Jedes Jahr orakeln uns Marktanalysten, Food-Blogger und Mediensprecher aller Couleur vor, welche Trends unser Essverhalten revolutionieren werden.
Und jedes Jahr ertappe ich mich beim Gedanken: Ganz nett ... Aber so richtig, richtig freuen würde ich mich über ganz andere Food-Trends. Zum Beispiel:
Leute, ganz allgemein: Weniger davon ...
... und mehr davon.
Statt architektonisch-interessant gestapelten Filetstücken mit grafisch drapierten Sösselis, oftmals mit albernen Bezeichnungen wie «Balsamico-Universum», «Pastinaken-Reduktion» oder Ähnlichem, wie wär's endlich mal mit etwas, das voller Geschmack, Würze, Aroma ist? Gewürze sind zum Benutzen da. Chili ist euer Freund. Weniger Raffinesse und Subtilität, dafür mehr Leidenschaft und Sexyness. Por el amor de Dios, más sabor, por favor!
Leute, es gibt nichts Schöneres, als irgendwo in Südkalifornien in den frühen Morgenstunden aus einem Club zu torkeln und auf der gegenüberliegenden Strassenseite die verheissungsvolle Silhouette eines Taco Trucks zu erblicken. Denn: Street Tacos vom Taco Truck ist das beste Late Night Food der Welt. Nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht, immer frisch zubereitet, ordentlich pikant und mit Zitrus-Frische – das ist oben erwähnter sabor! Ach, einfach perfekt! (Und: $1.50 das Stück.)
Freilich, Food Trucks gibt es einige bei uns. Aber Taco Trucks zu später Stunde – davon könnten wir noch einige gebrauchen.
Will man hierzulande Curry essen, fährt man am besten, wenn man zum Sri-lankischen Cornershop geht, der mit einer Takeaway-Vitrine und ein paar Plastiktischen ausgestattet ist. Dort ist das Essen scharf und das Bier kalt, auch wenn die Neonröhren-Beleuchtung nicht gerade heimelig ist. Solche Orte braucht's immer – und das ist gut so. Sucht man aber nach gediegeneren Restaurants, schnellen die Preise bald mal in die Höhe, während die Qualität oftmals mittelmässig ist. Das müsste nicht so sein. Andernorts hat man längst erkannt, dass südasiatische Küche und urbane Ausgangskultur sich bestens ergänzen.
Der Erfolg etlicher Restaurantkonzepte wie Dishoom oder Hoppers in London (um zwei der offensichtlicheren Beispiele zu nennen) beweist: Heute will man ab und an seine Currys auch in stylisher Atmosphäre mit einem Drink oder zwei geniessen.
Ganz und gar nicht stylish, dafür aber so was von fein – und letztendlich stets ein Event. Ich rede von einem Besuch in einem waschechten Dim-Sum-Restaurant, wo die Kellnerinnen mit dem Wägelchen voll diverser dampfender Dumplings am Tisch vorbeischauen und diese im ordentlich schroffen Tonfall anbieten. Sprachhürden sind mittels Handzeichen schnell überwunden und die leicht gehässige Ausdrucksweise schnell vergessen, denn die Speisen sind schlicht umwerfend gut.
Döner-Buden haben wir an jeder Ecke. Ein paar weniger könnten wir gut verkraften. Stattdessen: Ein paar traditionelle britische Büezer-Cafés, wo man bereits frühmorgens ein warmes Frühstück essen kann. Eier, Speck, Baked Beans, grillierte Tomaten und Pilze und jede Menge Toast.
Das geht auch mittags ... Oder gar spätnachts, wenn man angesäuselt aus der Bar torkelt; es heisst nicht umsonst All-Day Breakfast. Ausserdem hat es Sandwiches, die man sich nach Belieben frisch zubereiten lassen kann, und selbstverständlich Tee à discrétion.
Das Foto zeigt Harry's New York Bar in Paris. Dort betrank sich anno dazumal Ernest Hemingway. Musikberieselung war keine nötig. Bis heute nicht. In einer Bar abzuhängen, in der man seine Begleitung nicht anbrüllen muss, stellt mittlerweile eine ungemeine Wohltat dar. Wir haben ohnehin zu viel Ablenkung im Alltag. Wenn man mit jemandem auf einen Drink abmacht, möchte man Gespräche führen.
Wo sind sie geblieben, die Beizen der 70er-Jahre? Die mit den grauenhaften orangen Tischtüchern und der Knorr-Maggi-Menage? Grösstenteils sind sie verschwunden – und dies meist absolut zu Recht, notabene, denn irgendwann merkten auch die stursten Restaurantbesucher, dass liebloses Geköchel mit Fertigprodukt-Pilzsösschen und Dosen-Früchten nun mal nicht so mundet wie die frischere Küche der neueren Gastro-Generation.
Das Kippen der Bedürfnisklausel Mitte der 90er-Jahre lieferte den Beweis: Die Gäste wollten anderes Food, und um die Riz-Casimir-Fraktion war's geschehen.
Inzwischen wäre es aber an der Zeit, Schweizer Retro-Cuisine wieder hochleben zu lassen. Nönö, keine museale Ballenberg-Bauernküche, sondern Gerichte aus eurer Kindheit. Bloss diesmal mit frischen Zutaten gekocht: Riz Colonial, Zigeunerschnitzel, Pastetli mit Brätkügeli und Konsorten. Und zum Dessert einen Bananen-Split! Oder eine Coupe Heisse Liebe (oder wie das Ding mit der Beeren-Sauce hiess). Die orangen Tischtücher könnten man auch wieder hervorkramen und coole 1970er-Design-Möbel gibt es in jedem Hipster-Café eh genügend.