Sport
Analyse

Warum Xherdan Shaqiri auch bei Lyon nur noch auf der Bank sitzt

Xherdan Shaqiri trägt öfters den Überzieher, als ihm lieb ist.
Xherdan Shaqiri trägt öfters den Überzieher, als ihm lieb ist. bild: imago
Analyse

Warum Xherdan Shaqiri auch bei Lyon nur noch auf der Bank sitzt

Xherdan Shaqiri wechselte im Sommer für 6 Millionen Euro von Liverpool zu Lyon und wurde dort als neuer Hoffnungsträger vorgestellt. Doch der Schweizer Natispieler ist derzeit kein Leistungsträger, sondern Bankdrücker.
23.12.2021, 11:4823.12.2021, 12:43
Mehr «Sport»

Olympique Lyon kam gestern Abend zu Hause gegen Abstiegskandidat Metz nur zu einem enttäuschenden 1:1. Es war das vierte Spiel in Serie ohne Sieg, Lyon liegt in der Ligue 1 mit mageren 24 Punkten aus 18 Spielen bloss auf Rang 13.

Dabei war Lyon mit grossen Ambitionen in die Saison gestartet. Unter anderem dank des Königstransfers des Sommers: Xherdan Shaqiri. Präsident Jean-Michel Aulas sprach bei der Vorstellung des Schweizer Nationalspielers von einer «gewichtigen Investition für die kommenden Jahre».

Nun, diese Investition hat sich bisher nicht gelohnt. Gegen Metz sass Shaqiri 90 Minuten auf der Ersatzbank. Es ist die Regel, nicht die Ausnahme. Seit Anfang November kam Shaqiri in der Liga bei sieben möglichen auf genau einen einzigen Einsatz, er spielte 66 Minuten. In der Europa League durfte Shaqiri immerhin in fünf von sechs Spielen ran, blieb dabei allerdings ohne Skorerpunkt.

Die Krux mit dem Ausbildungsverein

Lyon-Trainer Peter Bosz hat auf die vielen enttäuschenden Resultate reagiert und seine Formation kürzlich von einem 4-2-3-1 auf ein 3-4-2-1 angepasst. Ein Systemwechsel, eigentlich prädestiniert für einen offensiven Freigeist wie Xherdan Shaqiri, der lieber im offensiven Mittelfeld als auf Rechtsaussen spielt. Im 3-4-2-1 gäbe es nämlich gleich zwei dieser offensiven Mittelfeldpositionen, die Shaqiri einnehmen könnte. Könnte. Denn die Konkurrenz bei Lyon ist gross.

Houssem Aouar (links) und Lucas Paqueta (Mitte) sind in der Rangordnung vor Shaqiri.
Houssem Aouar (links) und Lucas Paqueta (Mitte) sind in der Rangordnung vor Shaqiri.bild: imago

Im offensiven Mittelfeld ist Houssem Aouar gesetzt. Der französische Nationalspieler spielt seit seinem 11. Lebensjahr bei Lyon, hatte schon mehrere Angebote von Topteams, hielt dem Verein aber immer die Treue. Er ist bei Lyon unantastbar.

Dann ist da auch der Brasilianer Lucas Paqueta. Er ist hoch veranlagt und kann offensiv jede Position einnehmen. So steht er Shaqiri sowohl als Rechtsaussen als auch im offensiven Mittelfeld vor der Sonne. Offensiv ebenfalls ambivalent einsetzbar ist Rayan Cherki. Der erst 18-jährige Franzose gilt als eines der grössten Talente des Weltfussballs, kommt vorerst aber meist zu Teileinsätzen.

In der Rangordnung stand dieser Rayan Cherki zuletzt dennoch vor Xherdan Shaqiri. Das hat auch mit dem Standing von Lyon zu tun. Die Südfranzosen sind ein Ausbildungsverein, was bedeutet, dass sie sich zu einem grossen Teil auch durch Transfererlöse finanzieren.

Dies wiederum erhöht den Druck auf Trainer Peter Bosz, vermehrt junge Spieler einzusetzen, um ihnen eine Plattform zu bieten und deren Marktwert zu steigern. Dazu zählen Spieler wie Paqueta (24 Jahre), Aouar (23) und Cherki (18). Nicht aber der 30-jährige Xherdan Shaqiri. Im Zweifelsfalle setzt Bosz also lieber auf einen der Jüngeren statt auf den erfahreneren Shaqiri.

Die Lyon-Spieler im offensiven Mittelfeld
Houssem Aouar
22 Spiele, 1730 Einsatzminuten, 5 Tore, 2 Assists
Lucas Paqueta
21 Spiele, 1420 Einsatzminuten, 7 Tore, 4 Assists
Rayan Cherki
16 Spiele, 565 Einsatzminuten, 2 Tore, 3 Assists
Xherdan Shaqiri
13 Spiele, 871 Einsatzminuten, 1 Tor, 2 Assists
quelle: transfermarkt.ch

Hauptgrund für die Aussenseiter-Rolle von Shaqiri ist jedoch seine bisherige Leistung. Bloss drei Skorerpunkte hat er in Lyon in seinen 13 Einsätzen gesammelt und er wirkte dabei oft als Fremdkörper. Das liegt auch daran, dass der Schweizer meist als Rechtsaussen eingesetzt wurde. Erst ein Ligaspiel durfte Shaqiri auf seiner bevorzugten Position im offensiven Mittelfeld absolvieren – beim 2:2 gegen Bordeaux gab er dann auch einen Assist.

«Er spielt besser in der Achse – und da haben wir Houssem Aouar und Lucas Paqueta. Darum hat er meist über rechts gespielt. Wir haben mehrere Spieler mit den gleichen Qualitäten.»
Peter Bosz über Xherdan Shaqiri

Dennoch weht Shaqiri ein eisiger Wind entgegen. In der französischen Gazetten bekam er regelmässig schlechte Bewertungen. Die französische Sportzeitung «L'Equipe» hielt zum Beispiel fest, dass Shaqiri als Rechtsaussen Mühe habe, sich ins Lyon-Spiel zu integrieren und dass die schlechten Leistungen sich häuften. Auch Trainer Bosz hat schon betont, dass er mehr erwarte: «Es ist klar, dass er es besser kann», sagte der Holländer anfangs November.

Dass er es tatsächlich besser kann, bewies Shaqiri nicht zuletzt in der Nationalmannschaft. Beim wichtigen 4:0 am 15. November gegen Bulgarien, welches die WM-Qualifikation sicherte, zeigte sich Shaqiri spielfreudig wie eh und je, spielte etliche Traumpässe und beendete die Partie schliesslich mit zwei Assists.

Bei Lyon ist jetzt erst einmal Winterpause. Am 9. Januar geht es mit dem Hammer-Spiel gegen Liga-Krösus Paris Saint-Germain weiter. Bis dahin hat Shaqiri Zeit, sich ins Team zu kämpfen. Etwas, dass er im Sommer nicht konnte. Der Schweizer wechselte erst Ende August von Liverpool nach Lyon – er verpasste damit die ganze Vorbereitung, was auch ein Grund für seine Startschwierigkeiten ist.

«Er hat die Vorbereitung nicht mit uns gemacht. Aber er ist ein intelligenter Spieler mit einer aussergewöhnlichen Technik, auch auf engstem Raum. Ich bin mir sicher, dass er sich entwickeln und verbessern wird»
Peter Bosz über Shaqiri

Schliesslich wechselte Shaqiri von Liverpool zu Lyon, um endlich mal wieder eine wichtige Rolle einzunehmen und mehr Spielzeit zu erhalten.

Switzerland's head coach Murat Yakin celebrates the victory with Switzerland's midfielder Xherdan Shaqiri during the 2022 FIFA World Cup European Qualifying Group C match between Switzerland ...
Murat Yakin braucht für die Nati einen Shaqiri in Topform.Bild: keystone

Gelingt ihm das nicht, könnte das auch für die Nationalmannschaft Folgen haben. Murat Yakin betonte schon mehrfach, dass er «Fan vom Leistungsprinzip» sei. Dazu zählt auch regelmässige Spielpraxis im Verein.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Rekordspieler der Schweizer Nati
1 / 28
Die Rekordspieler der Schweizer Nati
1905 trug die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft ihr erstes Spiel aus. Diese Akteure liefen 75 Mal oder öfter für die Schweiz auf. [Stand: 8. Januar 2025]
quelle: keystone / laurent gillieron
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Shaqiri wird UCK-Jacke übergestreift
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
53 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Zanzibar
23.12.2021 12:21registriert Dezember 2015
Shaqiri muss man streicheln dmit er seine Leistung abrufen kann.
Das Gegenteil davon ist Xhaka. Den muss man provozieren damit er das Maximum erreicht.
1624
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rundlauf
23.12.2021 16:11registriert Februar 2020
"sich entwickeln" - Shaqiri ist 30 lol. Wenn du mit 30 auf der Bank sitzt wird sich nicht mehr viel entwickeln.
661
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ukrainaboy
23.12.2021 11:53registriert Dezember 2021
Weil er schlecht spielt?
9740
Melden
Zum Kommentar
53
    Gut gebrüllt: «Niemand schlägt Vitas Gerulaitis ­17 Mal hintereinander!»
    12. Januar 1980: Vitas Gerulaitis schafft das, was er zuvor nie schaffte: Er bezwingt Jimmy Connors. Warum es im 17. Mal endlich klappte, ist für den Tennis-Playboy so einfach wie logisch. Und seine Erklärung bleibt ein Satz für die Ewigkeit.

    Vitas Gerulaitis ist vielen watson-Usern vielleicht kein Begriff. Darum hier eine Kurzbiografie: Geboren am 26. Juli 1954 in Brooklyn, New York als Sohn litauischer Einwanderer. Er bezeichnet sich «durch und durch» als Amerikaner.

    Zur Story