US-Präsident Donald Trump hat seinem «Zollhammer» einen leichten Dämpfer versetzt. Am Dienstag unterzeichnete er an Bord der Air Force One zwei Dekrete, mit denen er die Zölle für Autohersteller aufweicht. Konkret muss neben dem Zoll von 25 Prozent auf importierte Autos nicht zusätzlich der gleich hohe Tarif für Stahl und Aluminium bezahlt werden.
Ausserdem sollen US-Autobauer während zwei Jahren einen Abschlag auf eingeführte Bauteile erhalten, was ihnen den Umstieg auf einheimische Produkte erleichtern soll. An seinem 100-Tage-Rally im Autostaat Michigan gab Trump im wahrsten Sinne den Tarif durch: «Wir geben ihnen etwas Zeit, bevor wir sie abschlachten, wenn sie es nicht tun.»
Die martialische Sprache zeigt, wie entschlossen der Präsident ist, die Herstellung von Autos vollständig in den USA stattfinden zu lassen, bis buchstäblich zur letzten Schraube. Die drei grossen Hersteller General Motors, Ford und Stellantis zeigten sich am Dienstag dankbar, äusserten aber auch die Hoffnung auf weitere Zugeständnisse.
Denn Donald Trumps Obsession mit einer rein amerikanischen Autoherstellung steht in komplettem Gegensatz zur Realität: Kaum eine Branche ist so stark auf Arbeitsteilung und Lieferketten angewiesen. Selbst Tesla bezieht rund 20 Prozent der verwendeten Komponenten aus China oder Mexiko, weshalb Elon Musks Trumps Zollpolitik kritisiert.
Analysten in den USA meinen, die Zugeständnisse würden den Herstellern bestenfalls eine Atempause verschaffen. Und die eigentlichen Importzölle bleiben in Kraft. «Sie werden die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen um Tausende Dollar ansteigen lassen, ebenso die Kosten für Reparaturen und Versicherungsprämien», schreibt die «New York Times».
Es sind schlechte Nachrichten für amerikanische Konsumenten. General Motors weigerte sich am Dienstag, eine Gewinnprognose zu veröffentlichen. Das wäre «Spekulation», sagte Finanzchef Paul Jacobson an einem Mediengespräch. Es reflektiert die durch Trumps Handelskrieg ausgelöste Unsicherheit, die die Finanzmärkte erschüttert.
Wie schwierig die Rückholung der Produktion in die USA ist, zeigt das Beispiel des deutschen Autozulieferers Fehrer, der ein Werk im Staat South Carolina betreibt. Denn selbst der Zulieferer ist auf Bauteile anderer Firmen angewiesen, sagte Nordamerika-Chef Albert Gray im Interview mit dem «Spiegel». Das sei «ein irre grosses Problem».
Ein erheblicher Teil der Komponenten komme aus China, sagte Gray: «145 Prozent Zoll auf Importe aus China, das ist unfassbar.» Auf Lieferanten aus den USA könne man nicht ausweichen, die gebe es nicht. Hinzu komme der Mangel an Arbeitskräften: «Wo sollen denn die Leute für die Reindustrialisierung herkommen, über die unser Präsident redet?»
Es ist ein Hauptgrund, warum auch Schweizer Firmen zögern, in den USA zu produzieren. Denn der Personalmangel führt zu höheren Löhnen und weniger Wettbewerbsfähigkeit. Fehrer-Chef Albert Gray verwies auf den Traum, in der einstigen Textil-Hochburg South Carolina wieder Blue Jeans zu nähen: «Aber wer soll 300 oder 400 Dollar für eine Hose zahlen? Das wird niemals funktionieren.»
Die Trump-Regierung jedoch verschliesst sich selbst solchen Zusammenhängen. «Donald Trump und seine Regierung werden die einheimische Autoherstellung zurückbringen», sagte Handelsminister Howard Lutnick am Dienstag. Amerikas Konsumenten sind weniger euphorisch. Ihre Kauflaune ist auf den tiefsten Wert seit der Corona-Pandemie abgesackt.
Und es dürfte noch schlimmer kommen. So nimmt der Handel zwischen den USA und China aufgrund der drakonischen Zölle bereits ab, schreibt der «Economist», basierend auf einer Auswertung des Frachtverkehrs über den Pazifik. Die Prognose des Magazins ist düster: «Amerika könnte nur Wochen entfernt sein von einem heftigen Wirtschaftsschock.»
Ähnliche Warnungen äusserten die Chefs von drei der grössten Detailhändler der USA – Walmart, Target und Home Depot – letzte Woche bei einem Treffen mit Donald Trump im Weissen Haus. Trumps Handels- und Zollpolitik könne zu gestörten Lieferketten, höheren Preisen und leeren Regalen führen, erklärten sie gemäss einem Bericht von Axios.
Walmart-CEO Doug McMillon, der sich mit Trump gut versteht, sagte dem Präsidenten gemäss CNN in aller Offenheit, dass der Handelskrieg mit China, wie vom «Economist» ermittelt, schon jetzt die Lieferketten beeinträchtige. Bis in den Sommer werde sich das Problem intensivieren. Das dürfte die Ängste vor einer Rezession anheizen.
Selbst republikanische Senatoren werden nervös. Sie waren in den letzten zwei Wochen in ihren Heimatstaaten und bekamen dort von Farmern und Unternehmern einiges zu hören. Trumps Handelsdelegierter Jamieson Greer versuchte laut «Politico», sie bei einem Lunch im Kapitol zu beruhigen. In den nächsten Wochen werde es Handelsabkommen geben, sagte er.
Die Gespräche mit anderen Staaten wie der Schweiz haben jedoch erst begonnen, und viele wissen noch immer nicht, was die Amerikaner genau wollen: «Sie verlangen eine unvereinbare Zahl an unterschiedlichen Dingen», sagte ein EU-Diplomat gegenüber «Politico». Er rät zu strategischer Geduld: «Wir sollten nichts vorantreiben und sie schmoren lassen.»
Dies zeigt die Kehrseite von Donald Trumps «Befreiungstag»: Faktisch hat er sich und sein Land mit dem Handelskrieg «gefesselt». Der Präsident aber wähnt sich auf Kurs. In Michigan versprach er seinen Anhängern einmal mehr ein «goldenes Zeitalter» mit niedrigen Preisen, höheren Löhnen und der «besten Wirtschaft in der Weltgeschichte».
Dumm nur, dass eine Mehrheit der Amerikaner seinen Optimismus nicht teilen will.