Weil er geheime Bankdaten weitergeben haben soll, steht Rudolf Elmer seit Donnerstagvormittag wieder vor dem Zürcher Obergericht. Er sei zu Unrecht im Gefängnis gewesen, sagte er während der Befragung durch den Richter. Und in einer längeren ersten Stellungnahme meinte er, es hätte gar kein Strafverfahren gegen ihn eröffnet werden dürfen.
Der Ex-Banker wies in seiner vor Gericht verlesenen Stellungnahme darauf hin, dass es sich gar nicht um Bankdaten gehandelt habe. Die Daten stammten nicht von Kunden der Bank Julius Bär, sondern von der Julius Baer & Trust Company Ltd auf den Cayman Islands, sagte der 60-Jährige unter anderem. Das sei eine Treuhandgesellschaft, keine Bank.
«Der Begriff Bankdaten ist irreführend», sagte Elmer. Das sei die triviale Ausgangslage. «Es hätte gar nie zu einem Verfahren wegen Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses kommen dürfen.»
Der Schaden, den er erlitten habe, sei immens, sagte der 60-Jährige. Er habe den sozialen Tod erlitten. Seit zehn Jahren finde er keine Arbeit, womit ihm Einnahmen im Umfang von konservativ geschätzten zwei Millionen entgangen seien. Vor Gericht forderte er deshalb eine angemessene Genugtuung.
Das Strafverfahren bezeichnete Elmer als «dubios» und sprach von «Psychoterror durch die Staatsanwaltschaft». Während seiner Zeit hinter Gitter von Januar bis Juli 2011 habe er etwa seine Tochter nur einmal wöchentlich für eine Stunde durch eine Scheibe hindurch sehen können. Der Druck der vergangenen Jahre habe zu bleibenden gesundheitlichen Schäden geführt. Sowohl psychischen als auch physischen.
Vor Obergericht werden zwei Berufungsverhandlungen geführt. Bei der ersten wird Elmer insbesondere vorgeworfen, geheime Bankdaten an verschiedene Steuerämter und an Medien zugestellt zu haben.
Es handelt sich um eine Fortsetzung eines Berufungsprozesses vom 17. November 2011. Damals wies das Obergericht die Anklageschrift nach der Befragung und den Plädoyers an die Staatsanwaltschaft zurück, welche die Anklage präzisieren und ergänzen musste.
Im zweiten Berufungsverfahren wird Elmer vorgeworfen, im Januar 2008 Bankdaten an die damals noch unbekannte Enthüllungsplattform WikiLeaks geliefert zu haben. Zudem hat der Ex-Banker im Januar 2011 in London an einer vielbeachteten Medienkonferenz zwei CDs an WikiLeaks-Gründer Julian Assange übergeben.
Das Plädoyer der Verteidigung steht aus. Diese dürfte Freisprüche fordern. Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft sind ebenfalls noch nicht erfolgt. In erster Instanz hatte sie Freiheitsstrafen von einem Jahr (Fall 1) und dreieinhalb Jahren (Fall 2) gefordert. Zudem beantragte sie ein Berufsverbot. Das Obergericht hat für die Verhandlung zwei Tage angesetzt.
Vor dem Obergericht bekundete am frühen Donnerstagmorgen ein knappes Dutzend Personen aus dem Umfeld der AL ihre Unterstützung für Rudolf Elmer. Supporter hielten Plakate in die Höhe. Auf einem stand etwa: «Whistleblower brauchen Schutz, keinen Knast». Die Gruppe intonierte mit Gitarrenbegleitung vor dem Gerichtsgebäude zudem einen «Steueroase»-Song. (whr/sda)