Wenn die spanische Nationalmannschaft am Sonntag im Finale auf England trifft, ist es durchaus möglich, dass rund 1000 Kilometer entfernt ebenfalls ein Spanier um einen Sieg kämpft. Zwischen Carlos Alcaraz und dem Wimbledon-Final steht (nur) noch die Weltnummer 5 Daniil Medwedew (heute, ab 14.30 Uhr). Falls der 21-Jährige die letzte Hürde meistert, hat Spanien die Möglichkeit auf ein «Wimbledon-EM-Double».
Es wäre nicht das erste Mal, dass Spanien im selben Jahr im Fussball und im Tennis gross aufspielt. 2008 schoss Fernando Torres Spanien gegen Deutschland im EM-Final zum Triumph. Nur eine Woche später holte sich Rafael Nadal in einem Finalkrimi gegen Roger Federer seinen ersten von zwei Wimbledon-Siegen.
Für Nadal war es die perfekte Revanche, nachdem er gegen Federer zuvor zwei Jahre in Folge im Final verloren hatte. Und für die spanische Nationalmannschaft war der erste Titel seit 44 Jahren ein Befreiungsschlag und der Anfang einer grossen Ära. Nur zwei Jahre später wiederholte sich die Geschichte: Spanien holte den WM-Titel, Nadal besiegte im Wimbledon-Final Tomas Berdych.
Als Spanien am vergangenen Freitag gegen Deutschland um den Einzug in den Halbfinal kämpfte, schaute auch Carlos Alcaraz zu. Der Fussball-Fan hatte in Wimbledon gerade erst Frances Tiafoe in fünf Sätzen niedergerungen und gönnte seinen geschundenen Muskeln ein Eisbad. Nebenbei schaute er sich das Spiel an. «Ich konnte Spanien nicht verpassen», sagte er später zu einem Reporter.
🔴🇪🇸 Communiqué du Real Madrid après la victoire d'Alcaraz à Wimbledon :
— Real France (@realfrance_fr) July 16, 2023
"Félicitations pour continuer à maintenir ta position de n°1 du tennis mondial. Tu es une source de fierté pour le sport espagnol et pour tous les supporters du Real Madrid. Félicitations pour ta… pic.twitter.com/HwuyEdk6CP
Mit seinem guten Freund, Spanien-Captain Alvaro Morata, stehe er auch während dem Turnier in Kontakt: «Heute Morgen habe ich Alvaro angerufen, um ihm Glück zu wünschen. Das habe ich schon vor dem ersten Spiel gemacht und es hat genützt, deshalb rufe ich jetzt an jedem Spieltag an», erklärte er. Auch mit anderen spanischen Fussballern verbindet ihn eine Freundschaft: Auch Pedri und Ferran Torres kennt er persönlich und mit Madrids Urgestein Lucas Vazquez und Tottenham Hotspurs Linksverteidiger Sergio Reguilon reiste er letztes Jahr nach Ibiza.
Wie sehr sich der Spanier für das Schicksal seiner Landsleute an der Europameisterschaft in Deutschland interessiert, zeigte auch die Medienkonferenz nach dem Sieg gegen Tommy Paul am Dienstag. Nahm Alcaraz bei den Journalisten, die auf den Laptops nebenbei noch die Partie zwischen Spanien und Frankreich schauten, eine Gefühlsregung wahr, erkundigte er sich nach dem Geschehen: «Ich muss gestehen, dass ich im letzten Satz, als ich das Gefühl hatte, dass ich die Oberhand habe, schneller fertig werden wollte, damit ich noch Fussball schauen kann», meinte der dreifache Grand-Slam-Sieger.
Und die Liebe scheint gegenseitig zu sein. Bevor Spanien am Dienstag auf Frankreich traf, soll der spanische Captain Alvaro Morata das Spiel zwischen Carlos Alcaraz und Tommy Paul geschaut und Alcaraz anschliessend Fotos davon geschickt haben. Und auch an den French Open waren Spieler der spanischen Nationalmannschaft im Stadion präsent, als Alcaraz seinen ersten Grand-Slam-Titel auf Rasen holte.
Neben dem Nationalteam ist Alcaraz, der aus Murcia stammt, auch ein Fan von Real Madrid, obschon viele seiner Familienmitglieder den Rivalen Barcelona unterstützen. Dass sein Lieblingsspieler Jude Bellingham ist, wurde spätestens klar, als er in Wimbledon in der dritten Runde Tiafoe besiegte und die Jubelgeste des Real-Stars mit den ausgebreiteten Armen imitierte: «In diesem Moment überkam es mich einfach, wir sind schliesslich in London», sagte er später dazu.
Wenn Spanien im EM-Final am Sonntag (21 Uhr) auf England trifft, wird Alcaraz trotz seiner Sympathie für Jude Bellingham für Spanien jubeln. Das Wimbledon-Finale am Sonntag beginnt kurz nach 13 Uhr, der EM-Final um 21 Uhr. Je nach Spieldauer dürfte es für Alcaraz also knapp werden, um sich das Spiel in aller Ruhe anzuschauen. Aus spanischer Sicht bleibt zu hoffen, dass Alcaraz auch im Falle eines Finaleinzugs Zeit findet, Alvaro Morata anzurufen. Das hat anscheinend Glück gebracht. (kat)