Viel Lärm um fast nichts: Auf diesen Nenner lässt sich das Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vom Freitag in Brüssel bringen. Der Lärm bezieht sich auf die Schweiz, wo das Rahmenabkommen für hitzige Diskussionen sorgt. Für die Europäische Union ist es ein Nebenschauplatz: Sie hat andere Sorgen.
Dennoch nahm sich von der Leyen Zeit für den schwierigen Nachbarn, der nicht beitreten und doch irgendwie mitmachen will. Das Gespräch dauerte laut Kommissionssprecher Eric Mamer rund 90 Minuten, was am unteren Ende der Erwartungen lag. Entsprechend mager war das Ergebnis: Man war sich einmal mehr einig, dass man sich nicht einig ist.
Zum totalen Bruch aber kam es wie erwartet nicht. «Unsere Türe bleibt offen», betonte Mamer an seiner täglichen Mittags-Pressekonferenz. Auch Guy Parmelin sagte bei seinem Auftritt im Innenhof der Schweizer Botschaft an der Place du Luxembourg, man wolle «in Kontakt bleiben». Weder die eine noch die andere Seite will den Stecker ziehen.
Bei der EU erstaunt dies nicht. Sie hat betont, dass sie die Verhandlungen nicht von sich aus abbrechen wird, auch wenn der Bundesrat das gerne hätte. Denn Brüssel steht bei diesem Dossier nicht unter Zugzwang. Doch auch in Bern will man unter die verkachelte Angelegenheit keinen Schlussstrich ziehen. Zu viel steht auf dem Spiel.
Dabei haben die Auftritte von Eric Mamer und Guy Parmelin einmal mehr gezeigt, wie gross die Differenzen bei Lohnschutz, staatlichen Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie sind. Die Schweiz wolle diese drei Punkte aus dem Abkommen herauslösen, sagte Mamer. Das sei für die EU «nicht akzeptabel». Parmelin dagegen gab sich kompromissbereit.
Ohne «zufriedenstellende Lösung» bei diesen Punkten könne die Schweiz jedoch das Rahmenabkommen nicht unterzeichnen, so der Bundespräsident. Deshalb sind wieder die beiden Unterhändlerinnen Livia Leu und Stéphanie Riso am Zug, obwohl sie in ihren Gesprächen seit Januar anscheinend vor allem aneinander vorbei geredet haben.
«Die Positionen liegen weit auseinander», räumte Parmelin in der anschliessenden Fragerunde ein. Man fragt sich tatsächlich, wie ein Durchbruch aussehen soll. Wunder gibt es immer wieder, aber bei nüchterner Betrachtung ist die Lage hoffnungslos. Die Karre steckt tief im Dreck, die Fronten sind auch innerhalb der Schweiz total verhärtet.
Dem Bundesrat aber fehlt der Mut, um reinen Tisch zu machen. Zu wichtig ist das Verhältnis zum grössten Handelspartner, der uns sprachlich, kulturell und politisch so nahe steht wie keine andere Weltgegend. Solche «weichen» Faktoren spielen auch bei den wirtschaftlichen Beziehungen eine Rolle, was beinharte EU-Gegner gerne ausblenden.
Also versucht der Bundesrat weiterhin, sich irgendwie durchzuwursteln. Angeblich prüft er «seit langem» Alternativen für den Fall, dass eine Einigung mit der EU über das institutionelle Abkommen nicht zustande kommt, wie Parmelin der Zeitung «Le Matin Dimanche» sagte.
Falls dies zutrifft, muss der Bundesrat sein Versteckspiel beenden und eine Auslegeordnung sämtlicher Alternativen präsentieren, vom «Alleingang» bis zum Vollbeitritt. Dann wüsste man schwarz auf weiss, was Sache ist. Eigentlich hätte dies schon längst geschehen müssen.
Doch auch davor hat der Bundesrat vermutlich Angst. Er müsste dann zugeben, dass der ungeliebte und als «chancenlos» abqualifizierte Rahmenvertrag trotz allem die am wenigsten schlechte Lösung ist, um den bilateralen Weg längerfristig abzusichern.
Aber niemand will sie wirklich rausziehen.
Ein schwieriger Dialog ist für beide Seiten besser als kein Dialog.