Gerade noch erlebt Christian Fassnacht die schönen Seiten eines Sportlers. Erfolge, Emotionen, das pure Glück. Vierter Meistertitel in Serie mit YB. EM-Viertelfinal mit der Nati. Champions League mit YB. Doch plötzlich ist alles anders.
Der fatale Unfall passiert am 6. November. YB ist bei GC zu Gast. Wenige Minuten sind erst gespielt, als GC-Verteidiger Toti Gomes zu spät kommt und Fassnacht mit dem Kopf seitlich trifft. Es ist ein heftiger Zusammenprall. «Ich merkte sofort: etwas stimmt nicht. Wobei ich den Schädelbruch zuerst nicht einmal bemerkt habe. Aber es fühlte sich an, als wäre das rechte Ohr voll mit Staub. Ich hörte auf dieser Seite nichts mehr.»
Fassnacht wird in den Notfall des Universitätsspitals Zürich gebracht. Der Arzt fragt bei der Besprechung der Röntgenbilder:
Fassnacht hat die Prise Humor gut getan, es zeigt ihm, dass der Worstcase glücklicherweise nicht eintrat. «Trotzdem haben mir die Bilder einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Wenn der Knochen nur ein bisschen mehr eingedrückt gewesen wäre und die Arterie dahinter getroffen hätte, wäre es um mein Leben gegangen.»
Das bedeutet: Fassnacht ist zur absoluten Ruhe gezwungen. Zwei Nächte verbringt er im Spital. Danach ist er zu Hause fast drei Wochen zum Nichtstun verdammt. Im rechten Ohr begleitet ihn ein konstantes Rauschen, schon das kleinste Geräusch verursacht Schmerzen.
Fast sechs Wochen sind seit dem Unfall vergangen, als Fassnacht an einem Morgen im Stadion Wankdorf noch einmal zurückblickt. Mittlerweile hat er sein Lachen und die Zuversicht wieder gefunden. Doch es hat gedauert, bis es soweit war.
Und schliesslich fügt Fassnacht an: «Wenn jemand von einem Burnout oder Depressionen erzählte, dachte ich immer: ‹Ja aber, das geht doch schon irgendwie, das kann man doch selbst lenken – versuch doch, das Positive zu sehen.› Nun erkannte ich: Wenn einen so etwas bedrückt, hast du keine Chance, allein dagegen zu steuern.»
Es sind Worte, die einen zum Nachdenken bringen. Dass Fassnacht wohl bleibende Schäden erlitten hat, sagten ihm die Ärzte von Anfang an. Das gebrochene Schläfenbein ist mittlerweile wie erwartet wieder zusammengewachsen. Doch das Hörvermögen im rechten Ohr wird wohl nie mehr ganz so gut sein wie zuvor. «Es geht mir aber grundsätzlich gut damit. Es hat sich stark verbessert, ich konnte mich daran gewöhnen und auch damit abfinden.»
Es ist eine andere Frage, die den 28-Jährigen umtreibt: «Werde ich als Fussballer je wieder die Leistungen abrufen können wie vor der Verletzung? Lässt es der Körper zu? Wenn 22 Fussballer auf dem Platz stehen und – Corona einmal ausgenommen – vielleicht 30'000 Zuschauer Lärm machen im Stadion? Ich bin optimistisch, aber eine Bestätigung habe ich noch nicht.»
Seit Dezember trainiert Fassnacht wieder. Allerdings absolvierte er ein Sonderprogramm, der Körper funktioniert einwandfrei, aber Zweikämpfe und Kopfbälle sind noch verboten. Sein Ziel ist es, nach den Ferien zum Trainingsstart vor der Rückrunde am 3. Januar wieder ins Mannschaftstraining einsteigen zu können.
Bei allem Unglück, Fassnacht hat die Pause in den letzten Wochen doch auch gut getan. «Ab dem Moment, in dem ich merkte, es geht wieder bergauf, konnte ich die Zeit sogar ein bisschen geniessen. Ich realisierte: Die letzten anderthalb Jahre waren ein permanentes Hinundher-Rennen. Es ist so viel passiert – da blieb nie Zeit, um durchzuatmen. Darum war es schön, einfach mal nichts zu machen. Mehr Zeit für Freundin, Familie und Freunde zu haben. Vielleicht einmal mehr an den Weihnachtsmarkt zu gehen. Dinge eben, die sonst zu kurz kommen.»
In der Tat hat Fassnacht intensive Monate hinter sich. Nach dem Meistertitel mit YB folgte die EM, der unvergessliche Triumph gegen Frankreich im Achtelfinal, zu dem Fassnacht massgeblich beigetragen hatte. Er wurde eingewechselt, als die Schweiz 1:3 zurücklag, leitete beide Tore zum 2:3 und 3:3 mit Ballgewinnen ein.
Nach nur einer Woche Ferien wartete bereits wieder der Alltag mit YB, die Qualifikation für die Champions League, jede Woche zwei Spiele. «Ich liebe diesen Rhythmus, aber man merkt halt erst im Rückblick, wie schnell alles geht. Das ‹normale› Leben draussen hält nicht still – und rauscht an einem vorbei.»
Vorbeirauschen. Das möchte Fassnacht mit YB im neuen Jahr auch. Am FCZ, in der Tabelle der Super League. «Ich bin total überzeugt von uns. Die Qualität haben wir. Wir werden in aller Frische angreifen. Und dann schauen wir mal, was der FCZ macht.»
öpfeli
Schön, dass es ihm besser geht und er sich mit seiner Situation arrangieren konnte.
Samuelsson
Wildes Pony