Schweiz
Gesellschaft & Politik

Gewerbeverband: Direktor mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert

Der Chef
Henrique Schneider soll zwei Professuren vorgetäuscht und somit seinen Lebenslauf geschönt haben.Bild: sda

Designierter Gewerbeverband-Chef mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert

19.03.2023, 12:4519.03.2023, 12:46
Mehr «Schweiz»

Der designierte Gewerbeverband-Direktor Henrique Schneider ist mit schweren Plagiatsvorwürfen konfrontiert worden. Zudem soll er zwei Professuren vorgetäuscht und somit unter anderem seinen Lebenslauf geschönt haben. Schneider weist die Vorwürfe zurück.

Wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen, sollen in den Autorenangaben zu Schneiders Publikationen akademische Titel oder Verweise auf Studien stehen, die nicht zutreffend seien. Die Zeitung basierte sich unter anderem auf ein in Auftrag gegebenes Gutachten des österreichischen Plagiatforschers Stefan Weber.

Dieser schreibt auf seiner Website, Schneider stehe im Verdacht, seit mindestens zehn Jahren in seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen systematisch plagiiert zu haben und zwei Professuren vorgetäuscht zu haben.

Henrique Schneider und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) waren für ein Stellungnahme vorerst nicht erreichbar. Gegenüber der «NZZ am Sonntag» teilte Schneider mit, er führe keine akademischen Titel und interveniere, wenn immer er merke, dass solche Titel und Funktionsbeschreibungen mit ihm in Verbindung gebracht würden.

Bezüglich der Plagiatsvorwürfe sagte er, dass er ausschliessen möchte, dass es in diesen Publikationen zu Plagiaten kommt oder gekommen sei. Die Texte hätten Peer Reviews überstanden und einen Redaktionsprozess, der die Originalität des Textes überprüfe.

65 Textplagiate und zwei Titelmissbräuche

Plagiatsforscher Weber dokumentierte insgesamt 65 Textplagiate inzehn wissenschaftlichen und journalistischen Veröffentlichungen von Schneider. Er habe zum Teil absatzlange Plagiatsfragmente gefunden, schreibt Weber in dem Gutachten. Quellen der Plagiate seien unter anderem Wikipedia, die Stanford Encyclopedia of Philosophy und eine in Luzern eingereichte Diplomarbeit.

In den Autorenangaben diverser Veröffentlichungen Schneiders stellte der Gutachter zudem zweifachen Titelmissbrauch fest. Entgegen seinerAngaben aus den Jahren 2011 und 2015 sei Schneider nie Professor an der Universität Wien und nie Professor an der Universität Graz gewesen.

Für den Gutachter ist «befremdlich bis unbegreiflich», dass die falschen Titel trotz Peer Review in Fachzeitschriften niemandem aufgefallen sind. Ebenso unbegreiflich sei, dass die Plagiate selbst renommierte Verlagshäuser nicht entdeckt hätten.

Henrique Schneider soll am 1. Juli die Nachfolge von Hans-Ulrich Bigler an der Spitze des SGV antreten. Der 45-Jährige ist seit 2010 für den SGV tätig, seit 2015 leitet er als stellvertretender Direktor die Ressorts Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
12 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gurgelhals
19.03.2023 13:24registriert Mai 2015
Naja, damit passt der doch ganz gut zu diesem Schmuddelverein. Auf eine zweifelhafte Figur (Bigler) folgt gleich die nächste.

Wobei: Ich meine damit natürlich nicht, dass die Economiesuisse und der Arbeitgeberverband irgendwie besser und vertrauenswürdiger wären. Aber unter diesen drei grossen Wirtschaftslobbies ist der Gewerbeverband halt schon irgendwie die Grüselbeiz...
687
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hierundjetzt
19.03.2023 13:07registriert Mai 2015
Nach 2 Professuren (war dem langweilig?), reichts nur für Chef in einem SVP-nahen Verein.

Da muss aber jemand sehr vielmal im Leben falsch abgebogen sein
478
Melden
Zum Kommentar
12
Er kennt die halbe Fussball-Nati: Basler Hells-Angels-Chef steht vor Monster-Prozess
Für eine ganze Reihe von Straftaten muss sich ab heute Montag vor dem Basler Strafgericht ein mutmasslich hohes Mitglied der Hells Angels verantworten. Der Mann machte bereits Schlagzeilen, weil er Kontakte zu zahlreichen Schweizer Fussballerin unterhielt.

Unter anderem werden ihm bandenmässiger Betrug und Geldwäscherei in Millionenhöhe, Vergewaltigung, sexuelle Handlungen mit Kindern sowie Bestechung von Gefängnis-Aufsehern vorgeworfen.

Zur Story