Inflation zählt zu den grössten Sorgen in der Schweiz. Das zeigte sich in einer Umfrage des Vergleichsdienst Comparis. Vor allem Menschen mit tieferen Einkommen fürchten, ihre Budgets könnten durcheinandergeraten. Die Sorge ist berechtigt. Es häufen sich die Stimmen, die mit steigenden Preisen für Lebensmittel rechnen.
Dazu zählt am Anfang der Wertschöpfungskette der Schweizerische Bauernverband, welcher die Preise ab den Höfen überblickt. Auf Anfrage sagt ein Sprecher: «Man muss mit steigenden Preisen rechnen.» Es gehe gar nicht mehr anders. Vor allem die geringen Ernten würden preistreibend wirken.
Die Ernten litten 2021 unter einer raschen Abfolge von Wetterextremen. Im Frühling war es zu nass und zu kalt, im Sommer regnete es viel zu viel. Das Obst wurde verhagelt, das Gemüse verfaulte in übertränkten Böden. So oder ähnlich ging das weltweit. Brasilien gehört den weltweit grössten Exporteuren von Mais und Soja, Zucker oder Kaffeebohnen.
Erst erlitt es eine der übelsten Dürren seit Jahrzehnten. Anbauregionen wurden versengt, Maisernten verwelkten. Es folgte ein nie dagewesener Frost. Die Kaffee-Ernte wurde verwüstet, die Preise von Arabica-Bohnen stiegen auf ein Sechs-Jahres-Hoch.
Solche Ernteausfälle treiben weltweit die Preise von Lebensmitteln in die Höhe. Experten gehen davon aus, dass mit dem Klimawandel solche Wetterextreme häufiger auftreten werden. Dem «Wall Street Journal» sagte ein Rohstoff-Händler:
In der Schweiz gibt es bereits erste Beispiele von Preisaufschlägen. Der Verband Cafetiersuisse rechnet für dieses Jahr damit, dass für Kaffee zwischen 5 und 10 Prozent mehr bezahlt werden muss. Teurer sind auch Rohstoffe für die Brotherstellung wie Mehl und Brotweizen, berichtet das Bundesamt für Landwirtschaft.
Der Verband der Schweizer Bäcker empfahl seinen Mitgliedern im November, die Preise zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. Die Kosten seien um 15 Prozent gestiegen, vor allem wegen «verheerend schlechter Ernten». Damit dürften die Gipfelis in vielen Cafés künftig mehr kosten.
Steigende Lebensmittelpreise befürchtet auch Guy Parmelin, wie er zur «Sonntagszeitung» sagte: «Aktuell ist ein besorgniserregender Preisanstieg bei einzelnen Lebensmitteln festzustellen.» Es sind vor allem internationale Trends, die den Wirtschaftsminister besorgen. Denn die Schweiz beziehe beinahe die Hälfte ihrer Lebensmittel aus dem Ausland. Wie es auf Anfrage aus seinem Departement heisst, sei darum auch für die Schweiz von grosser Bedeutung, wie viel Lebensmittel global kosten.
Hierzu zeige ein globaler Index der UNO einen grossen Anstieg. Alles wurde zugleich teurer: ob Fleisch oder Zucker, Getreide oder Pflanzenöle oder auch Molkereiprodukte (siehe nachfolgende Grafik). Im Schnitt kosteten sie im November über 30 Prozent mehr als noch vor der Coronakrise. Aus schweizerischer Sicht ist besonders schmerzhaft, dass sich Getreide um 35 Prozent verteuerte. Wie das Departement von Parmelin sagt, sei das ein Grund, warum Brote künftig mehr kosten.
Es wäre eine Trendwende, wenn die Lebensmittelpreise steigen würden. Zuvor blieb die Schweiz lange von Preisschüben verschont, vor allem dank dem starken Franken. Nahrungsmittel kosteten im Dezember 2021 deutlich weniger als über ein Jahrzehnt zuvor, im Dezember 2008.
Konsumentinnen und Konsumenten zahlen rund 5.5 Prozent weniger als damals, gemäss Landesindex für Konsumentenpreise. Auch sonst war die Schweiz über ein Jahrzehnt lang ein Land der Null-Inflation. Die Preise im Dezember 2021 waren noch nahezu gleich hoch wie im Dezember 2008. Zuletzt nahm die Inflation etwas zu, so wie auch sonst in der Welt. Doch blieb der Anstieg mit 1.5 Prozent noch sehr moderat.
Der Vergleich mit Deutschland illustriert den Schweizer Sonderfall. Im nördlichen Nachbarland mussten die Konsumenten und Konsumentinnen mit ganz anderen Grössenordnungen fertig werden. Die Preise gingen um 6 Prozent in die Höhe, die höchste Teuerung in drei Jahrzehnten. Die Preise werden zum Politikum, nicht nur wegen der Inflation.
Kürzlich forderte der neue grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in der Boulevardzeitung «Bild»: «Es darf keine Ramschpreisen für Lebensmittel mehr geben.» Sie würden Bauernhöfe in den Ruin treiben, mehr Tierwohl verhindern, das Klima belasten. Es waren klassische grüne Argumente. Doch sofort kam der Konter, auch in der Bild-Zeitung, die titelte:
Haben da nicht die Gegner wie üblich den Stimmbürgern Angst gemacht dass sich die Lebensmittel verteuern wenn man den Selbstversorgungsgrad erhöht?
Der eigentliche Grund aber war ja dass sich die Agrarlobby den ganzen Markt für den Import von Lebens- und Futtermitteln unter den Nagel gerissen haben (Fenaco) und sich so mit Produkten aus Monokulturen eine goldene Nase verdienen.
Nun beklagen sich genau diese weil ihnen die Profite wegen den Missernten bachab gehen.
Die Zitrone ist ausgepresst
Haben da nicht die Gegner wie üblich den Stimmbürgern Angst gemacht dass sich die Lebensmittel verteuern wenn man den Selbstversorgungsgrad erhöht?
Der eigentliche Grund aber war ja dass sich die Agrarlobby den ganzen Markt für den Import von Lebens- und Futtermitteln unter den Nagel gerissen haben (Fenaco) und sich so mit Produkten aus Monokulturen eine goldene Nase verdienen.
Nun beklagen sich genau diese weil ihnen die Profite wegen den Missernten bachab gehen.Die Zitrone ist ausgepresst!
Nein, die Sorge ist nicht berechtigt. Solange wir nur 16% vom Budget für Lebensmittel ausgeben, muss sich da niemand Sorgen machen.
Dass es trotzdem Sorge Nr. 1 zu sein scheint, ist ekelhaft, aber typisch CH. Drei Flatscreens in der Wohnung, aber über minim steigende Lebensmittelpreise motzen und in den Discounter rennen für Ungarn-Poulet. 🤮