
Baustelle CVP: Parteichef Christophe Darbellay auf dem Weg zu einer Medienkonferenz.
Bild: KEYSTONE
Die CVP ist ein
politisches Paradoxon: Kaum eine Partei agiert personell und
sachpolitisch so erfolgreich. Den Wählern aber scheint es egal zu
sein, sie zeigen ihr die kalte Schulter.
Die Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz steht für Erfolg: Sie stellt mit 13 Ständerätinnen und
Ständeräten die grösste Delegation in der kleinen Kammer. In den
Kantonsregierungen verfügt sie über 38 Sitze und ist damit die
Nummer zwei hinter der FDP (42). Bei den Sachvorlagen hat keine
Partei in den letzten Jahren so viele Abstimmungen gewonnen wie die
CVP, sei es im Parlament oder an der Urne.
Entsprechend
verkauft sie sich als lösungsorientierte Partei. «Wer will, dass
alles so weitergeht wie bisher, muss uns wählen», sagt
Generalsekretärin Béatrice Wertli. Dumm nur, dass diese Botschaft
bei den Adressaten nicht anzukommen scheint. Das Wahlvolk nimmt die
CVP-Erfolgsbilanz ungerührt zur Kenntnis und schickt die Partei seit
Jahren auf Talfahrt.
Ihre starke Stellung
in den Kantonen kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die CVP
vorab in ihren «Stammlanden» seit den frühen 1990er Jahren
kräftig Federn lassen musste, vorab zugunsten der SVP. Zuletzt
erwischte es sie auch im Wallis, dem vielleicht «schwärzesten» Kanton der Schweiz. Bei den kantonalen Wahlen 2013 verloren die CVP
und ihre «Schwesterpartei» CSP die absolute Mehrheit im
Parlament. In der Regierung war dies bereits 1997 der Fall.

Ein nachdenkliche Darbellay nach der letzten Wahlniederlage 2011.
Bild: KEYSTONE
Auf nationaler Ebene
hat die CVP im Gleichschritt mit der FDP seit 1979 andauernd
verloren, sie fiel von 21,3 auf 12,3 Prozent bei den letzten Wahlen
2011. Doch während beim Freisinn eine Trendwende wahrscheinlich ist,
dürfte der Niedergang der CVP anhalten. In absehbarer Zeit könnte
sie in den einstelligen Prozentbereich abrutschen. Hauptgrund ist der
«Trend zur Vereinfachung der
Parteienlandschaft», wie es der Politologe Claude Longchamp bei der
Vorstellung des aktuellen Wahlbarometers formuliert hat.
Christophe Darbellay geniesst laut Wahlbarometer die höchste Glaubwürdigkeit unter den Parteipräsidenten. Womit der Walliser diese Wertschätzung verdient hat, bleibt schleierhaft.
Das
Nationalrats-Rating der NZZ zeigt, dass keine Partei in Bundesbern ein
breiteres Spektrum aufweist als die CVP. Es reicht von der St.Gallerin Lucrezia Meier-Schatz auf der linken Seite bis zum Zuger
Gerhard Pfister, dem «Rechtsausleger» der Partei. Das gleiche
Bild zeigt sich im von watson veröffentlichten Swisscleantech-Rating
der Parlamentarier, die Ökonomie und Ökologie am Besten vereinen:
CVP-Politiker findet man sowohl ganz oben wie am Ende der Rangliste.
Ein Ausweg aus
diesem Dilemma ist nicht erkennbar. Die CVP kann sich nicht wie die
FDP als Mitte-rechts-Partei positionieren, dazu ist ihr
christlichsozialer Flügel zu stark. Umgekehrt erwies sich der
Versuch, mit einem sozialliberalen Kurs in den urbanen Regionen neue
Wähler zu gewinnen, als nicht nachhaltig. Der CVP fällt es deshalb
schwer, ein klares Profil zu entwickeln, zu weit gehen etwa in der
Ausländer- und Europapolitik die Meinungen auseinander.

Ihre Familieninitiativen haben der CVP mehr Ärger als Aufwind beschert.
Bild: KEYSTONE
Als Ausweg bleibt
die Familienpolitik, der vermeintlich verlässlichste Wert für eine
Partei mit christlichen Wurzeln. Zwei Volksinitiativen hat die CVP
auf diesem Gebiet in den letzten Jahren eingereicht. Jene für
steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen wurde im März dieses Jahres mit 76 Prozent Nein abgeschmettert. Mit der
zweiten Vorlage «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
setzte sich die Partei in die Nesseln, weil sie darin die Ehe als «auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft
von Mann und Frau» definiert.
Die CVP mag für Erfolg stehen, ihr Image ist das einer Verliererpartei. Das dürfte sich am 18. Oktober nicht ändern.
Nicht nur
Homosexuelle zeigten sich perplex. Der Verfassungsartikel
erweckt den Eindruck, die Christdemokraten hätten die Zeichen der
Zeit nicht erkannt. Ihre Versuche, einen Ausweg aus der selbst
gestellten Falle zu finden, wirken unbeholfen bis peinlich. Solche
Manöver bleiben weit stärker haften als die an sich beachtliche
Erfolgsbilanz. Das gilt auch für ihr vergebliches Werben um die
Gunst der BDP, mit der sie eine gemeinsame Fraktion bilden wollte.
Erschwerend kommt
hinzu, dass die CVP auf Bundesebene ein Personalproblem hat. Das
beginnt bei Bundesrätin Doris Leuthard. Der Lack der einstigen
Strahlefrau hat seit ihrem Wechsel ins Infrastrukturdepartement Uvek
einige Kratzer abbekommen. Christophe Darbellay geniesst laut
Wahlbarometer die höchste Glaubwürdigkeit unter den
Parteipräsidenten. Womit der Walliser diese Wertschätzung verdient
hat, bleibt schleierhaft. In seinem neun Jahren an der Parteispitze
ist er mehr mit populistischen Sprüchen aufgefallen als mit
politischen Initiativen.

Bild: KEYSTONE
Nun darf Darbellay
wegen der Amtszeitbeschränkung seiner Kantonalpartei nicht mehr als
Nationalrat kandidieren, deshalb gibt er im nächsten Frühjahr das
Parteipräsidium ab. Für die Nachfolge drängt sich niemand
auf. Gerhard Pfister, dem ein Interesse nachgesagt wird, dürfte für
viele zu weit rechts stehen. Im Gespräch ist auch der
Luzerner Ständerat Konrad Graber – kein Name, der einem breiten
Publikum geläufig ist.
Das gleiche Problem
hatte die CVP bereits, als der Freiburger Ständerat Urs Schwaller
Anfang 2014 als Fraktionschef zurücktrat. Niemand wollte den
aufwendigen Job übernehmen, weder Pfister noch Graber noch der als
Kronfavorit gehandelte Solothurner Ständerat Pirmin Bischof. Am Ende
blieb als einziger Kandidat der umtriebige Tessiner Filippo Lombardi.
Die CVP mag für
Erfolg stehen, ihr Image ist das einer Verliererpartei. Das dürfte
sich am 18. Oktober nicht ändern. Von einer Rückeroberung des 2003
verlorenen zweiten Bundesratssitzes kann sie nicht einmal träumen.
Der verbleibende Sitz aber ist nicht gefährdet, selbst bei einem
Absturz unter die 10-Prozent-Marke. Dafür sorgt ihre starke
Vertretung im Ständerat und in den Kantonsregierungen, in erster
Linie aber ihre Rolle als Mehrheitsbeschafferin.
Hierin liegt
vielleicht das wahre Drama der «Erfolgspartei» CVP: Aus eigener
Kraft kann sie kaum noch etwas bewegen. Ohne starke Partner befände
sie sich im politischen Niemandsland.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Ferraris, ein Privatschloss und Millionen auf Dubai-Konten – während Hunderte Anleger ihr Geld verloren, genoss dieser Geschäftsmann ein Leben in Luxus.
Eine Recherche von Arte und der NGO «Global Initiative Against Transnational Crime» deckt auf, wie ein kriminelles Netzwerk aus Zug Hunderte Anleger um 84 Millionen Franken brachte. Die Spur führt von Spreitenbach über Frankreich bis nach Dubai. Hier kommt die Übersicht in 5 Punkten: