In seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen, die noch geltenden Corona-Massnahmen beizubehalten. Begründet werden diese nur noch damit, die Spitäler vor Überlastung zu schützen. Nicht mehr Teil der Überlegungen des Bundesrats ist der Schutz von Personen, die sich trotz Möglichkeit, sich impfen zu lassen, darauf verzichtet haben.
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Diesen Personen will der Bundesrat weiterhin die Wahl lassen, sich impfen zu lassen oder nicht. Ungeimpfte und Ungenesene, die ein Fussballspiel oder Ähnliches besuchen wollen, sollen ab dem 1. Oktober aber selbst für die Kosten eines Corona-Tests aufkommen müssen. Ausgenommen wären Personen, die nicht geimpft werden können. Definitiv darüber entscheiden will die Regierung in zwei Wochen nach einer Konsultation.
Der vom Bundesrat beschlossene Wechsel von der Stabilisierungs- und die Normalisierungsphase hat keine unmittelbaren Folgen für die Bevölkerung. Begründet wird er mit dem Impffortschritt. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass alle, die sich impfen lassen wollten, dazu in der Lage waren.
Ganz aufheben will der Bundesrat die wenigen verbliebenen Schutzmassnahmen wie die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr jedoch nicht. Er argumentiert mit der «ungewissen Entwicklung der epidemiologischen Lage». Noch ist unsicher, wie sich die Ferienrückkehrer und die Delta-Variante auf die Belegung der Spitalbetten auswirken wird. Eine Überlastung sei «nicht auszuschliessen», schreibt der Bundesrat.
Die Corona-Politik des Bundes geht in eine neue Phase: Fortan will der Bundesrat die Schraube bei den Massnahmen erst wieder anziehen, wenn eine Überlastung der Spitäler droht.
Für Gesundheitsminister Alain Berset gilt es, die individuellen Entscheide zum Umgang mit der Corona-Pandemie zu akzeptieren. Wer sich indes nicht impfe, der trage selber die Konsequenzen «und kann sich nicht mehr auf den Schutz durch staatliche Massnahmen verlassen», sagte er am Mittwoch vor den Medien in Bern.
Mit dem neuen Fokus in der Corona-Politik nehme der Bundesrat eine Erhöhung der Fälle in Kauf. Einziges Ziel sei es nun noch, eine allfällige Überlastung der Spitäler zu verhindern.
Das Virus werde also zirkulieren, vor allem bei jenen, die nicht immun seien. Derzeit präsentiere sich die Situation ziemlich gut, die Dynamik mit den wöchentlichen Verdoppelungen der Ansteckungszahlen sei jedoch «nicht sehr vorteilhaft».
Frühestens Anfang September will der Bundesrat erneut beraten, ob auch die noch verbleibenden Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus aufgehoben werden können. Für die abschliessende Beurteilung gibt es allerdings keinen fixen Richtwert.
Die Massnahmen könnten dann aufgehoben werden, «wenn die Bedrohung einer Überlastung des Gesundheitswesens ausgeschlossen ist», sagte Berset. Das sei momentan noch nicht der Fall.
Zwar nehme der Bundesrat in der ab sofort geltenden Normalisierungsphase einen Anstieg der Fallzahlen in Kauf, weil die vulnerablen Personen überwiegend geimpft seien, sagte Berset. Noch unklar sei aber, wie weit man gehen könne, ohne dass die Spitäler in sechs Wochen ein Problem hätten.
Das Gesundheitswesen gelte ab dem Zeitpunkt als überlastet, «wenn es nicht mehr möglich ist, dass alle einen sehr guten Zugang zu einer Behandlung bekommen». Eine solche Situation habe es während der Pandemie nie gegeben, in einigen Regionen sei man aber nah am Limit gewesen.
Sich krank stellen, um in den Genuss eines Gratis-Coronatests samt Zertifikat zu kommen: In der Vernehmlassung müsse sich noch genauer herauskristallisieren, wie man solchen Tricksereien einen Riegel schieben könne, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Medien in Bern.
Tricksen könne man grundsätzlich überall, ergänzte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Eventuell seien tatsächlich noch Einschränkungen nötig. Das müsse man noch genauer anschauen und die Vernehmlassung abwarten. Mathys dazu:
(jaw/sda)
Wer in den Genuss von der normalen Welt kommen möchte, soll sich gratis impfen oder die Kosten für den Test selber tragen.