Pfister, Bregy, Würth, Chassot, Candinas: Seit die Mitte-Bundesrätin Viola Amherd ihren Rücktritt per Ende März bekannt gegeben hat, jagt eine prominente Absage die nächste. Bisher hat noch niemand seine definitive Kandidatur verkündet. Mittlerweile überlegen es sich aber einige ernsthaft. Dazu gehört auch der Zürcher Philipp Kutter. Er ist Stadtpräsident von Wädenswil und seit 2018 im Nationalrat. Zwar würde mit ihm die Frauenquote in der Schweizer Exekutive sinken – dafür könnte er jedoch Geschichte schreiben.
Kutter ist nämlich seit Februar 2023 ein Tetraplegiker, also vom Hals abwärts gelähmt. Bei einem Skiunfall brach er sich zwei Halswirbel, was den damals 47-Jährigen plötzlich zu einem Rollstuhlfahrer machte. Er kämpfte sich sehr schnell wieder zurück: Nach einem Aufenthalt im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil kehrte er bereits im April 2024 wieder voll zurück ins Büro des Stadtpräsidenten von Wädenswil und nahm auch vollwertig an der darauffolgenden Sommersession des Nationalrates teil. Folgt jetzt, im Jahr darauf, gleich der Einzug ins Bundesratsbüro?
«Ich würde mich nur für eine Kandidatur entscheiden, wenn meine Familie das mitträgt», sagt Kutter. Seine Töchter sind 10 und 12 Jahre alt: «Sie brauchen ihren Papi noch.» Zudem muss er die praktischen und physischen Aspekte des Amtes abwägen. «Das Amt wäre für alle Menschen streng. Für mich im Rollstuhl würde es noch strenger.» Diese Abklärungen laufen derzeit auch mit seinen Ärzten.
Die Absagen der verschiedenen Topfavoriten hätten dagegen keinerlei Einfluss auf seine Entscheidungsfindung gehabt. «Es will nicht unbedingt Bundesrat werden, wer den bekanntesten Namen hat», sagt er. Grundsätzlich zähle die politische Erfahrung in der Legislativ- und Exekutivarbeit, eine gute Vernetzung sowie die Fähigkeit zur kollegialen Zusammenarbeit. «Das sind alles Eigenschaften, die ich gut erfülle und die mich für dieses Amt qualifizieren.» Was ihm noch fehle, seien gute Italienischkenntnisse.
Eines steht für ihn fest: «Ich will kein Quoten-Bundesrat sein.» Er wolle daran bemessen werden, ob er das nötige Wissen und genügend Erfahrung für diese Rolle mitbringt, so wie bei allen anderen auch. Aber gleichzeitig ist ihm bewusst: «Es wäre natürlich ein schönes Zeichen für alle Menschen mit Behinderung.»
Aus baulicher Sicht stünde diesem Zeichen nicht mehr viel im Weg: Die drei Bestandteile des Bundeshauses – Bundeshaus West, Parlamentsgebäude und Bundeshaus Ost – erfüllen gemäss dem Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) die gesetzlichen Vorgaben.
Im Bundeshaus West herrsche sogar eine vollständige Barrierefreiheit. Das Chefbüro des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, das mit dem Rücktritt von Viola Amherd frei wird, befindet sich allerdings im Bundeshaus Ost. Verbleibende Hindernisse – etwa die historischen denkmalgeschützten Türschwellen – würde man individuell lösen, teilt das BBL mit.
Eine Frage, auf die man beim Bund nicht eingehen will: Könnte eine Assistenz einen Bundesrat durchgehend begleiten, also auch in Regierungssitzungen, die der höchsten Geheimhaltungsstufe unterstehen? Im Nationalrat ist das so gelöst, dass die persönlichen Mitarbeitenden ins Amtsgeheimnis aufgenommen werden.
Der SP-Nationalrat Islam Alijaj, der mit einer Zerebralparese lebt, hat beispielsweise zwei Assistentinnen, die auch vertrauliche Kommissionspapiere einsehen dürfen, um sie für ihn vorzulesen. Dazu mussten sie einen speziellen Vertrag unterschreiben. Am Montag erwähnte Alijaj in einer offenen Gesprächsrunde am WEF eine mögliche Kandidatur Kutters und sagte: «Ich hoffe, dass meine Kolleginnen und Kollegen fähig sein werden, zu beweisen, dass wir in der Schweiz ein Vorbild sein können.»
Auf Anfrage schreibt Alijaj, dass er Kutters Chancen als intakt einschätzt: «Aber nicht nur, weil das ein gutes Zeichen für die Inklusion in der Schweiz wäre, sondern weil ich Philipp Kutter als erfahrenen Politiker mit beeindruckender Resilienz und Willensstärke kennengelernt habe. Er kann das.» Zusammen mit dem Gegenvorschlag, den der Bundesrat zur zustande gekommenen Inklusionsinitiative ausgearbeitet hat, sähe er in einem gelähmten Bundesrat ein starkes Signal, dass Behindertenpolitik in der Schweiz priorisiert und aktiver gestaltet werden soll.
Das Ziel wäre laut Alijaj, dass Inklusionsbedürfnisse nicht mehr als Interesse einer Minderheit angesehen werden. Am WEF-Gespräch erhielt er das Schlusswort, in welchem er betonte: «Es kann sein, dass man sich innert Sekunden plötzlich zu den Menschen mit Behinderung zählen muss. Deshalb betrifft uns alle dieses Thema, haben wir alle ein Interesse an Inklusion.» (aargauerzeitung.ch)
Dieser ist nämlich gelinde gesagt höchst bescheiden. Er erlangte ja v.a. Bekanntheit als er 2020 mit einem dilettantischen Einzelantrag die Kinderabzug-Vorlage von 10 auf 370 Mio aufblähte und diesen Bock dann sinngemäss mit "Upsi, war ja nur gut gemeint" rechtfertigte (die Vorlage scheiterte dann krachend im Referendum). Wollen wir solche Leute wirklich im Bundesrat?