Schweiz
Wirtschaft

Die Post kauft Firmen auf – mit 1.5 Milliarden Franken Reserve

Mit Paketen beladene Lieferbusse der Post stehen fuer die Auslieferung bereit, im Paketzentrum Haerkingen, am Mittwoch, 9. Dezember 2020, in Haerkingen. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Die Post ist in Bewegung: Einst brachte sie nur Briefe und Pakete, jetzt will sie noch viel mehr tun.Bild: keystone

Eine Firma nach der nächsten – jetzt regt sich Widerstand gegen die Shoppingtour der Post

Die Post kauft Firma um Firma ein und hat dafür stolze 1.5 Milliarden Franken reserviert. Jetzt regt sich Widerstand.
11.09.2021, 13:0411.09.2021, 13:30
Florence Vuichard / ch media
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Geschummelt hat Roberto Cirillo nicht, im Gegenteil: Der Post-Chef hat seine Karten offen auf den Tisch gelegt – und das schon am 14. Mai 2020, als er seine Strategie für die «Post von morgen» präsentiert hat. Mit dieser will er den staatlichen Schrumpf­konzern wieder auf die Wachstumsstrasse zurückbringen, und das nicht zuletzt mit Übernahmen.

Nur hat niemand so genau hingeschaut. Sonst wären jetzt nicht alle so erstaunt, wenn die Post zuschlägt: bei der digitalen Administrationshilfe Klara, beim Cloud-Anbieter Tresorit oder bei der Werbevermarkterin Livesystems. Und das ist erst der Anfang: Ganze 1.5 Milliarden Franken hat Cirillo für Zukäufe reserviert – und zwar von Firmen aus der angestammten Logistikbranche, aber eben auch aus undefinierten, digitalen Gefilden, in welche die Post grosse Hoffnungen steckt.

Private Aussenwerber gehen in die Offensive

Roberto Cirillo, CEO der Schweizerischen Post, spricht waehrend einer Medienkonferenz, am Donnerstag, 22. August 2019 in Cadenazzo im Tessin. (KEYSTONE/Ti-Press/Elia Bianchi)
Post-Chef Roberto Cirillo will mit Akquisitionen seinen Konzern wieder auf Wachstumskurs bringen.Bild: KEYSTONE

Doch nun regt sich Widerstand. Etwa bei den Aussenwerbern. Die Übernahme von Livesystems hat sie aufgeschreckt. Die Befürchtung von APG, Clear Channel und der zum Medienkonzern TX Group gehörenden Neo Advertising: Ihre vergleichsweise kleine Konkurrentin könnte nun – dank postalischer Staatsgarantie – bei öffentlichen Ausschreibungen für die digitalen und analogen Plakatwände in Bahnhöfen, Flughäfen oder Busstationen ungehemmt mitbieten.

Und beim Nicht-Erreichen der avisierten Werbeeinnahmen könnte die Post dann die Differenz berappen, während die privaten Mitbewerber in schlechten Jahren selber für die garantierte Summe geradestehen müssten.

Livesystems mit Werbebildschirmen im öffentlichen Verkehr, an Tankstellen und im Aussenraum ist – gemäss dem Narrativ der Post – eine Art digitale Übersetzung eines Kerngeschäfts der Post: die physische Verteilung von adressierter und nicht adressierter Werbung in die Briefkästen.

Es ist aber gleichzeitig auch eine Ausdehnung des Geschäfts, vom individuell zugestellten Werbeprospekt hin zur plakatartigen Breitenwerbung. Die Post streitet das nicht ab, betont aber, dass die Kunden beides wollten – und am liebsten aus einer Hand.

Ein Kaufpreis, der zu reden gibt

Und die Post versucht die Konkurrenz zu beruhigen: «Livesystems kann nur an Ausschreibungen mitmachen, die sie aus eigener Kraft finanziert», sagt Oliver Egger, zuständig im Post-Konzern für das Werbegeschäft und neu auch Verwaltungsratspräsident der soeben übernommenen Livesystems. «Die Post wird nicht für irgendwelche Millionen-Beträge haften.»

Für Verwunderung sorgt auch der Preis von über 100 Millionen Franken, den die Post angeblich gemäss «persönlich» bezahlt haben soll. Egger will den Preis weder bestätigen noch dementieren. In der Branche ist man sich aber einig, dass der genannte Preis viel zu hoch wäre für eine Firma, die «nur» einen Anteil von rund 10 Prozent am 400-Millionen-Franken-Aussenwerbemarkt halten dürfte.

Es wäre aber auch nicht das erste Mal, dass sich die Post auf der Suche nach neuen, digitalen Einnahmequellen verrechnet hätte. Wie die Swisscom hat sie etwa Millionen von Franken in das elektronische Patientendossier investiert. Ohne Erfolg.

Ein Gutachten ortet gesetzgeberischen Handlungsbedarf

Bei der Konkurrenz misstraut man der Post und geht lieber auf Nummer sicher. Der Verband Aussenwerbung Schweiz hat deshalb beim Rechtsprofessor Urs Saxer ein Gutachten in Auftrag gegeben, das der «Schweiz am Wochenende» vorliegt.

Beat Rieder, CVP-VS, spricht zur Debatte um die Ehe fuer alle, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 1. Dezember 2020 im Staenderat Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Ständerat Beat Rieder will die Staatsunternehmen in die Schranken weisen.Bild: keystone

Sein Fazit: «Das Anbieten einer digitalen Infrastruktur für Werbung und Kommunikation gehört nicht zu den Aufgaben der Post.» Die Praxis des Bundesgerichts sei zwar nicht streng, dennoch hält Saxer fest: «Derartige Tätigkeiten brauchen eine gesetzliche Grundlage.»

Da trifft es sich gut, dass die Ständeräte Beat Rieder (Mitte) und Andrea Caroni (FDP) mit einer Motion bereit stehen: Sie fordern den Bundesrat auf, Gesetzesänderungen vorzuschlagen, «um Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen» und haben – gegen den Willen des Bundesrats – schon eine erste Hürde genommen: Die Wirtschaftskommission hat dem Anliegen zugestimmt, am 30. September ist nun der Ständerat am Zug.

Es ist nicht der erste Versuch der Politik, die Staatsunternehmen etwas in die Schranken zu weisen. Doch bis anhin sind alle Bemühungen gescheitert, weil es keine einfachen Lösungen gibt, aber auch, weil sich der Widerstand jeweils nur regional manifestierte. Doch diesmal ist es anders: Die Post ist national. Keine Region, kein digitales Geschäftsfeld dürfte von Cirillos Shoppingtour verschont bleiben. Entsprechend gross ist der Unmut, ein Unternehmer spricht von einer «Sauerei».

Kampf um den digitalen Briefkasten

Einer, der Erfahrungen mit der Post als Konkurrentin gesammelt hat, ist der Peax-Gründer Stefan Hermann. Sein Unternehmen betreibt im Auftrag von Firmen und Privatpersonen digitale Briefkästen: Ihre Post wird an Peax umgeleitet, dort eingescannt und im gewünschten digitalen Briefkasten abgelegt. Auch die Post hat sich in dieser Disziplin versucht, hat Millionen von Franken ausgegeben – und ist mit E-Post-Office letztlich nie auf einen grünen Zweig gekommen.

Nun nimmt sie mit Hilfe der Klara-Übernahme einen neuen Anlauf: Die Neo-Post-Tochter bietet seit Juli 2021 ebenfalls einen digitalen Briefkasten an – und zwar zu einem für Mitbewerber nicht kostendeckenden Preis, wie Hermann betont. Dieser liegt unter den Briefumleitungskosten, die Peax bei der Post zu Standardkosten beziehen muss.

Die privaten Postkonkurrenten hoffen jetzt auf die Politik - und auf neue Spielregeln. Sonst wird für sie Roberto Cirillos «Post von morgen» eine Post ohne morgen. (aargauerzeitung.ch)

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Momente, in denen der Pöstler einfach zu weit gegangen ist
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48 Kommentare
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Likos
11.09.2021 13:29registriert Januar 2014
Was will man eigentlich von der Post? Auf der einen Seite verlangt man ein teuren Service der es im freien Markt unmöglichen geben kann, andererseits will man auch nicht das die Post wo anders Geld verdient, aber trotzdem will der Bund fleissig Dividenden.
Ich bin auch kein Fan vieler Projekte der Post, aber wirklich Schuld kann ich ihr dafür auch nicht geben.
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K1aerer
11.09.2021 15:06registriert Mai 2019
Auf einer Seite sind das Brief- und Paketgeschäft nie wirtschaftlich gewesen, aber auf der anderen Seite soll die Post trotzdem Gewinn machen und sogar Rendite am Bund abdrücken. Darum müssen andere Branchen diesen Public-Service quersubventionieren. Ökonomisch gesehen, muss die Post nach anderen Services Ausschau halten. Wiederum die Bedenken der Konkurrenz ist genau so richtig. Darum muss garantiert werden, dass die Post keine Garantie erhält, im Falle von Misswirtschaft vom Staat gerettet zu werden und die Konkurrenz mit Quersubventionen innerhalb marktverzerrend erstickt.
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Pidemitspinat
11.09.2021 13:37registriert März 2018
Naja, die Post ist zwar ein Staatsbetrieb, soll aber gemäss vorherrschendem Credo genauso wie ein privates Unternehmen funktionieren. Klar hält man da auch Ausschau nach neuen, lukrativen Geschäftszweigen.

Das andere Extrem wäre halt ein ineffizienter, aufgeblähter Staatsbetrieb, der Verluste schreibt und Steuern verschlingt.

Und irgendwo im Niemandsland der wirtschaftsideoligischen Schützengräben krepiert der Service Public.

Real und in Reinform exisitieren nämlich weder der freie Wettbewerb mit rationalen, informierten Teilnehmern, noch der brüderliche, solidarische Sozialismus.
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