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Kantonsgericht Nidwalden verurteilt Menschenschmuggler

Kantonsgericht verurteilt Menschenschmuggler: Auf Klopfen und Schreie nicht reagiert

06.07.2023, 22:0706.07.2023, 22:07
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Ein Menschenschmuggler ist vom Kantonsgericht Nidwalden zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe und einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Der 27-jährige Gambier hatte in einem Lieferwagen für eine Schlepperorganisation 23 Personen von Italien in die Schweiz gebracht.

Das Gericht sprach den Beschuldigten am Donnerstag der Freiheitsberaubung und Widerhandlung gegen das Ausländergesetz schuldig. Es verhängte eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten und setzte die Hälfte, bei einer Probezeit von zwei Jahren, zur Bewährung aus. Zehn der 18 Monate, die unbedingt ausgesprochen wurden, hat der Beschuldigte bereits abgesessen.

Dazu kam eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 10 Franken. Der in Italien wohnhafte Gambier wird zudem für zehn Jahre des Landes verwiesen.

Das Urteil kam im abgekürzten Verfahren zustande und ist damit rechtskräftig. Er akzeptiere die Vorwürfe und die von der Staatsanwältin beantragte Strafe, erklärte der Beschuldigte vor dem Kantonsgericht.

Nadel im Heuhaufen

Der Schmuggler hatte am 5. September 2022 einen Lieferwagen von Italien in die Schweiz gefahren. Er überquerte um 4.20 Uhr bei Stabio TI die Grenze. Zweieinhalb Stunden später geriet er in Hergiswil NW in eine Kontrolle. Die Polizei habe im Kampf gegen Schlepper die Nadel im Heuhaufen gefunden, erklärte die Staatsanwältin vor dem Gericht.

Die Polizei befreite aus dem 5.4 Quadratmeter grossen Laderaum, der weder Fenster noch Lüftung hatte, 23 Männer aus Afghanistan, Syrien, Indien und Bangladesh ohne gültige Ausweise. Sie hätten bis Basel gebracht werden sollen und dort einem anderen Schlepper für die Weiterreise nach Deutschland oder Frankreich übergeben werden sollen.

Die Männer waren zwischen 20 und 50 Jahre alt. Sie seien in Hergiswil sichtlich geschwächt gewesen, sagte die Staatsanwältin. Die Migranten hätten wegen des Sauerstoffmangels nach eigenen Angaben versucht, die Türe zu öffnen und die Gummidichtung zu entfernen.

Auf Klopfen nicht reagiert

Die Eingepferchten versuchten auch mit Klopfen und Schreien den Fahrer zum anhalten zu bewegen, dieser reagierte aber nicht. Die vorsitzende Richterin fragte den Beschuldigten, ob er sich bewusst sei, dass dies in einer Katastrophe hätte enden können.

Er sei sich nicht bewusst gewesen, dass die Menschen hätten sterben können, erklärte der Mann. Er habe auch nicht gewusst, wie viele Personen er transportiere. Dass er nicht auf das Klopfen und die Schreie reagiert habe, erklärte er damit, dass er mit Kopfhörer Musik gehört habe und von den Auftraggebern angewiesen worden sei, nicht anzuhalten.

Es war gemäss Staatsanwaltschaft nicht die erste Schmuggelfahrt des Gambiers gewesen. Er hatte bereits im August acht Fahrten von Italien nach Basel unternommen, allerdings mit einem Personenwagen, in dem er drei bis vier illegale Immigranten transportierte. Am 3. September schmuggelte er zum ersten Mal 23 Personen in einem Lieferwagen von Italien in die Schweiz.

Nur Befehlsempfänger

Nach Angaben der Verteidigerin erhielt der Beschuldigten für die Fahrten 100 bis 200 Euro. Er sei dringend auf das Geld angewiesen gewesen, weil eines seiner beiden Kinder chronisch krank sei. Er sei nur Befehlsempfänger gewesen und habe Angst gehabt, das Geld nicht zu erhalten.

Auch die Staatsanwältin gestand dem Beschuldigten zu, dass er nur ein kleines Rädchen in der Organisation gewesen sei und für wenig Geld ein grosses Risiko eingegangen sei. Trotzdem sei sein Verschulden kein leichtes.

Nach Angaben der Verteidigerin trifft der Vorwurf der Freiheitsberaubung ihren Mandanten hart. Nach seiner Ansicht sind die Migranten selbst in den Lieferwagen gestiegen.

Gegen Schlepper einsetzen

Er wolle nach dem Verbüssen der Strafe wieder arbeiten und bei seiner Familie sein, erklärte der Beschuldigte. Auch wolle er den Behörden im Kampf gegen die Schlepperorganisation helfen. Um die Schweiz und die Schlepper werde er einen grossen Bogen machen.

Das Kantonsgericht akzeptierte nach einer kurzen Beratung den von der Staatsanwältin gestellten Strafantrag und erhob diesen zum Urteil. Sie erwarte aber von ihm, dass er seine Versprechen einhalte, sagte die vorsitzende Richterin dem Beschuldigten. (sda)

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