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EM 2024: Spanien- und England-Stars im Vergleich – die Analyse zum Final

Uns erwartet ein hoch spannender EM-Final: Spanien um Dani Olmo und Rodri trifft auf England mit Harry Kane und Jude Bellingham (v. l.).
Uns erwartet ein hoch spannender EM-Final: Spanien um Dani Olmo und Rodri trifft auf England mit Harry Kane und Jude Bellingham (v. l.).Bild: imago / shutterstock / watson
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Spanien oder England? Die Stars der beiden EM-Finalisten im Vergleich

Ein Spiel steht an der EM noch aus: Im Final vom Sonntagabend (21 Uhr) spielen Spanien und England um den Titel. Zuvor werfen wir einen Blick auf die beiden Teams und vergleichen die einzelnen Positionsgruppen. Eine Analyse.
13.07.2024, 11:1513.07.2024, 15:46
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50 Spiele wurden an der Europameisterschaft in Deutschland bisher absolviert, eins steht noch aus. Im Berliner Olympiastadion spielen Spanien und England am Sonntagabend (21 Uhr) um den Titel. Aufgrund der bisherigen Leistungen gilt die Furia Roja als leichter Favorit, das geringfügig bessere Kader haben auf dem Papier eigentlich die Three Lions. Spannung verspricht die Partie somit allemal. Vor dem grossen Final vergleichen wir die beiden Kontrahenten.

Tor

Sowohl Unai Simon als auch Jordan Pickford mussten bisher selten hinter sich greifen. Der Spanier kassierte nur drei Gegentore – wurde im letzten Gruppenspiel aber geschont –, bei Pickford war es bisher eins mehr. Was die Einsatzzeit angeht, sind die beiden Final-Goalies ziemlich gleichauf. Auffällig ist jedoch, dass Simon gemäss dem Expected-Goals-Wert von fbref.com eigentlich 5,4 Treffer hätte kassieren sollen, Pickford nur 3,6. Simon verhinderte bisher also 2,4 Gegentore mehr, als gemäss der Schüsse auf sein Tor zu erwarten gewesen wäre, während Pickford ziemlich genau im Erwartungswert liegt.

epa11469316 Goalkeeper Unai Simon of Spain celebrates winning the UEFA EURO 2024 semi-finals soccer match between Spain and France in Munich, Germany, 09 July 2024. EPA/ANNA SZILAGYI
Zeigte bisher starke Leistungen: Unai Simon.Bild: keystone

In der vergangenen Saison im Klub zeigte der 30-Jährige in dieser Hinsicht eine bessere Leistung. Bei Everton verhinderte er demnach über vier Gegentore und befindet sich damit unter den besten 20 Goalies in den Top-5-Ligen. Jedoch übertrifft ihn Simon auch hier. Der 27-jährige Bilbao-Goalie kassierte gar neun Gegentore weniger, als gemäss Expected Goals zu erwarten gewesen wäre. Und weil beide in der Vergangenheit für Unsicherheiten gut waren, kann Pickford auch hier keinen Vorteil herausziehen. Der Punkt geht an die Spanier.

1:0 für Spanien

Innenverteidigung

Aufgrund der Systemunterschiede zwischen Spanien und England gilt es hier, zwei mit drei Spielern zu vergleichen. Während das Team von Luis de la Fuente nämlich auf eine Viererkette und somit zwei Innenverteidiger setzt, stellt Gareth Southgate seit dem Viertelfinal gegen die Schweiz eine Formation mit Dreierkette auf. Bei den Spaniern ist davon auszugehen, dass Robin Le Normand nach seiner Sperre in die Startformation zurückkehrt und neben Aymeric Laporte spielt, während England wohl erneut auf das Trio aus Kyle Walker, John Stones und Marc Guéhi setzt. Alternativ könnten die Iberer erneut auf Nacho Fernandez setzen.

Doch egal in welcher Konstellation, diesen Punkt kann man schnell abhaken: Die englischen Innenverteidiger übertrumpfen die spanischen eigentlich in allen Belangen. Stones, Walker und Guéhi gehören zu den fünf Spielern mit den meisten angekommenen Pässen an dieser EM, auch in Sachen eroberte Bälle brillieren die Engländer. Walkers Schnelligkeit, Stones' Stärke in der Spieleröffnung und Guéhis Zweikampfstärke ergänzen sich zudem hervorragend. Die Spanier verfügen mit Laporte zwar ebenfalls über einen erfahrenen Innenverteidiger und auch Le Normand liess sein grosses Potenzial schon aufblitzen, doch dieser Punkt geht an die Three Lions, die auch weniger Chancen zuliessen.

Kyle Walker John Stones Marc Guéhi Guehi
Ergänzen sich hervorragend: Kyle Walker, John Stones und Marc Guéhi (v. l.).Bild: imago / watson

England gleicht zum 1:1 aus

Aussenverteidigung

Weil England auf eine Dreierkette setzt, hat es in der Formation keine Aussenverteidiger im klassischen Sinne, doch haben Bukayo Saka auf der rechten und Kieran Trippier auf der linken Seite ähnliche Aufgaben wie Marc Cucurella und Dani Carvajal, der nach seiner Sperre zurückkehren wird, bei den Spaniern. Southgate könnte auch auf Luke Shaw setzen, dieser kam nach seiner langen Verletzungspause gegen die Schweiz und die Niederlande zuletzt zweimal als Joker zum Einsatz.

Doch auch hier braucht es keine langen Abwägungen. Cucurella ist einer der besten Spieler an dieser EM: Der Chelsea-Verteidiger erobert Bälle, setzt die Gegenspieler auch im Angriffsdrittel unter Druck und gewinnt die meisten seiner Zweikämpfe – und das alles, während er sich auch offensiv stark mit einbringt. Auf der rechten Seite kann Spanien in Carvajal auf einen Kämpfer vor dem Herrn bauen, der aufgrund seiner vielen Jahre bei Real Madrid auch genau weiss, was es in Finals braucht.

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Spielt eine sehr gute EM: Marc Cucurella.Bild: www.imago-images.de

Zwar spielt auch Bukayo Saka vor allem in der K.-o.-Phase eine gute EM und kommt selbst auf der für ihn eher ungewohnten Position auf der rechten Aussenbahn – normalerweise ist der Arsenal-Star ein Flügelspieler – sehr gut zurecht, doch kann er defensiv selbstverständlich nicht mit dem spanischen Duo mithalten. Ausserdem konnte Trippier auf der linken Seite noch nicht an seine Leistungen bei Newcastle, wo der Standard-Spezialist als Rechtsverteidiger gesetzt ist, anknüpfen. Spanien geht wieder in Führung.

2:1 für Spanien

Zentrales Mittelfeld

Ist dies das versteckte Prunkstück des spanischen Teams? Hinter der grandiosen Offensive um die Flügelzange Williams/Yamal und Dani Olmo gehen Fabian Ruiz und Rodri fast etwas unter. Doch die beiden sind wohl einer der Hauptgründe für den spanischen Erfolg. Rodri gilt als bester Sechser der Welt, auch an der EM stellt er seine Dominanz mit Balleroberungen, einer starken Passquote sowie wichtigen Zuspielen unter Beweis. Im Achtelfinal gegen Georgien zeigte er mit seinem Tor zudem die in den letzten beiden Jahren bei Manchester City entdeckte Offensivgefahr.

Noch stärker ausgeprägt ist diese bei Fabian Ruiz, der bereits auf je zwei Treffer und Assists kommt. Der passstarke Mittelfeldspieler von PSG profiliert sich defensiv nicht ganz so wie der 28-jährige Rodri, doch ergänzen sich die beiden dadurch perfekt. Dank dieses Duos kontrollierte Spanien das Zentrum an der laufenden EM in bisher jedem Spiel.

Rodri Declan Rice
Die zwei möglicherweise besten Spieler auf ihrer Position: Rodri und Declan Rice (r.).Bild: imago / watson

Im Final wird das jedoch gar nicht so einfach. Declan Rice ist nämlich die englische Antwort auf Rodri. An der EM kommt der 25-Jährige auf die Spielzeit gerechnet auf fast genauso viele angekommene Pässe und Ballkontakte wie der Man-City-Star und übertrumpft diesen gar in Sachen abgefangene Pässe und eroberte Bälle. Den Platz neben ihm hat sich Kobbie Mainoo erkämpft. Der 19-jährige Man-United-Profi verdiente sich diesen mit guten Leistungen – und auch weil weder Trent Alexander-Arnold noch Conor Gallagher überzeugen konnten. Insgesamt können Rice und Mainoo aber nicht ganz mit Rodri und Ruiz mithalten.

3:1 für Spanien

Flügel/Offensives Mittelfeld

Wie bei der Innenverteidigung müssen auch hier drei Spieler auf der einen mit zwei Akteuren auf der anderen Seite verglichen werden. Da Phil Foden und Jude Bellingham bei England aber weder als echte Flügel noch als reine Zehner eingesetzt werden, macht der Vergleich mit Spaniens Flügelzange aus Lamine Yamal und Nico Williams sowie dem offensiven Mittelfeldspieler Dani Olmo durchaus Sinn.

Zu den Spaniern muss gesagt werden, dass sich alle drei in grandioser Form befinden. Leipzig-Star Olmo war mit einem Tor und einem Assist der Matchwinner im Viertelfinal gegen Deutschland, auch im Halbfinal gegen Frankreich traf er, mit drei Toren und zwei Assists führt er die Skorerliste an der EM an. Barça-Youngster Yamal wurde in der letzten Partie unter anderem aufgrund seines Traumtors als «Player of the Match» ausgezeichnet, nachdem er zuvor bereits mit drei Assists geglänzt hatte. Bilbao-Profi Williams kommt zwar «erst» auf je ein Tor und einen Assist, doch begeistert er mit seiner Schnelligkeit und Stärke in Dribblings ebenfalls.

Spain's Dani Olmo celebrates after scoring his side's second goal during a semifinal match between Spain and France at the Euro 2024 soccer tournament in Munich, Germany, Tuesday, July 9, 20 ...
War an der EM bereits an fünf Toren beteiligt: Dani Olmo.Bild: keystone

Auf der anderen Seite stehen mit Bellingham (Real Madrid) und Foden (Manchester City) der jeweils beste Spieler der abgelaufenen Saison in der spanischen La Liga und der englischen Premier League. Ihre Qualität ist unbestritten, beide zählen zu den besten Fussballern der Welt. Wie eigentlich alle im englischen Team konnten sie das an der EM aber nur bedingt unter Beweis stellen. Während Bellingham mit zwei wichtigen Toren immerhin einige Glanzmomente hatte, blieben diese bei Foden rar. Im letzten Spiel gegen die Niederlande zeigte aber auch der 24-Jährige eine deutliche Steigerung, sein erster Treffer an diesem Turnier wurde nur durch Denzel Dumfries' Rettungstat auf der Linie verhindert.

Gemäss der bisherigen Leistungen am laufenden Turnier müsste der Punkt an Spanien gehen, doch die vorhandene Qualität ist bei den Engländern riesig. Foden kann sich noch weiter steigern, und Bellingham hat bereits zur Genüge bewiesen, dass er der Mann für die grossen Momente ist. Unentschieden.

4:2 für Spanien

Sturm

Es ist nicht ganz einfach, die beiden Stürmer miteinander zu vergleichen, da sich ihre Rollen stark unterscheiden. Alvaro Morata fungiert bei Spanien anders als Harry Kane bei England nicht als primärer Goalgetter. Obwohl Kane vor allem bei Bayern München und zuvor auch bei Tottenham stark in den Spielaufbau eingebunden ist – und sich auch an der EM ab und zu zurückfallen lässt –, ist Morata am laufenden Turnier häufiger am Ball und spielt auch mehr Pässe. Morata schafft Räume für die schnellen Flügelflitzer und rackert sich fürs Team ab. So ähnlich wie es Olivier Giroud an der WM 2018 für Frankreich getan hat. Der Stürmer kam damals auf null Tore, wurde von Trainer Didier Deschamps und auch seinen Mitspielern aber als wichtige Stütze gelobt.

Dennoch werden Stürmer am Ende an Toren gemessen, und da kommt Kane bisher auf drei, Morata nur auf eins. Wobei der Engländer einmal per Penalty traf. Dennoch ist der Vorteil in der Spitze bei den Three Lions. Obwohl er es an der EM noch nicht vollständig beweisen konnte, ist Harry Kane einer der allerbesten Stürmer der Welt; Morata ist hingegen ein guter, aber kein überragender Angreifer.

England's Harry Kane celebrates after winning a semifinal match between the Netherlands and England at the Euro 2024 soccer tournament in Dortmund, Germany, Wednesday, July 10, 2024. (AP Photo/Fr ...
Harry Kane steht mit England zum zweiten Mal in Serie im EM-Final.Bild: keystone

4:3 für Spanien

Fazit

Vergleicht man die einzelnen Positionsgruppen, kommt man auf dasselbe Resultat wie die Buchmacher: Uns erwartet eine hoch spannende Ansetzung, wie sie dem Anlass würdig ist. Die beiden EM-Finalisten sind fast in allen Bereichen Weltklasse und ziemlich auf Augenhöhe, insgesamt lässt sich aber ein leichter Vorteil auf spanischer Seite erkennen.

Wer gewinnt den EM-Final?

Doch um eine viel bemühte Metapher zu verwenden: Im Fussball entscheiden auch Kleinigkeiten. Der Ausgang des Spiels wird auch von der Tagesform abhängig sein, auch die Trainer Luis de la Fuente und Gareth Southgate werden einen Einfluss haben. Auch hier hat Spanien nach den bisherigen Auftritten gefühlt einen kleinen Vorteil. Spanien gilt also zu Recht als Favorit, doch ob die Furia Roja am Sonntagabend gegen Mitternacht tatsächlich die Trophäe entgegennehmen kann, entscheidet sich ja glücklicherweise auf dem Platz.

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11 Kommentare
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Bei Ajoie ist wenigstens klar, wie gross und wie schwer der neue Trainer sein sollte …
Braucht Ajoies Cheftrainer Christian Wohlwend eine neue, schöne, warme und massgeschneiderte Winterjacke? Diese Frage ist beim punktelosen Schlusslicht aus einem ganz besonderen Grund nicht spöttisch gemeint.

Was der Grund dafür auch immer sein mag, die Idee ist eine gute. Einer von Ajoies Werbepartnern (QoQa) hat beschlossen, das Coaching-Team mit einer neuen, besonders modischen, warmen und massgeschneiderten Winterjacke zu beschenken. Kürzlich sind die Masse genommen worden, damit die erlesenen Kleidungsstücke auch passen. Christian Wohlwend hat in der schwierigen Lage den Humor nicht verloren:

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