Herr Thiriet, watson hat einen neuen Auftritt. Was ist der Grund für diesen umfassenden Relaunch?
Maurice Thiriet: Die Gewohnheiten in der Content-Konsumation haben sich seit der letzten grundlegenden Auffrischung vor bald fünf Jahren doch ein wenig gewandelt, die Anforderungen des Werbemarkts entsprechend geändert. Aber viele Auffrischungen an User Interface und User Experience haben wir schrittweise bereits seit längerem getestet und released.
Ach ja? Welche?
Die ganze Schriftwelt ist umfassend erneuert. In allen Elementen. Nichts mehr gleich wie Anfang 2024.
Die neuen Schriften sind aber kaum bemerkbar …
Dann hat unser Plan funktioniert. Wir haben seit Anfang 2024 Design und Nutzererfahrung interaktiv und zukunftsorientiert weiterentwickelt. Und das werden wir weiterhin tun. Kein Big Bang, sondern stetiges Hegen und Pflegen unseres Oberflächen-Gartens, wie die verantwortliche Head of Product, Megan Silberbauer, stets zu sagen pflegt.
War die Neugestaltung aufwändig?
Ja, das war eine ziemlich umfassende Veranstaltung, an der wir die letzten beiden Jahre in Front- und Back-End gearbeitet haben und deren voller Umfang auch erst im Laufe dieses Jahres komplett sicht- und erlebbar wird.
Auf welche Punkte wurde bei der Neugestaltung vor allem geachtet?
Wir setzen auf ein Design, das nicht nur optisch auffällt, sondern auch Spass macht und die Art, wie wir Medien konsumieren, spürbar verbessert. Das ist unserer Ansicht nach die zentrale Herausforderung in der Distribution von nach journalistischen Grundsätzen produzierten Inhalten: dass die Userinnen und User das gern konsumieren, dass das ein bisschen nice daherkommt.
Also alles fürs Mobile optimiert?
Ja, das neue Designkonzept ist stärker auf die mobile Nutzung fokussiert als das ursprüngliche, weil sich auch die Nutzung in den vergangenen fünf Jahren weiter von Desktop auf Mobile verlagert hat.
Der Werbemarkt mag aber auch Desktop-Traffic. Ergeben sich aufgrund des neuen Auftritts auch Vorteile für die Werbetreibenden?
Ja, für watson als werbefinanziertes Reichweitenprodukt gilt ja «Ohne Ads kein Content und ohne Userinnen und User keine Ads», weshalb wir bei allen Änderungen ein wichtiges Design-Principle vorausgesetzt haben: Wir optimieren stets das Verhältnis zwischen Content-Grid-Elementen und Anzeigen-Slots, um die ideale Balance zwischen Nutzererlebnis und Monetarisierung zu gewährleisten. Es gibt bei uns das eine nicht ohne das andere.
Und was ist da Ihr Rezept, wie man das macht?
Unser Redesign folgt explizit nicht dem globalen minimalistischen und zurückhaltenden Designtrend in den News-Apps, sondern bleibt laut, bunt und unverwechselbar. Wir vereinen klare Strukturen mit verspielten Details, um ein Nutzererlebnis zu schaffen, das Freude bereitet und zugleich ähnlich intuitiv bedienbar ist wie die verbreiteten Social-Media-Plattformen. Damit heben wir uns auch von der Konkurrenz ab.
Was heisst das konkret?
Wir haben erstens die Teaser-Ansicht modernisiert, die ist optisch völlig überarbeitet und wirkt in der neuen Form ganz anders. Um nicht zu sagen: Das knallt ganz anders rein und transportiert auch visuell ein paar unserer Kernwerte: Mut, Unangepasstheit und Humor.
Okay, aber jetzt haben Sie immer noch nicht gesagt, was das konkret heisst?
Drei Dinge sind wichtig: Erstens sorgt das magentafarbene Herzstück durch mehr Prominenz noch deutlicher für die typische watson-Wiedererkennbarkeit. Zweitens fungieren unsere Jumbo-Teaser als visuelle Klammer, um den Content zu einem Sujet zu verbinden, womit sie den Anfang der grossen Geschichten schon auf den ersten Blick erzählen.
Und drittens?
Drittens legen wir im Hinblick auf Responsiveness noch einen Zacken zu. Einheitliche Bildformate sorgen für eine optimale Darstellung auf allen Endgeräten – egal ob auf dem Smartphone, Tablet oder Desktop. Sie sollen überall das gleiche Nutzererlebnis haben, egal auf welchem Gerät oder Kanal man watson erlebt. Die Neuerungen erlauben uns auch, leichter neue Interaktionskonzepte und Features zu implementieren.
Wie zum Beispiel? Haben Sie schon die UX-Revolution im digitalen Journalismus in der Pipeline?
Das sehen Sie ja dann zum gegebenen Zeitpunkt, aber ja, wir haben schon etwas geplant, das wir demnächst releasen. Und auch dort gilt: Sie finden klare Strukturen in Kombination mit verspielten Details. Sie werden es intuitiv bedienen können. Und es wird Sie glücklicher machen, ohne dass Sie wissen, warum.
Was bedeutet der ganze Relaunch für den französischen Auftritt?
Für die welschen Kolleginnen und Kollegen ist die Umgewöhnung im Page-Making ein bisschen einfacher, weil sie bereits seit längerem mit einer reduzierten Varianz im Aufbau der Frontseiten arbeiten. Sie haben gewisse Teaser-Formatkombis gar nie genutzt und müssen nun auch weniger in den Möglichkeiten abspecken.
watson hat soeben für Schlagzeilen gesorgt, weil Sie die Plattform X von Elon Musk verlassen. Was gab letztlich den Ausschlag für diesen Schritt?
X hat relativ bald nach der Übernahme durch Elon Musk in der schweizerischen Debatten- und Öffentlichkeitsarena nicht mehr die Relevanz gehabt wie früher, die wichtigen Meinungs- und Info-Akteure haben auf andere Kanäle gewechselt. Und letztlich wollen wir als nach journalistisch-redaktionellen Kriterien veröffentlichtes Massenmedium, das eine demokratische und debattenbefähigende Kontrollfunktion hat, nicht mit unseren Inhalten eine Fake-News-Schleuder eines Milliardärs alimentieren, der weder an Demokratie noch Debatte ein Interesse hat.
Wie waren die Reaktionen der Userinnen und User auf den Schritt?
Wenn ich mir die Kommentarspalte unter der Begründungs-Story anschaue, dann sind 95 Prozent der Userschaft mit dem Entscheid einverstanden. Ein paar wenige haben den berechtigten Einwand gebracht, bloss weil watson von X verschwinde, werde der Elon Musk nicht plötzlich zum White Knight des Pluralismus. Aber letztlich hat für uns das Argument überwogen, nicht zur Auffutterung einer anti-woken Fake-News-Schleuder beitragen zu wollen.
Sie waren lange Chefredaktor von watson. Wie hat sich das Medium in den letzten Jahren verändert?
Es ist profitabler geworden! Weil watson sich immer strikt entlang der veränderten Mediennutzungsgewohnheiten entwickelt. Unser Anspruch ist es, als erstes Medium auf allen Plattformen, auf denen sich Userinnen und User aufhalten, mit den dort gefragten Inhalten formal kanalgerecht präsent zu sein. Erreichen wir die Userinnen und User in diesen Uncharted Territories mit unserem Content, dann erreichen wir sie auch mit Werbebotschaften. Und zwar dort, wo das noch niemand anderes kann.
Wie lange wird watson noch kostenlos bleiben?
watson wird immer kostenlos bleiben, weil es im Wortsinn radikal, also von der Wurzel her, ein Reichweitenmodell ist. Da gilt: Content is free.
Leicht störend auch, dass Werbung noch mehr wie Artikel aussieht...
Vielleicht gewöhnt man sich daran, wie an so vieles. Aber einen direkten Nutzen sehe ich gerade nicht 🙂
vor allem die kleinen 2er und 3er Blöcke übereinandergestapelt sehe ich gar nichts mehr am Laptop.
am Handy gehen sie so lala, sind aber trotzdem hässlich.