126 neue Hospitalisationen meldete das Bundesamt für Gesundheit am Freitag. Aber was bedeutet diese Zahl ganz genau? Sicher ist, dass alle diese Patienten eine Covid-Infektion haben. Nicht sicher ist aber, ob diese auch wegen Covid-19 eingeliefert wurden.
Erleidet jemand beispielsweise einen Beinbruch, muss deswegen ins Spital und wird dort bei der Einweisung positiv getestet, zählt das BAG ihn zu den Covid-Hospitalisierungen. Es geht nicht bloss um Einzelfälle, wie der «Blick» und der Westschweizer TV-Sender «Léman Bleu» berichteten. So gab der Kanton Genf bekannt, dass rund die Hälfte der Hospitalisationen wegen eines anderen Grundes erfolgt ist – und Corona nur eine Nebendiagnose ist.
Der Infektiologe Huldrych Günthard vom Universitätsspital Zürich bestätigt dieses Verhältnis gegenüber der «Schweiz am Wochenende». Und Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital Aarau, sagt:
Das klinische Bild der eingelieferten Patienten habe sich mit dem Auftreten von Omikron klar verändert, sagt Fux. Covid-Patienten kommen nicht mehr nur mit Atembeschwerden, sondern teilweise mit nichts als schweren Kopfschmerzen oder Bauchbeschwerden. «Omikron scheint die Lunge weniger zu befallen, macht aber weiterhin eine schwere Entzündungsreaktion mit Thromboseneigung. Wenn dies dann zu Lungenembolien oder einem Herzinfarkt führt, ist das auch Covid», sagt Fux. Die Trennung der Fälle ist also nicht so einfach.
Die Problematik ist aus anderen Ländern bekannt. Die dänische Gesundheitsbehörde kam zum Schluss, dass ein Viertel der momentan 750 Patienten nicht wegen Corona-Symptomen, sondern aus anderen Gründen eingeliefert und dann positiv getestet wurde.
In den USA erklärte Chef-Virologe Anthony Fauci kürzlich zum vermeintlich starken Anstieg der Covid-Hospitalisierungen bei Kindern: Die Statistik sei in diesem Punkt schlicht falsch. Das Problem: Auch Kinder, die aus anderen Gründen in ein Spital eingeliefert und dann positiv getestet würden, tauchten in der Statistik als Covid-Hospitalisierungen auf. Das müsse man dringend anpassen, forderte Fauci.
In der Schweiz reagieren viele Politiker irritiert. Der Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission Erich Ettlin (Mitte, OW) sagt:
Das beschädige die Glaubwürdigkeit der Coronapolitik, zumal die Massnahmen auf den Spitaleinweisungen beruhten. Unter dem Strich ändere sich durch die Art und Weise der ausgewiesenen Covid-Hospitalisierungen zwar nichts an der Tatsache, dass die Intensivstationen sehr stark ausgelastet seien.
Manuela Weichelt von den Grünen ortet ein «grundsätzliches Datenproblem beim BAG». Auch Damian Müller sieht Korrekturbedarf bei der Statistik. «Spitäler sollten bei der Klassifizierung vorsichtiger sein, aber es ist nicht immer einfach, Covid-Fälle von anderen Fällen zu unterscheiden», sagt der Luzerner FDP-Ständerat. «Ausschlaggebend bleibt die Besetzung der Intensivstationen», sagt der Vizepräsident der Gesundheitskommission.
Wie sieht das im Spitalalltag aus? «Auch Patienten mit Covid als Begleitdiagnose müssen isoliert werden, sind also in der Betreuung aufwendiger. Zudem können Covid-assoziierte Komplikationen auftreten. In der Regel ist der Verlauf aber günstig, mit kurzer Hospitalisation ohne Intensivstation-Bedarf», sagt der Infektiologe Fux. Und Günthard erklärt: «Zum Teil entwickelt sich die Covid-Erkrankung dann erst im Spital. Das heisst, man muss genau hinschauen.» Ins Spital eintretende Menschen werden im Universitätsspital Zürich seit 1½ Jahren alle mit PCR auf Covid getestet. Es gebe auch immer wieder Fälle von Ansteckungen im Spital, sagt Günthard.
Übertragungen seien selten, ergänzt Fux: «Weil sowohl Patienten wie Betreuende bei jedem Kontakt eine Maske tragen und die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden geboostert ist.» Ein Teil der Patientinnen und Patienten, die zuerst negativ getestet wurden, könnten sich aber kurz vor Einlieferung angesteckt haben.
Generell sind die Spitalzahlen im Vergleich zu den Rekordwerten an Infektionen aber immer noch tief geblieben. Für Günthard gibt es dafür mehrere Gründe. Erstens hält er Omikron für weniger virulent. Dafür sprechen die vorliegenden Daten insbesondere bei Geimpften und noch mehr bei Geboosterten. Zweitens findet momentan der grosse Teil der Infektionen bei Jüngeren statt, die generell weniger krank werden. «Drittens sind Risikopatienten und ältere Menschen sehr gut geimpft, über 90 Prozent, und auch sehr gut geboostert», sagt Günthard.
«Wir stehen am Fuss der Omikron-Welle. Erfahrungsgemäss dauert es rund zwei Wochen nach der Ansteckung, bis die Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass Hospitalisationen notwendig werden», sagt Fux dazu und führt weitere Gründe auf. Zum einen befalle Omikron die Lunge weniger und schwere Lungenschädigungen wie in früheren Wellen seien wohl seltener. «Zudem hilft die Impfung mehr als erwartet», sagt Fux. Die Grundimpfung versage zwar nach wenigen Monaten als Schutz vor Ansteckung, verhindere aber schwere Verläufe mit Spitalbedarf doch sehr gut. «Wer sich dann boostern lässt, ist vor einer Ansteckung wieder gut geschützt.»
Entscheidend sind die Belegungen der Intensivstationen. Fux blickt deshalb auf Länder, in welchen die Omikron-Epidemie schon weiter fortgeschritten ist. «Dort sehen wir deutlich weniger IPS-Patienten relativ zur Fallzahl. Problematisch ist aber, dass unsere Intensivstationen noch voll sind von den Delta-Patienten.» Gut möglich sei deshalb, dass die Belastung eher die Bettenstationen treffen werde, da viele Patienten mit mittelschweren Verläufen hospitalisiert werden müssten. Auch mittelschwere Fälle können das Gesundheitswesen überfordern, wenn sie in zu grosser Zahl vorkommen, betont Fux. (aargauerzeitung.ch)
Wir müssen in den Spitälern alle hospitalisierten Patienten mit positivem Test auf SARS-CoV-2 innert 24 h melden. Dabei geben wir stets an, ob COVID 19 der Grund war, oder nicht. Wenn dies nun nicht in den offiziellen Zahlen ausgewiesen wird, sollte man nicht uns die Schuld geben. Und oftmals ist es nicht ganz so einfach. Bsp. entgleister Diabetes oder Sturz in geschwächtem Zustand mit Fraktur. Wäre das ohne die Infektion auch passiert?
Die Politik sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass unser Gesundheitswesen zu knappe Kapazitäten hat. Um eine Pandemie zu bewältigen, braucht es Reserven, welche kurzfristig abrufbar sind.
Man kann das nicht einfach dem Markt überlassen, weil der Reserven nicht zulässt.