Hunderte Feuerwehrleute mussten mitten in der Nacht die Notfallposten auf den Gemeinden beziehen, als in der Nacht auf den Freitag die Notrufnummern ausfielen. Polizisten fuhren häufiger Patrouille und die Mitarbeiter der Notrufzentralen griffen zu Stift und Papier.
Während mehreren Stunden hatte eine Panne der Swisscom die Alarmierung der Rettungskräfte über die üblichen Nummern wie 117, 118 und 144 verunmöglicht. Am Mittwoch meldete sich Swisscom-Chef Urs Schaeppi: «Der Ausfall hat mich stark erschüttert», sagte er der NZZ.
Es war nicht die erste Panne ihrer Art. Nach einer eigentlichen Serie in den letzten 18 Monaten hatte das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) schon letztes Jahr eine Untersuchung eingeleitet. Dabei stellte die Behörde fest, dass Fragen wie etwa «allfällige Sicherheitsvorkehrungen zur unterbruchsfreien Erreichbarkeit der Notrufzentrale» nicht im Fernmeldegesetz geregelt seien.
Anbieter haben zwar eine Pflicht, den Zugang zu Notrufdiensten zu gewährleisten. Darunter wird aber verstanden, dass diese durch alle Netze geleitet werden müssen. Wenn etwa eine Kundin der Swisscom in einem Gebiet einen Notruf absetzt, in dem Swisscom keinen Mobilfunkempfang bietet, aber die Netze von Sunrise oder Salt schon, muss der Anruf über diese weitergeleitet werden und umgekehrt. Dasselbe gilt für Festnetzanbieter.
Das Bakom schlägt in seinem Bericht deshalb vor, ein System zu schaffen, in dem ein «Systemführer» definiert wird. Ein solcher kümmert sich um technische und organisatorische Aspekte und kann üblicherweise Standards festlegen, die für alle gelten. Das sind nicht wenige: In der ganzen Schweiz gibt es 54 Notrufzentralen. Als Favoriten für diese Aufgabe sieht das Bakom die Swisscom – «auch aufgrund ihrer Eigentümerstruktur». Der Bund hält eine 51-Prozent-Mehrheit am Aktienkapital.
Damit soll ausgerechnet jene Anbieterin bestimmen, bei der es in letzter Zeit zu den meisten Ausfällen gekommen ist. In der Frühjahrssession wurde die Forderung nach der Systemführerschaft auch im Parlament bekräftigt, womit der Bund nun die gesetzlichen Grundlagen schaffen muss. «Eine Systemführerin soll eine möglichst hohe Verfügbarkeit und Sicherheit der gesamten Leistungskette gewährleisten», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) im Ständerat.
Gegen die Vorherrschaft der Swisscom wehrt sich nun die zweite grosse Telekom-Anbieterin Sunrise UPC. Sie leitet Notrufe, die über ihr Netz eingehen, über die Swisscom an die Notrufzentralen weiter, weil diese die Notrufnummern betreibt.
Das hat grosse Nachteile: «Am Freitag konnten keine Kunden von keinem Anbieter die Notrufnummern erreichen», sagt Sunrise-Sprecher Rolf Ziebold. «Wir setzen uns deshalb beim Bakom dafür ein, dass es die Notruforganisationen verpflichtet, zwei verschiedene Anbieter für die Durchleitung der Notrufe einzusetzen und nicht allein die Swisscom.» Bei Sunrise UPC seien ähnliche Störungen in der Vergangenheit nicht aufgetreten – und wenn es in Ausnahmefällen zu Störungen gekommen sei, nur «sehr regional» und während kurzer Zeit.
Welche drastischen Folgen der Ausfall der Notrufnummern haben könnte, zeigen auch die Tausenden Notrufe, die in den vergangenen Tagen wegen dem Hochwasser und Stürmen eingegangen sind. Die Panne vom Freitag hatte zudem weitergehende Auswirkungen als gedacht – etwa auf Lifte.
«Notrufe aus Liftanlagen waren nach meinem Kenntnisstand vermutlich auch von der Panne betroffen, sofern ihre Anlagen über die Swisscom aufgeschaltet sind», sagt Hanspeter Krüsi, Sprecher der Kantonspolizei St. Gallen. Wenn diese über eine Business-Nummer der Swisscom verbunden sind, war die Leitung tot.
Andere Anlagen hingegen sind über das Mobilfunknetz aufgeschaltet und waren nicht betroffen. Dasselbe gilt für Brandmeldeanlagen: Diese seien über ein spezielles Netzwerk direkt mit der Einsatzleitzentrale verbunden, sagt Severin Lutz von Schutz & Rettung Zürich (SRZ). «Sie waren von der Störung nicht betroffen.» SRZ habe auch während der Störung Meldungen erhalten. (bzbasel.ch)