Schweiz
Offen gesagt

Corona: GDK-Direktor Engelberger soll die Zertifikatspflicht ausweiten

Offen gesagt

«Lieber Herr Engelberger, worauf warten Sie eigentlich?»

Der Bundesrat verschiebt die Ausweitung der Zertifikatspflicht. Sehr zum Unmut der Kantone, die sie auch in Eigenregie einführen könnten.
02.09.2021, 11:4802.09.2021, 12:07
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Lieber Herr Engelberger

Meiner morgendlichen News-Lektüre entnehme ich einen gewissen Verdruss. Verdruss darüber, dass der Bundesrat die Ausweitung der Zertifikatspflicht noch nicht beschliessen und verordnen will.

Das wäre natürlich äusserst bequem gewesen. Sie hätten sofort die Entlastung der Spitäler in die Wege leiten und den absehbaren Furor der Massnahmengegner in Richtung Bundesrat und Bundesamt für Gesundheit (BAG) lenken können.

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Das wäre angenehm gewesen. Doch daraus wird nun vorerst nichts. Stattdessen eben: Verdruss.

Ärzteschaft und Kantone seien «beunruhigt bis verärgert», steht da, ebenfalls «beunruhigt» sei die Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Und Ihre Wirkungsstätte Basel-Stadt lässt sich trötzelnd-drohend damit zitieren, dass eine kantonale Ausweitung der Zertifikatspflicht «nicht ausgeschlossen» sei.

Gross ist die Enttäuschung wohl auch, weil die Kantone dem bundesrätlichen Vorschlag in der Eilvernehmlassung zugestimmt haben und noch zusätzliche Verschärfungen wie Zertifikatspflicht im ÖV verlangt haben.

Da fragt sich doch der geneigte Betrachter dieser Reaktionsberichte: Worauf warten Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsdirektionen mit ihren Exekutiven eigentlich?

Es ist aus der zweiten und dritten Welle nun bekannt, dass die politischen Akteure auf Bundesebene ihr Primärziel «Gesundheitssystem nicht überlasten» absolut ernst nehmen. Bis es haarscharf so weit ist, wird sicher nichts unternommen.

Das war und ist auch jetzt noch vertretbar so.

Bevor die Impfungen für alle verfügbar waren, galt es, Kosten und Grundrechtseinschränkungen vieler Leute gegenüber der Gefahr für wenige Leute abzuwägen. Nun, da der Bund die Kantone längst mit genügend Impfstoff ausgestattet hat, ist anders abzuwägen.

Was ist höher zu gewichten? Die Freiheit der Impfverweigerer, das Virus zu verbreiten und die Spitäler an den Rand des Kollapses zu husten? Oder das Recht der Geimpften auf ein gesellschaftliches Leben und ein funktionierendes Gesundheitswesen?

Es braucht wirklich keinen Bundesrat, um diese Frage zu beantworten. Er wird nach der Logik der bisherigen Pandemiepolitik den Shutdown für die Ungeimpften auch erst verhängen, wenn Ihre Spitäler und ihr Personal wieder am Rand der Kapazitäten sind.

Worauf also warten Sie noch? Seien sie nicht «verärgert und beunruhigt» und drohen Sie nicht mit der Ausweitung der Zertifikatspflicht für Basel-Stadt.

Tun Sie es einfach.

Sie sagen, dann weichen die Leute einfach in die anderen Kantone aus? Umso besser. Der Domino-Effekt ist Ihnen dann sicher. Nicht mal ihr SVP-Gesundheitsdirektor von nebenan will Ihre ungeimpften und ungetesteten Pandemietouristen in seiner Lieblingsbeiz haben.

Wetten?

Mit freundlichen Grüssen

Maurice Thiriet

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236 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Atavar
02.09.2021 11:58registriert März 2020
Kantone wollen haben, aber nicht verantwortlich sein.
So geht Politik im 21. Jhd - einfach bloss nichts selber machen. Dann ist man auch nicht "schuld".

Widerliche, rückgratlose Wichtigtuer, allesamt.
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Max Dick
02.09.2021 12:00registriert Januar 2017
Bund und Kantone, die sich den Ball für Entscheide grösserem Ausmasses gegenseitig hin und her spielen. Hatten wir das nicht schonmal vor einem Jahr?
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Paul Badman
02.09.2021 15:02registriert November 2015
Ich wiederhole mich: Das Zertifikat schafft Rechtssicherheit für Alle. Was bei 30'000 Zuschauer im Joggeli funktioniert, funktioniert auch in einer Gartenbeiz mit 30 Stühlen. Es führt zur Lockerheit der Gäste und zum Schutz des Personals. Wer das nicht will, soll seine schlechte Laune auf seinem Balkon verbreiten und ja nicht runtergeifern.
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