seit der Ausrufung der «besonderen Lage» verschob sich die Macht zur Epidemienbekämpfung wieder zurück zu den Kantonen, wo die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren das Zepter übernehmen.
Sie werden sich angesichts der angestiegenen Corona-Zahlen heikle, politische Fragen stellen müssen: Was kann vor Ort unternommen werden, um die Verbreitung des Virus zu bremsen? Müssen Badis geschlossen werden? Was macht man mit den Clubs, den Restaurants und den Stränden?
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Vom Bundesrat wird hier nicht mehr viel zu hören sein. Er ist seit vergangener Woche in der Sommerpause und verordnete kurz davor die Maskentragepflicht im öffentlichen Verkehr. Während den heissen Sommerwochen soll nun die Coronapandemie von den «Alain Bersets der Kantone» beherrscht werden. Wer diese kantonalen Gesundheitsminister sind, portraitierten letzte Woche die Zeitungen der CH Media.
Doch wie regieren sie, wenn das halbe Land und möglicherweise die Kantonsregierungen selbst in den Sommerferien stecken? watson hat bei drei Kantonen nachgefragt. Alle bestätigen, dass die Exekutiven sicherstellen würden, jederzeit handlungs- und beschlussfähig zu sein.
«Die Regierungsmitglieder können diese Zeit nutzen, um einen Teil ihrer Ferien zu beziehen. Allerdings beziehen die Regierungsmitglieder ihre Ferien nie gleichzeitig, sondern sprechen sich ab», sagt Marco Greiner, Regierungssprecher des Kantons Basel-Stadt. Im Stadtkanton würden mindestens zwei Regierungsrätinnen oder Regierungsräte zeitgleich auf Ferien verzichten. Auch in Zürich teilt man mit, dass sich die Exekutivmitglieder wegen Ferienabwesenheiten absprechen würden.
Und was ist, wenn im Kanton die Lage eskaliert und ein Beschluss gefasst werden müsste? Aus dem Kanton St. Gallen heisst es, dass die siebenköpfige Regierung beschlussfähig sei, wenn wenigstens vier Mitglieder und der Staatssekretär anwesend sind. Wenn das nicht möglich ist, könne eine ausserordentliche Sitzung einberufen werden – oder auf schriftlichem Weg ein Zirkulationsbeschluss gefasst werden, teilt der St. Galler Staatssekretär Benedikt van Spyk mit.
Die Einsatzbereitschaft «auf Pikett» wird auch in Zürich erwartet. Der Zürcher Regierungssprecher Andreas Werner Melchior sagt, dass Sitzungen jederzeit kurzfristig möglich seien und man dies entweder «physisch» oder «auf elektronischem Weg» durchführe.
Einzelne Kantone nutzten ihre Kompetenz bereits vor dem Beginn der Sommerpause und erliessen lokale Massnahmen. So kennen der Jura und die Waadt Maskentragepflichten auch in Geschäften und Läden. Das Tessin senkte für Veranstaltungen die Höchstzahl der Gäste von 300 auf 100.
Lukas Engelberger, oberster Gesundheitsdirektor der Schweiz und Regierungsrat in Basel-Stadt, will angesichts der unterschiedlichen örtlichen Massnahmen nicht von «Flickenteppich», sondern von einem «Mosaik» sprechen. «Für jedes Feld müssen wir die passende Farbe finden. Das heisst, dass jeder Kanton rasch und wirksam auf die lokalen Verhältnisse zu reagieren hat. Das entspricht der schweizerischen Tradition», sagte er in der «NZZ am Sonntag».
Für seinen Kanton arbeite er derzeit an einem Konzept, mit dem Menschen erreicht werden können, die für Massnahmen gegen Corona bisher nicht empfänglich waren. Im Fokus stünden Klub- und Partygänger und Menschen mit einem Hang zum Hedonismus.
Mal schauen, welche Clubs nach diesem Wochenende wieder Super-Spreader Vorfälle melden.