Haben Sie Schuhe von der Marke On?
Bernhard Bauhofer: Nein, diese Schuhe kommen mir nicht ins Haus!
Weshalb nicht?
Einerseits steckt in On-Schuhen nicht viel Innovation drin, obwohl sie gerne so vermarktet werden. Der Schuh ist meiner Meinung nach, was Funktionalität, Qualität und Komfort angeht, absolut mit günstigeren Modellen austauschbar. Andererseits ist mir das Unternehmen aus ethischen Überlegungen zuwider.
Sie sprechen es gerade an. Der K-Tipp hat publik gemacht, wie hoch die Margen bei On-Schuhen ausfallen. Bezahlt ein Kunde für einen Turnschuh 190 Franken, bleibt On eine Marge von 155.13 Franken. Der Hersteller in Vietnam erhält pro Schuh nur 18 Franken und damit weniger als von anderen Marken wie Adidas oder Nike. Überrascht Sie das?
Ganz und gar nicht. On sorgte in der Vergangenheit schliesslich schon öfters für Negativschlagzeilen.
Womit zum Beispiel?
Etwa mit ihren exorbitanten Managerlöhnen. Während das Unternehmen einen Verlust von 170 Millionen Franken schrieb, kassierte die Geschäftsleitung über 80 Millionen Franken. Aber auch der Börsengang von On war fragwürdig. Wenige Tage nachdem das Unternehmen an die Börse gegangen war, informierte es über plötzliche Lieferengpässe. Das ist eine wichtige Information. Die muss schon vor dem Börsengang dagewesen sein, hat On aber wohl bewusst nicht mitgeteilt. Entsprechend sackte der Aktienkurs sofort ab. Ich war überrascht, als die Börsenaufsicht dies nicht rügte.
Heisst das, bei On läuft einiges schief?
Also zuerst muss man schon festhalten, dass es On geschafft hat, innerhalb einer sehr kurzen Zeit sehr gross zu werden. Das ist eine bemerkenswerte Leistung. Dass bei diesem Senkrechtstart einige Kinderkrankheiten auftreten, ist verständlich. Etwa als sich Kunden über Probleme mit den Schuhen beschwerten. Diese Kinderkrankheiten hat das Unternehmen dann ja auch schnell ausgemerzt.
Aber?
Aber On ist ein Unternehmen, das noch so geführt wird wie in den 90er-Jahren, ein Geschäftsmodell hat wie aus dem letzten Jahrhundert. Der Fokus liegt nur auf dem Shareholdervalue. Darauf, dass den Managern möglichst schnell möglichst viel Geld ausgezahlt werden kann. Dieses System fusst am Schluss auf Ausbeutung. Und am Ende der Nahrungskette befinden sich die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken, die die Schuhe zusammennähen, in Vietnam, einem Land, in dem es keine Gewerkschaften gibt und in dem die Menschen froh sind, wenn sie eine Arbeit haben.
Funktioniert nicht jedes Unternehmen so?
Ja, Marken wie Gucci oder Dolce & Gabbana funktionieren auch nach dieser Logik. In neuen, modernen Unternehmen liegt der Fokus aber zunehmend auf dem Stakeholdervalue. Das heisst: Auch der Wert des Unternehmens für die Kunden und Mitarbeitenden sind wichtig und nicht nur die Aktionäre. Deshalb finde ich es so enttäuschend, dass ein Schweizer Unternehmen wie On, das noch dazu sehr jung ist und sich als modern gibt, sich nicht auf diese Veränderungen anpasst. Vor allem in einer Zeit, in der den Kundinnen und Kunden Fairness und Nachhaltigkeit wichtig sind. Es stellt sich schon die Frage, wie lange das Geschäftsmodell von On noch funktioniert.
Sie sagen, diese Werte sind den Kundinnen und Kunden zunehmend wichtig. Trotz Kritik hat On aber nach wie vor Erfolg. Wenn man etwa am Flughafen Zürich ankommt, sieht man fast an allen Füssen On-Schuhe.
Ja, ich glaube schon, dass die Schweizerinnen und Schweizer mit einem gewissen Stolz eine Schweizer Schuhmarke tragen. Inzwischen sind die Schuhe ein Lifestyle-Produkt von Wanna-be-cool-Bünzlis. Im Ausland funktioniert das «Swiss made»-Label zudem auch extrem gut. Obwohl ich mich schon lange Frage, was an diesen Schuhen wirklich «Swiss made» ist. Eben, produziert wird ja zu Billigpreisen in Vietnam.
Liegt der Erfolg in der Schweiz vielleicht auch am Werbegesicht Roger Federer?
Ja, auf jeden Fall. Die Erfolgsgeschichte von On lief wie im Bilderbuch ab, war vorkalkuliert: Man nahm den bekanntesten Sportler des Landes mit dem makellosesten Image, gab ihm einen grossen Anteil am Unternehmen und warf die Werbetrommel an. Es musste einfach funktionieren. Die Frage ist: für wie lange?
Wenn wiederholt negative Schlagzeilen über On aufkommen, kratzt das nicht auch am Image von Roger Federer?
Ja, besonders jetzt, wo seine sportliche Karriere zu Ende ist. Ohne den Sport bekommt man fast nichts mehr von ihm als Person mit. Ausser eben, wenn er für etwas wirbt. Für mich ist Roger Federer darum nur noch eine Werbefigur. Noch dazu immer wieder für – aus meiner Sicht – fragwürdige Unternehmen. Ich würde ihm darum empfehlen, künftig genau zu schauen, mit wem er zusammenarbeitet. Sonst funktioniert er auch als Werbegesicht bald nicht mehr.
Glauben Sie, das wird er machen?
Ich glaube eher, er wird die Werbe-Welle bis zum Ende reiten. Bis es nicht mehr geht. Vielleicht endet diese Karriere ja abrupter, als man denkt. In der heutigen Zeit reicht ein Video auf Social Media, das viral geht und in dem ein Skandal einer Firma mit ihm, als deren Werbegesicht, in Verbindung gebracht wird.
Und wird die K-Tipp-Recherche für On irgendwelche Konsequenzen haben?
Ich glaube schon. Und hoffe es. Ihre Kundinnen und Kunden in der Schweiz sind grösstenteils gut gebildete, besserverdienende Personen. Sie informieren sich und wollen Produkte kaufen, die ihren eigenen Werten entsprechen.
Glauben Sie, On wird es in 50 Jahren noch geben?
Ich denke eher nicht. Dafür müsste das Unternehmen seine Geschäftsmodelle transformieren. Nach meiner Einschätzung wird On jedoch einfach so lange so weitermachen wie bisher, bis es eben nicht mehr geht.
Hahaha, diese Aussage entspricht exakt meinem gestrigen Kommentar 😆
Danke Herr Bauhofer, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen 🤝