International
USA

USA: Mindestens 40 Tote in Lastwagen in Texas gefunden

46 geflüchtete Menschen sterben in Lastwagen in Texas – die Hintergründe in 6 Punkten

28.06.2022, 08:5428.06.2022, 08:56
Mehr «International»

In den USA wurden dutzende Menschen tot in einem Lastwagen gefunden. Der Fall gibt Einblick in den Menschenschmuggel zwischen Mexiko und den USA.

Was ist passiert?

Mindestens 46 Menschen wurden tot aufgefunden – in einem Anhänger eines abgestellten Lkws am Rande der texanischen Grossstadt San Antonio. Mutmasslich handelt es sich bei ihnen um Migranten, die illegal in die USA gebrachte worden sind.

Mindestens 16 weitere Menschen seien mit Anzeichen von Hitzeerschöpfung und Dehydrierung in ein Spital gebracht worden, teilten die Behörden der Stadt am Montagabend (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz mit. Unter den Hospitalisierten befänden sich auch vier Minderjährige.

Police block the scene where a semitrailer with multiple dead bodies were discovered, Monday, June 27, 2022, in San Antonio. (AP Photo/Eric Gay)
In San Antonio starben im Anhänger eines LKWs (hinten rechts) duzende Migranten. Polizeiautos und Sicherheitskräfte vor Ort, 27. Juni 2022.Bild: keystone

Wer sind die Opfer?

Der Bürgermeister von San Antonio, Ron Nirenberg, nannte den Vorfall in einem Tweet eine «furchtbare menschliche Tragödie» und weiter:

«Sie hatten Familien und waren wahrscheinlich auf der Suche nach einem besseren Leben.»

In erster Linie flüchten Menschen aus zentralamerikanischen Ländern wie Honduras, Guatemala, Mexiko und El Salvador in grosser Zahl in die USA, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen.

Mexikos Aussenminister, Marcelo Ebrard, sagte, dass sich mindestens zwei Guatemalteken unter den noch lebenden Opfern im Spital befänden.

Unter den Toten könnten sich auch Mexikaner befinden. Der mexikanische Generalkonsul Rubén Minutti wurde an den Ort des Geschehens entsandt, während das Konsulat in San Antonio erklärte, es werde «alle Unterstützung» leisten, falls mexikanische Staatsbürger unter den Toten seien, wie die «BBC» schreibt.

San Antonio Mayor Ron Nirenberg, center, with San Antonio Police Chief William McManus, left, brief media and others at the scene where they said dozens of people have been found dead and multiple oth ...
Der Bürgermeister von San Antonio, Ron Nirenberg, nannte den Vorfall in einem Tweet eine «furchtbare menschliche Tragödie».Bild: keystone

Welche Details sind bekannt?

Das Fahrzeug wurde neben Bahngleisen in einem abgelegenen Gebiet am südlichen Stadtrand gefunden. Der Anhänger habe ein gefälschtes EU-Kennzeichen gehabt, wie Ebrard erklärte.

Der Polizeichef William McManus sagte, dass ein städtischer Angestellter kurz vor 18 Uhr am Montag (Ortszeit) durch einen Hilferuf alarmiert worden seien. Und als die Beamten beim Sattelschlepper eingetroffen seien, hätten sie eine Leiche auf dem Boden vor dem Anhänger und ein teilweise geöffnetes Tor zum Anhänger vorgefunden. Danach hätten sie sofort den Rettungsdienst alarmiert.

Die genaue Todesursache ist noch nicht geklärt, die mexikanischen Behörden sprechen aber von «ersticken». Bekannt ist, dass Charles Hood, der Feuerwehrchef von San Antonio, gegenüber den Medien bestätigte, dass es in dem Fahrzeug kein Wasser gegeben habe, als man die Toten geborgen hat.

Weiter erklärte er, dass es sich bei dem Anhänger zwar um einen Kühlsattelschlepper gehandelt habe, aber keine Klimaanlage in dem Fahrzeug installiert war, weshalb sich das Innere auch so erbarmungslos aufgeheizt habe. Denn in San Antonio soll es Berichten zufolge in den vergangenen Tagen um die 40 Grad heiss gewesen sein.

Wer sind die Täter?

Drei Menschen wurden Medienberichten zufolge festgenommen. Die Ermittlungen gegen sie würden von Bundesbeamten geleitet, wie die «BBC» schreibt.

Es sei aber noch unklar, ob die Verhafteten tatsächlich mit diesem mutmasslichen Menschenschmuggel in Verbindung stünden, präzisierte der Polizeichef der Grossstadt, William McManus.

Der Bürgermeister Nirenberg sagte bei einer Pressekonferenz:

«Wir hoffen, dass die Verantwortlichen für die unmenschlichen Bedingungen, denen die Menschen ausgesetzt sind, mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt werden.»

Das sagen Politiker

Die Einwanderung ist ein umstrittenes politisches Thema in den Vereinigten Staaten. Alleine im Mai sind 239'000 Migranten ohne Papiere bei der Einreise aus Mexiko festgenommen worden – eine Rekordzahl. Viele Migranten versuchen auf extrem riskanten und unsicheren Routen in die Vereinigten Staaten einzureisen.

Der republikanische Gouverneur von Texas, Greg Abbott, machte US-Präsident Joe Biden für die Todesfälle verantwortlich und bezeichnete sie als «Ergebnis seiner tödlichen Politik der offenen Grenzen», wie die «BBC» schreibt.

Beto O'Rourke, der Kandidat der Demokraten, der gegen Abbott antritt, bezeichnete die Berichte als verheerend. Er fordert dringende Massnahmen, um «Menschenschmugglerringe zu zerschlagen und sie durch erweiterte Möglichkeiten der legalen Einwanderung zu ersetzen».

Der katholische Erzbischof von San Antonio, Gustavo Garcia-Siller, twitterte:

«Wieder einmal tötet und zerstört der fehlende Mut, sich mit der Einwanderungsreform auseinanderzusetzen, Leben.»
Onlookers are illuminated by police lights at the scene where officials say dozens of people have been found dead and multiple others were taken to hospitals with heat-related illnesses after a semitr ...
Schaulustige vor Ort, 27. Juni 2022.Bild: keystone

Was ist der Hintergrund dieser Tragödie

Auf der Flucht vor Armut und Gewalt in Mittelamerika zahlen viele Menschen ohne Papiere hohe Geldbeträge an Schlepper, damit sie über die US-Grenze gebracht werden. In den letzten Jahren wurden immer wieder Fälle gemeldet von Migranten, die auf ihrer Reise ums Leben kamen. Aber kein einziges Ereignis hat sie viele Menschen ausgelöscht, wie der Vorfall am Montag.

Derzeit versuchten besonders viele Menschen, von Mexiko aus in die USA zu gelangen, schrieb die «New York Times».

San Antonio, das 250 km von der US-mexikanischen Grenze entfernt liegt, ist eine wichtige Transitroute für Menschenschmuggler. Menschenhändler benutzen oft Lastwagen, um Migranten ohne Papiere zu transportieren.

Im Süden San Antonios gibt es zwei Autobahnen, die die Stadt mit texanischen Grenzstädten verbinden. Die überwiegend ländlichen Gemeinden dort machten es leicht, dass ein Lastwagen dieser Grösse unbemerkt bleibt, beschreit ein Reporter der «BBC» die Szene.

Edward Reyna, ein Wachmann auf einem Holzlagerplatz nur wenige Meter entfernt von dem Ort, an dem der Anhänger gefunden wurde, sagte der «BBC», dass er nicht überrascht gewesen sei, als er diese Nachricht hörte. Denn er habe erst gar nicht mehr gezählt, wie oft er Migranten gesehen habe, die aus dem Zug gesprungen sind, der direkt neben dem Fundort des Lastwagens vorbeifahre. «Ich dachte, früher oder später würde jemand verletzt werden», sagte Reyna der «BBC». Und er fügt an: «Die Kartelle, die sie herbringen, kümmern sich nicht um sie.»

Bereits in der Vergangenheit wurden ähnlich Katastrophen im Zusammenhang mit Menschenschmuggel an der Grenze zwischen den USA und Mexiko bekannt. Aber keine davon war so verheerenden, wie diejenige vom Montag.

Mehr folgt in Kürze.

(yam, dab mit Material der sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
9
«Unser Europa könnte sterben»: Macron fordert mehr Verteidigung
Seine letzte Grundsatzrede an der Sorbonne hatte viel Aufmerksamkeit in Europa erregt: Jetzt hat Macron daran angeknüpft und den Aufbau einer europäischen Verteidigungsindustrie gefordert.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Europa mit drastischen Worten zu einer verstärkten Verteidigung aufgerufen. «Es besteht die Gefahr, dass unser Europa sterben könnte», warnte der Staatschef am Donnerstag in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität. Europa stehe an einem Wendepunkt und müsse mehr tun, um mit rasch wieder aufrüstenden globalen Rivalen konkurrieren zu können.

Zur Story