Es klingt nach einem Schildbürgerstreich. Da wird ein funktionierendes Modell versenkt, mit dem Kosten im Gesundheitswesen gespart werden konnten - in einer Zeit, in der die Bevölkerung unter der steigenden Prämienlast ächzt. Ein Vorstoss, der es wieder aufleben lassen will, scheitert ganz knapp. Und als sei das nicht schon genug, spielt ausgerechnet die Mitte-Partei eine besondere Rolle. Jene Partei also, deren Kostenbremse-Initiative im Juni an die Urne kommt.
Doch von Anfang an. Mit einem 2002 eingeführten System gelang es dem Kanton Freiburg, die Medikamentenkosten in Alters- und Pflegeheimen zu senken. Vereinfacht gesagt, führten die Heime eine grosse Apotheke für alle Bewohnerinnen und Bewohner. Sie kauften also beispielsweise eine Grosspackung eines Schmerzmittels, statt jedem Patienten eine eigene kleine Schachtel auszuhändigen.
Die Ausgaben wurden pauschal vergütet mit 5.50 Franken pro Person und Tag. Das war ein Anreiz für die Heime, die Medikamentenkosten tief zu halten. Gleichzeitig wurde die medikamentöse Behandlung der Bewohnerinnen und Bewohner regelmässig analysiert, wobei insbesondere auch Apotheker systematisch einbezogen waren.
Dieses Modell brachte Erfolge: Der Kanton Freiburg konnte die Medikamentenkosten in Pflegeheimen so tief halten wie kein anderer Kanton. 2016 betrugen sie pro Tag und Heimbewohner 4.80 Franken; schweizweit waren es 8.55 Franken. Laut den Freiburger Behörden konnten pro Jahr Kosten von geschätzten 3,4 Millionen Franken gespart werden.
Ein Tröpfchen auf den heissen Stein angesichts der gesamten Gesundheitskosten, gewiss - aber immerhin. Gleichzeitig habe das Modell eine bessere Qualität der Pflege zur Folge gehabt, heisst es bei der Freiburger Direktion für Gesundheit und Soziales. In anderen Worten: Es war gut für Patienten und Portemonnaie.
Andere Kantone hätten es kopieren können. Doch es kam anders: 2018 wurde das Modell eingestampft. Eine Änderung beim Risikoausgleich, der die Jagd nach gesunden Versicherten unterbinden soll, brachte das Modell zu Fall. Seither müssen die Mengen der abgegebenen Medikamente für jede versicherte Person gemeldet werden. Innerhalb des Freiburger Modells fand sich keine Umsetzung, die sowohl Versicherer als auch Leistungserbringer akzeptierten.
Der Kanton Freiburg gab nicht auf. Er reichte in Bundesbern eine Standesinitiative ein, in der er eine Änderung der Gesetzesbestimmungen forderte, damit das Freiburger Modell wieder möglich ist. Kurze Zeit sah es gut aus: Der Nationalrat stimmte dem Vorstoss zu, doch der Ständerat versenkten ihn in der Frühlingssession hauchdünn - mit 21 zu 20 Stimmen.
«Das ist eine verpasste Chance», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Das Modell habe 15 Jahre lang gut funktioniert, betont sie, und hätte auf die ganze Schweiz ausgerollt werden können. Hart ins Gericht geht Gysi mit der Mitte-Partei. «Der Fall ist exemplarisch: Immer wieder scheitern konkrete Massnahmen zur Kostendämpfung nicht zuletzt an der Mitte-Partei, die mit ihrer populistischen Initiative vorgibt, sich für Kostensenkungen einzusetzen.»
Im Nationalrat hatte die Mitte der Standesinitiative geschlossen zugestimmt, zusammen mit SP und Grünen. Im Ständerat jedoch lehnte die Hälfte der Mitte-Ständeräte sie ab - was entscheidend war: Zusammen mit der FDP und der SVP brachten sie den Vorstoss zu Fall.
Keine zwei Wochen später reichte die Mitte ein Postulat ein zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen – indem sie unter anderem auch das Freiburger Modell wieder aufbrachte. «Das ist absurd», sagt Gysi.
Erich Ettlin gehört zu jenen Mitte-Ständeräten, die sich gegen die Standesinitiative aussprach. Er weist die Vorwürfe vonseiten der SP als haltlos zurück. «Niemand zweifelt am Nutzen des Freiburger Modells, das ist der richtige Weg», betont der Obwaldner.
Das Bundesamt für Gesundheit habe aber aufgezeigt, dass es für die Umsetzung des Freiburger Modells gar keine Gesetzesänderung brauche. Ein Ja zur Standesinitiative wäre daher nur Symbolpolitik gewesen. Ettlin meint:
Stellt sich die Frage, weshalb das Freiburger Modell nicht weitergeführt wurde - wenn das doch laut Bundesamt für Gesundheit möglich wäre. Die Tarifpartner schieben sich dafür gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Die Krux dabei: Die Vorgaben des Risikoausgleichs müssen eingehalten werden, und die Krankenkassen wollen keinen zusätzlichen administrativen Aufwand.
Ettlin verweist zudem darauf, dass das Thema schon anderswo aufgegleist sei: Erstens mit einer parlamentarischen Initiative von Mitte-Nationalrätin Marie Roth Pasquier, zweitens im zweiten Kostendämpfungspaket, das derzeit im Parlament beraten wird. Bei beiden Geschäften geht es darum, dass Apotheker - wie beim Freiburger Modell - Beratungen zugunsten der obligatorischen Krankenversicherung abrechnen können, auch wenn sie keine Medikamente verkaufen.
Und warum braucht es das Postulat? «Es geht darum, den Druck aufrecht zuhalten, damit das Thema auf der Tagesagenda bleibt», sagt Ettlin. Gut möglich also, dass das Modell irgendwann wieder aus der Mottenkiste geholt werden kann.
Mal will der Mindestlöhne auf kantonaler Ebene aushebeln
Hier versenkt man ein gutes Modell aus populistischen Gründen
Korruption
Korruption ist das Problem im Land: von der kleinsten Gemeinde bis zu den nationalen Räten, von der grössten Bank bis zur Aufnahme ins kleine lokale Gymnasium. Im Neoliberalismus der sich die letzten 30 Jahre eingeschlichen hat, ist alles käuflich und diese Mentalität wandelt sich nun immer mehr in offene Korruption. Die Verantwortlichen vertuschen es ja inzwischen nicht mal mehr, so normal ist es geworden.