Im Jahr 2018 brach eine Gruppe von zehn Skitourengängern auf, um die Haute Route von Chamonix bis nach Zermatt zu bewältigen. Für sieben von ihnen endete das Abenteuer tödlich.
Am Donnerstagabend zeigt das SRF in einem «Dok», wie es zum Drama in den Walliser Alpen kommen konnte, und lässt erstmals die Überlebenden zu Wort kommen. «Todesfalle Haute Route» ist eine multinationale Koproduktion von SRF, SRG SSR, ServusTV und Arte. Spiegel TV stellte die Szenen in den Schweizer Alpen nach. Nachfolgend eine Zusammenfassung der Ereignisse in 5 Punkten.
Die ersten Etappen auf der mehrtägigen Tour verlaufen nach Plan. Die zehnköpfige Gruppe kommt bei schönem Wetter voran und geniesst das Alpenpanorama. Alle haben bereits Erfahrungen mit Skitouren gemacht und sind für schönes Wetter gut ausgerüstet.
Mehrere Teilnehmer kennen den Bergführer Mario Castiglioni schon länger. «Wir waren ständig miteinander unterwegs», sagt Julia Hruska, die bei der verhängnisvollen Tour dabei war. Der 59-jährige Mann aus Como geniesst einen guten Ruf und die Teilnehmer bezahlen 1500 Franken für die sechstägige Expedition.
Schon nach den ersten Stunden entsteht eine besondere Verbindung zwischen den Teilnehmern. «Wir waren wie Freunde, wir hatten alle die gleiche Leidenschaft», erzählt Tommaso Piccioli, der überlebt hat.
Am Tag 3 steht eine achtstündige Tour an. Am Nachmittag zeigt sich aus Süden die Schlechtwetterfront an. Probleme bereitet sie auf dieser Etappe jedoch noch keine. Die Gruppe kommt um 16 Uhr in der Cabane des Dix auf 2928 Metern über Meer an. Es ist der Tag vor dem Unglück.
«Ich dachte mir, schauen wir mal, wie schlecht das Wetter wird, und entscheiden dann», sagt Piccioli. «Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, wir haben ja einen erfahrenen Führer dabei.»
Das Wetter für den nächsten Tag ist in der Berghütte grosses Thema. Steve House, ein amerikanischer Bergführer, der mit zwei Gästen unterwegs ist, ist alarmiert. «Die Wetterprognose sprach nicht einfach von einem kleinen Sturm, sondern von superstarken Windböen», sagt House in der «Dok». «Es sah so aus, als ob es nicht zu überleben wäre.»
House informiert seine Gäste über mögliche Alternativen und steigt noch am selben Nachmittag zum Gipfel Pigne d'Arolla auf, um auf seinem GPS die Daten und Wegpunkte zu speichern. Sie entscheiden sich, das Risiko einzugehen, und beschliessen, am nächsten Tag loszuziehen. Anders verhält sich Mario Castiglioni, er will erst am nächsten Tag entscheiden, ob er die Etappe durchziehen will.
Piccioli hat bereits an diesem Abend ein ungutes Gefühl. «Ich spürte, dass sie sich Sorgen machten», sagt er im «Dok». «Sie waren sehr ruhig.» Heute hadert der Italiener damit, dass er an diesem Abend nicht interveniert. «Ich fühle mich schlecht. Heute würde ich sagen: Ich komme nicht mit.»
Am nächsten Tag beschliesst der Bergführer Castiglioni, die Etappe in Angriff zu nehmen. Das Wetter präsentiert sich zwar nicht von seiner besten Seite, doch zunächst ist die Sicht gar nicht so schlecht. Zusammen mit der zehnköpfigen Gruppe beginnen auch Steve House mit seinen Gästen und zwei französische Ehepaare mit dem Aufstieg. Die meisten Gruppen, die in der Cabane des Dix übernachtet haben, wollen den Sturm jedoch in der Hütte abwarten oder fahren direkt ins Dorf Arolla.
Um 9 Uhr wäre eine Umkehr noch möglich, danach folgt der steile Aufstieg über die «Serpentine». Bergführer Castiglioni will weitergehen und macht so die Tür für eine Umkehr zu. Dies, obschon das Wetter bereits deutlich schlechter ist. «Man konnte sehen, dass der Sturm aufzieht», sagt Bergführer House.
In der kommenden Stunde verschlechtert sich die Sicht nochmals markant. Der Wind bläst mit bis zu 80 Kilometern pro Stunde. Castiglioni hat die Route zwar auf seinem Handy gespeichert, doch es scheint nicht zu funktionieren. Piccioli will ihm zur Hilfe eilen, da auch er ein GPS mit gespeicherten Karten dabei hat. Doch der Bergführer lehnt die Hilfe zunächst ab und läuft in die falsche Richtung.
Bergführer House folgt hingegen seinen gespeicherten GPS-Daten und erreicht bereits um 10.37 Uhr den Gipfel Pigne d'Arolla und wenig später die Hütte «Cabane des Vignettes».
Über zwölf Stunden irrt die Gruppe in der Folge auf dem Berg herum. Irgendwann treffen sie auf die zwei französischen Ehepaare, die darauf ebenfalls mitlaufen. Ein Bergführer ist mit einer Gruppe von 14 Leuten unterwegs.
Der Sturm wird immer stärker und erreicht Geschwindigkeiten von 150 Kilometern pro Stunde. Die Temperaturen fallen unter −20 Grad. Der Handyempfang reicht nicht, um Rettungskräfte zu alarmieren, und das Satellitentelefon scheint nicht zu funktionieren. Die Kräfte bei den Tourengängern lassen immer mehr nach.
Um 19.30 Uhr beschliesst Bergführer Castiglioni: «Wir bleiben hier, wir machen ein Biwack.»
Die Gruppe muss sich damit abfinden, dass sie die rettende Hütte heute nicht mehr erreichen wird, obschon sie eigentlich gar nicht mehr so weit entfernt ist. «Ich sagte zu Mario: ‹Wenn wir hierbleiben, sind wir alle tot›», erzählt Luciano Cattori im «Dok».
Die Gruppe rückt eng zusammen und will sich in den Schnee eingraben, um etwas Schutz gegen den Wind zu haben. Doch die Unterlage ist eisig, tief wird ihr Loch nicht. «Schon nach zehn Minuten zitterte ich am ganzen Körper», sagt Cattori. «Mein Körper ist nicht für diese Kälte gemacht. Es war wie in einem Zombie-Film.»
Die beiden Ehepaare aus Frankreich haben noch etwas Kraft übrig und steigen 40 Meter den Hang hinauf. Dort sind die Verhältnisse etwas anders. Sie schaffen es, sich in den Schnee einzugraben und etwas Schutz gegen den Wind aufzubauen. Es wird ihnen das Leben retten.
Weiter unten werden die Personen immer schwächer. Piccioli setzt sich auf einen Stein. Er wippt mit seinem Körper nach vorne und nach hinten, um nicht einzuschlafen und sich ein wenig warmzuhalten. «Ich habe an meine Mutter und an meine Frau gedacht und habe mir gesagt: ‹Das verdienen sie nicht. Ich muss am Leben bleiben›.»
In der Gruppe wird es immer stiller, viele schlafen ein und werden nicht mehr wieder aufwachen. Hruska fragt sich irgendwann: «Sind jetzt alle tot?»
Irgendwann kann auch Cattori den Schlaf nicht mehr zurückhalten. «Ich fing an, zu träumen. Ich habe von schönen Dingen geträumt. Mir war nicht einmal mehr kalt. Mir ging es gut», erzählt der Mann aus Locarno. «Ich träumte von surrealen Landschaften mit Blumen und sich drehenden Girlanden. Ich erinnere mich an alles sehr gut. Und dann nichts. Nacht. Bis zum Spital am nächsten Nachmittag.»
Am nächsten Morgen macht sich Steve House mit seiner Gruppe auf zur nächsten Etappe. Der Sturm hat etwas nachgelassen. Plötzlich sehen sie im Schnee eine Person. Es ist Bergführer Castiglioni, der sich in der Nacht von der Gruppe entfernte und Richtung Hütte weiterging. Auf dem Weg verliessen ihn jedoch die Kräfte, weshalb auch er den Sturm nicht überlebte.
House steigt weiter hoch und sieht, dass noch weitere Personen im Schnee sind. Als er das Ausmass der Katastrophe realisiert, eilt er zur Hütte zurück, um weitere Rettungskräfte zu mobilisieren.
Am Morgen sind von der zehnköpfigen Gruppe nur noch Hruska und Piccioli bei Bewusstsein. «Als ich meine Augen öffnete, sah ich die Hütte ganz in der Nähe», sagt Piccioli. «Ich sah Steve House mit einer Gruppe von Tourengängern, die zu uns hinaufgingen.» Die beiden machen mit Armbewegungen und Rufen auf sich aufmerksam. «Wir hatten Glück, dass eine Gruppe so früh unterwegs war und uns gehört hat», sagt Hruska.
Mit sieben Helikoptern beginnt in der Folge eine grossangelegte Rettungsaktion. Zunächst werden die 14 Personen in die «Cabane des Vignettes» geflogen, wo sie von Notärzten erstversorgt werden. Danach geht es weiter in die umliegenden Spitäler.
Doch für viele kommt die Hilfe zu spät. Sechs Personen sterben im Spital. Auch Cattori befindet sich in einem äusserst kritischen Zustand, als er ins Inselspital Bern eingeliefert wird. «26 Grad Körpertemperatur, fünf Herzschläge, eingedicktes Blut. Man musste das ganze Blut austauschen, es war fast hoffnungslos.» Trotzdem überlebt der Tessiner.
Die Nacht überstehen auch die zwei französischen Ehepaare, welche 40 Meter weiter oben übernachten. Die gefühlte Temperatur ist dank des Windschutzes um 15 bis 20 Grad wärmer als am windexponierten Ort. Die Überlebenschancen sind somit markant höher.
Während sich Hruska und Cattori mit Kritik am Bergführer zurückhalten, spricht Piccioli Klartext: «Das Ganze hätte nicht geschehen sollen. Menschen sind nicht stärker als die Natur. Es ist dumm, sich in eine solche Situation zu begeben. Der Typ war dumm und wir waren so dumm, ihm zu folgen.»
Der Reiz die Macht der Natur zu spüren wird aber dableiben. Bin gespannt ob in der Doku geschildert wird, was der Bergführer anders machen sollte, also nachdem es quasi schon zu spät war umzukehren.
Das Problem ist, schliesst man sich einem Bergführer an, gibt man Verantwortung ab und ist auch ein wenig auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, WENN man nicht auch selbst die Route gehen könnte und zu jedem Zeitpunkt es auch solo schaffen könnte und kann- auch bezüglich Ausrüstung.
Das gilt auch für Kameraden und Freunde., vor allem wenn sie Tendenz zu Kopflosigkeit und eiskalten Egoismus im Notfall haben.