Die Grippe (oder grippeähnliche Symptome) gehört zum Schweizer Winter wie der Schnee. Oder der Hochnebel in den tieferen Gebieten. Und was auch dazu gehört: Schulklassen, in welchen bis zur Hälfte der Kinder krankheitshalber fehlen. Im Büro vergeht kein Tag, ohne dass sich jemand krankmeldet. Schon zu Jahresbeginn kroch dieses Gefühl hoch, dass es mal wieder jeden grad erwischt.
Aber ist das alles nur gefühlt oder ist wirklich die halbe Schweiz krank? Checken wir das beim Bundesamt für Gesundheit. Ambulante Konsultationen aufgrund einer grippeähnlichen Erkrankung nehmen seit dem Jahreswechsel stark zu. Für die aktuellen Tage anfangs Februar gab es seit der Coronapandemie nie auch nur annähernd so viele Fälle. In den letzten fünf Grippesaisons kam einzig 2022/2023 vor dem Jahreswechsel ein ähnlicher (auch wenn nicht ganz so hoher) Peak zustande:
Die Konsultationsrate im Vergleich zur jeweiligen Vorwoche hat sich im Januar und Februar wöchentlich massiv erhöht. Der Grippe-Ticker der Swica berechnete Ende letzter Woche den 3-Wochen-Schnitt der Influenza-Positivität auf 56,2 Prozent (Vorwoche: 53,2 Prozent). Mediensprecher Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit schreibt auf Anfrage: «Die Influenza-Aktivität ist weiterhin hoch. Der Höhepunkt der Grippewelle scheint noch nicht überschritten zu sein. Es ist nicht möglich, vorherzusagen, wann der Höhepunkt erreicht sein wird.»
Auch Walter Zingg, leitender Arzt in der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich will kein Datum nennen, wann die Welle abklingt: «Ich glaube nicht, dass es jetzt dann vorbei ist. Es geht eher noch zwei bis drei Wochen so weiter. Influenza-B-Viren dürften sich noch weiter ausbreiten.» Während Influenza-A-Viren im Vergleich zu den letzten Jahren auf ähnlichem Niveau waren, sah man bei den Influenza-B-Viren in dieser Saison von Anfang an höhere Werte. Immerhin: Bei den stationären Patienten am Universitätsspital Zürich gab es in den letzten zwei Wochen eine Abnahme.
Wie immer gilt: Bis das Fieber weg ist und die schwereren Symptome abgeklungen sind, sollte man Zuhause bleiben. Auch Masken helfen, diese sieht man aktuell aber nur sehr vereinzelt. «Eigentlich sollten diejenigen Masken tragen, die Symptome haben – das wäre am effektivsten», sagt Zingg.
Gemäss dem BAG suchen vor allem Eltern von 5- bis 14-jährigen Kindern den Arzt auf wegen eines grippeähnlichen Symptoms. Insbesondere die Kantone Graubünden und Tessin sind aktuell betroffen. In der Zentralschweiz ist die Ausbreitung momentan kleiner. «Kinder sind in der Regel die Treiber einer Grippesaison. Gut möglich, dass sie sich mit den aktuellen Influenza-Viren kränker fühlen als mit Covid», so Zingg.
Aber wie aussergewöhnlich ist dieser Peak? Als Corona im Februar/März 2020 die Schweiz erreichte, gingen die Konsultationen noch etwas höher. Und wie war es, bevor Händewaschen, Abstand halten und Homeoffice verbreitet Akzeptanz fanden?
Da stiegen seit 2012/2013 mit einer Ausnahme die Konsultationen aufgrund grippeähnlicher Erkrankungen in der aktuellen Jahresphase praktisch immer über den aktuellen Wert – teilweise gar deutlich:
Was ist der Grund dafür? Homeoffice verliert immer mehr die Akzeptanz, Masken haben diese eh längst verloren und «krank ins Büro arbeiten» gehen ist wieder eher Trend als verpönt. Das sind womöglich Punkte, die einen Einfluss haben.
Für Zingg greift dies aber zu kurz: «Die Leute fühlen sich aktuell kränker als letztes Jahr, obwohl die tatsächlichen Infektzahlen ähnlich hoch sind. In der letzten Saison hatten wir noch viele Covid-Fälle, weil wir diesen Viren in den letzten Jahren öfter ausgesetzt waren, fühlte man sich womöglich nicht mehr so krank wie jetzt. Es kann durchaus sein, dass die aktuelle Grippewelle dieses Jahr darum mehr ausschlägt.»
Fakt ist auch: Die Massnahmen, welche gegen die Verbreitung des Coronavirus getroffen wurden, halfen auch gegen Übertragung anderer respiratorischer Viren. Dass diese jetzt darum zurückkommen, war zu erwarten.
Und wie sieht es aus mit den tatsächlich gemeldeten Influenza-Fällen? Diese sind in der aktuellen Saison hoch. Seit 2012/13 wurden die gemeldeten Fälle einzig 2022/23 übertroffen. Ob wir in diesem Jahr den Peak schon erreicht haben, bleibt – wie oben erwähnt – offen. Sicher ist: In den letzten 13 Saisons wurden nur in einer Saison mehr Influenza-Fälle aufgezeichnet. Dieses Jahr standen wir für eine Kalenderwoche schon bei rund 31 pro 100'000, im Vorjahr lag dieser Wert maximal bei rund 26,5.
Soweit zu den erfassten Daten, weil sich jemand so krank fühlt, dass er oder sie einen Arzt aufsucht. Ein guter Hinweis über die Verbreitung von Viren ist auch immer das Abwasser.
Seit Januar 2025 umfasst das Abwassermonitoring nur noch zehn Abwasserreinigungsanlagen (ARA). Auch hier ist das Verdikt aktuell klar: In fünf der Messorte liegen wir bei einer relativen Viruslast von 81 bis 100 Prozent des Höchstwerts der absoluten Viruslast derselben ARA im Zeitraum seit Juli 2023. Damit bewegen sich die Werte mehr oder weniger im Rahmen der letzten Saison: