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Fifa: Warum Infantino, Lauber und Co. ungestraft davon kommen

Treffen mit «konspirativem Charakter» – trotzdem kommen Infantino und Co. ungestraft davon

Den «Verschwörern» war nichts zu beweisen: Die Sonderermittler stellen das Strafverfahren zu den Geheimtreffen zwischen Fifa und Bundesanwaltschaft ein. Trotzdem gab Fifa-Chef Gianni Infantino keine gute Figur ab.
29.10.2023, 07:31
Henry Habegger / ch media
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Sieht sich als grossen Sieger in der Schweizerhof-Affäre: Fifa-Boss Gianni Infantino.
Sieht sich als grossen Sieger in der Schweizerhof-Affäre: Fifa-Boss Gianni Infantino.Bild: Getty Images

Fifa-Boss Gianni Infantino jubelte und tobte zugleich: Er habe «immer absolut korrekt und gesetzeskonform in seinen Beziehungen mit den Schweizer Staatsanwälten» gehandelt, so die Fifa am Donnerstag in einer Mitteilung. Es sei nun klar, wurde Infantino zitiert, «dass die Anschuldigungen nicht mehr als Versuche von armen, neidischen und korrupten Leuten waren, um meinen Ruf anzugreifen».

Aber so klar, wie Infantino sie zu verkaufen versucht, ist die Sache bei weitem nicht.

In der Schweizerhof-Affäre, von der Fifa «Fall Lauber» genannt, ermittelten die ausserordentlichen Bundesanwälte Ulrich Weder und Hans Maurer seit 2022, zuletzt gegen sieben Personen. Allen voran den früheren Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa-Boss Infantino. Es ging um Verdacht auf Amtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung, Begünstigung oder Anstiftung dazu.

Jetzt wird das Verfahren eingestellt. Am Donnerstag teilten die Bundesanwälte mit: «Der Verdacht auf eine Instrumentalisierung der Bundesanwaltschaft durch die Fifa hat sich im Verlauf der umfassenden Untersuchung nicht erhärtet.» Dann folgt der Satz: «Der Tatverdacht wurde im Gegenteil entkräftet.»

Der Satz wirkt so, als wäre er nachträglich hineingeflickt worden. Er passt wie die Faust aufs Auge zu dem, was in der über 200 Seiten starken Einstellungsverfügung der Sonderermittler steht. Denn da bleiben viele Fragen offen.

Bundesanwälte: Treffen weiterhin «suspekt und undurchsichtig»

So konnte die Frage, worum es bei den Geheimtreffen ging, gar nicht geklärt werden. Mangels Protokollen und weil sich die Teilnehmer nicht erinnern wollten. Oder wenn doch, dann unterschiedlich.

In Bezug auf das besonders mysteriöse Treffen vom 16. Juni 2017 ist nicht einmal klar, ob es vier oder fünf Teilnehmer gab. An den Inhalt kann sich angeblich immer noch keiner erinnern. Neben Infantino und Lauber nahmen mit Sicherheit dessen Sprecher André Marty sowie der Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold teil.

Der frühere Bundesanwalt Michael Lauber.
Der frühere Bundesanwalt Michael Lauber.Bild: Peter Klaunzer/KEYstone

Dieses Treffen bleibe auch nach umfassenden zusätzlichen Ermittlungen «suspekt und undurchsichtig», so Weder und Maurer. Es blieben «gewisse Zweifel, dass an diesem Treffen keinerlei Absprachen» zum Komplex Weltfussball getroffen wurden. Allerdings habe sich auch kein «anklagegenügendes Beweisfundament» dafür verdichten lassen, dass das Geheimtreffen Auswirkungen auf «Verfahrensschritte oder die Unterlassung solcher» hatte.

«Geheime, verdeckte, verbogene Zusammenkunft»

Alle drei Treffen zwischen Lauber und Infantino und deren Gefolge hätten «klandestinen und konspirativen Charakter», so die Sonderermittler. Insbesondere auch jenes, das kurz nach der Wahl von Infantino an die Fifa-Spitze stattfand und an dem Lauber, Infantino, Marty und Arnold teilnahmen: «Gerade das Treffen vom 22. März 2016 trägt in besonderem Masse die Aura einer geheimen, verdeckten und verborgenen Zusammenkunft.»

Denn sowohl «die Vertreter der Bundesanwaltschaft wie auch Gianni Infantino als Vertreter der Fifa» hätten die in ihren Organisationen mit dem Verfahrenskomplex Weltfussball operativ beschäftigten Funktionäre weitestgehend nicht über das Treffen orientiert.

Mysteriös bleibt ein weiteres Treffen, das am 8. Juli 2015 im Büro des Bundesanwalts stattfand. Infantino war nicht da, aber sein Schulfreund Arnold. Was wollte der bei Marty und Lauber? Arnold gab an, er habe sich für eine Stelle interessiert und bei der Bundesanwaltschaft eine «Blindbewerbung eingereicht», darauf «habe er sich vorstellen können». Nur fand sich bei der Bundesanwaltschaft kein solches Dossier. Es bleibt unklar, worum es wirklich ging. Was alle drei Teilnehmer, sonst immer im Ungefähren bleibend, dagegen angeblich noch genau wissen: Weder die Fifa-Verfahren, noch Infantino oder überhaupt Fussball waren ein Thema.

Locker vom Hocker: Treffen mit Coca-Cola in den USA

Die Bundesanwälte förderten eine weitere schräge Episode zutage. In den USA traf sich 2016 eine Spitzendelegation der Bundesanwaltschaft mit Vertretern des Fifa-Sponsors Coca-Cola. Olivier Thormann, damals zuständig für die Fifa-Ermittlungen, hatte den Besuch ohne Rücksprache mit seinem Chef Lauber zugesagt. Es gab weder Traktandenliste im Vorfeld noch «Aktennotiz oder dergleichen» in Nachgang, obwohl dies Pflicht gewesen wäre. Sowohl bei Lauber wie Thormann fehlten «bezeichnenderweise jegliche substanziellen Erinnerungen (auch) an die USA-Reise», so das bittere Fazit der Bundesanwälte.

Sie erkennen auch beim Cola-Meeting «jene Nonchalance», mit der die Bundesanwaltschaft damals ausserbehördliche Kontakte gepflegt habe, ohne «Überlegungen hinsichtlich der strafprozessualen Problematik» anzustellen und ohne diese Kontakte «auch nur schon rudimentär aktenkundig» zu machen.

Trotz teils haarsträubender Verhaltensweisen stellten einige der Beschuldigten zum Schluss noch finanzielle Forderungen. So wollte der Walliser Staatsanwalt Arnold aus der Bundeskasse 9000 Franken für die 15 Ferientage, die er für die Einvernahmen aufgewendet habe. Zudem stellte er 14 SBB-Tageskarten für 1050 Franken in Rechnung sowie 750 Franken für Verpflegung. Weiter wollte er eine Genugtuung von 10'000 Franken, weil er unter Medienartikeln gelitten habe.

Die 9000 Franken erhält er nicht. Er habe ja keinen Lohnausfall erlitten, da er, für die meist freiwillige Teilnahme an den Einvernahmen, Ferien bezogen habe, so die Ermittler. Auch eine Genugtuung gibt es für ihn nicht. Auch ex-Bundesanwalt Lauber wollte eine Genugtuung von 10'000 Franken, Thormann eine solche von 1000 Franken. Beide gehen leer aus. Die beiden ehemaligen Vertreter der Bundesanwaltschaft sollen im Gegenteil einen Teil der Verfahrenskosten tragen: Für Michael Lauber sind es 3246 Franken, für Olivier Thormann 1623. Weil sie rechtswidrig die Protokollierungsvorschriften verletzt hätten.

Olivier Thormann, von 2011 bis 2018 Leitender Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft.
Olivier Thormann, von 2011 bis 2018 Leitender Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft.Bild: Karl Mathis/KEYstone

Infantino erwartete Würdigung durch Sonderermittler

Die übrigen Beschuldigten hatten ausdrücklich auf eine Genugtuung verzichtet. Letztlich auch Infantino, obwohl er im ersten Anlauf noch eine wollte, die er dann gemeinnützig zu spenden gedachte. Er verzichtete dann aber, wobei er im Gegenzug seiner Erwartung Ausdruck gab, dass dieser Verzicht von den Ermittlern gewürdigt werde.

In der Verfügung solle stehen, so die via Anwalt David Zollinger vorgebrachte Erwartung, dass Infantino «aufgrund der massiven negativen Medienkampagne» eigentlich «zu einer substanziellen Genugtuungszahlung» berechtigt wäre. Diesen Wunsch erfüllten Weder und Maurer nicht. Oder jedenfalls nur insofern, als sie den Vorgang transparent machten und in die Verfügung schrieben.

Die zwei Ermittler legten viele Vorgänge offen, aber sie wurden auch dem Ruf gerecht, der vorab Weder vorauseilt: Er stelle lieber das Verfahren ein, statt Anklage zu erheben. Die eidgenössische Polit- und Justizlandschaft wird mehrheitlich dankbar sein, denn die will vor allem eines: einen Schlussstrich unter die Ära Lauber, Deckel drauf. Zumal unter Laubers Nachfolger Stefan Blättler bislang Ordnung und Ruhe herrscht.

Aber im Justiz-Topf brodelt es weiter. Die Untersuchung zeichnet ein erschütterndes Bild von einem Teil der Justiz. Nicht gut weg kommt auch Personal, das heute noch aktiv ist: So Rinaldo Arnold, Oberstaatsanwalt im Wallis. Vor allem aber Olivier Thormann, mittlerweile Präsident der Berufungskammer in Bellinzona, einer der wichtigsten Richter im Land.

Frage noch an die Fifa: Wen meinte Infantino eigentlich mit den «armen, neidischen und korrupten Leuten»? Namen der so Beschimpften will ein Fifa-Sprecher keine nennen, lieber weicht er aus: «Die Erklärung gilt für jene, die sich angesprochen fühlen.» (aargauerzeitung.ch)

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
29.10.2023 09:08registriert August 2018
Die Sonderermittler stellen das Strafverfahren zu den Geheimtreffen zwischen Fifa und Bundesanwaltschaft ein.

Da sind sie ja Weltmeister im Einstellen.

So läuft das seit 20 Jahren. Noch nie wurden Leute hinter Gitter gebracht, die über ausreichend Kohle verfügen. Es hat System, dass die Bundesanwaltschaft nicht die nötigen Ressourcen beklmmt, um gegen MÄCHTIGE* zu ermitteln.

P.S. Es wird meistens dann eingestellt, wenn Gras über die Sache gewachsen ist. Die Bundesanwaltschaft verurteilt keine Mächtigen.

*Mächtige: Kohle oder Einfluss
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Neruda
29.10.2023 09:01registriert September 2016
Wenn man seinen obersten Ermittler solche Dinge durchziehen lässt, muss man sich nicht wundern, verlieren die Bürger den Glauben an eine faire Justiz und greifen dann im schlimmsten Fall zu Selbstjustiz. Man provoziert es regelrecht.
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Shelley
29.10.2023 09:44registriert März 2018
Infantino macht nun tatsächlich auf unschuldig und führt nun eine grosse Kl..pe.
Dabei sehen sowohl FIFA als auch Bundesanwaltschaft äusserst schlecht aus. Es bleibt ein starkes „Geschmäckle“. Bei der FIFA, beinahe ein Synonym für die Amigokultur, nicht überraschend, für eine Bundesanwaltschaft aber unhaltbar. Hier muss die Politik tätig werden.
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