Die Uhrzeit war schon weit fortgeschritten am vergangenen Mittwochabend. Der FC Basel hatte eben nach einem so spektakulären wie vogelwilden Spiel gegen GC 5:3 gewonnen und war in den Cup-Viertelfinal eingezogen. Ein wichtiger Schritt für den FCB, dem der Start in das neue Kalenderjahr nicht geglückt war.
Ob dieses ersten Erfolges im 2023 war Freude erwartet worden vom Cheftrainer. Stattdessen sprach Alex Frei einen Satz, der mittlerweile sehr viel bedeutender ist, als man es in diesen Momenten erahnen konnte.
Auf die Frage, ob sein Team das Messer am Hals brauche, um über sich hinauszuwachsen – so, wie es Frei in den Anfängen der Saison einmal erklärt hatte – antwortete der 43-Jährige:
Vielleicht wusste oder spürte Alex Frei zu diesem Zeitpunkt schon, was seit Montagabend Tatsache ist: Alles andere als ein weiterer Sieg im darauf folgenden Spiel bei GC würde ihn seinen Job kosten.
Am Montagabend erfuhr Alex Frei von seiner Entlassung. Um 8.07 Uhr am Dienstagmorgen dann kommunizierte der FCB die Trennung von seinem Cheftrainer. Er ist der dritte nach Patrick Rahmen und Guillermo Abascal, der unter der Führung von David Degen gehen muss. Aber: Kann sich der FC Basel das überhaupt leisten?
In erster Linie zielt diese Frage auf die Finanzen der Basler. Trotz einer prognostizierten, knappen Null für das Geschäftsjahr 2022 schrieb der FC Basel plötzlich einen Verlust von 1.2 Millionen Franken. Gedeckt werden sollte dieser mit Mithilfe des Basisvereins. Eine Idee, die der Verwaltungsrat um Degen nach einem Sturm der Entrüstung verwarf. Zwar zielte dieses Manöver primär darauf ab, den Basisverein zu schwächen. Aber es zeigte auf einer weiteren Ebene auch auf, wie prekär die finanzielle Situation des FC Basel ist.
Alex Frei besitzt einen Vertrag bis Sommer 2024. Und obschon mit Heiko Vogel der Sportdirektor und damit einer, der bereits auf der Payroll des FCB steht, interimistisch übernimmt, wird die Kasse der Basler erneut leiden, sollte ein neuer Trainer verpflichtet werden.
Die Basler strapazieren also ihre finanziellen Möglichkeiten. Man darf sich durchaus fragen, woher dieses Geld kommen soll. Und ob es mit diesen Vorzeichen nicht die bessere Lösung gewesen wäre, Geduld zu wahren und dem eingeschlagenen Weg zu vertrauen.
Der Klub argumentiert mit einer sportlich ernüchternden Entwicklung, welche die Trennung unumgänglich gemacht habe. Die Punkteausbeute (22), die Platzierung in der Tabelle (Rang 7) und der Punktevorsprung auf das Tabellenschlusslicht (3) machen die Entscheidung gegen Alex Frei durchaus nachvollziehbar.
Hinzu kommt, dass der FCB unter Frei zwar spielerisch interessante Ansätze aufwies, das zuletzt verwendete 4-4-2-System funktionierte, aber dennoch ein Kernproblem nie gelöst werden konnte: die mangelnde Torausbeute. Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, wenn man bedenkt, dass mit Alex Frei der Rekordschütze der Schweizer Nationalmannschaft an der Seitenlinie stand.
Irgendwann drängte sich die Frage auf, ob die Spieler mental blockiert sind. Oder aber, ob Frei seine Spieler nicht mehr erreichte. Zumindest ist aus verschiedenen, gut unterrichteten Quellen zu hören, dass Frei einen Teil der Kabine zuletzt verloren hatte. Die Glaubwürdigkeit sei ihm abhanden gekommen.
Dennoch muss man sich fragen, ob sich der FCB – eben auch was die öffentliche Wahrnehmung angeht – diesen Schritt leisten kann. Die Führung um David Degen stand nicht nur wegen des jüngsten Debakels um die Defizit-Deckung in der Kritik. Degen und Co. verlieren seit Monaten kontinuierlich an Kredit. Sie schüren Unsicherheit, statt Vertrauen rund um den FC Basel zu schaffen.
Es ist kein klarer Weg, geschweige denn Kontinuität zu erkennen, ganz abgesehen davon, ob Leihgeschäfte der Weisheit letzter Schluss sind. Nicht nur deshalb war das Umfeld heikel, welches Frei bei seiner ersten Super-League-Station als Trainer vorfand. Frei musste nach aussen immer mehr sein, als nur der Chefcoach. Er musste sich zu strategischen Fragen äussern, zu Transfers, zum Verwaltungsrat. Alles Dinge, die nicht ins Aufgabenheft eines Fussballtrainers gehören.
Ausserdem musste er mit dem Druck der Führung klar kommen, nicht nur Resultate zu liefern, sondern jene Spieler, die der Verein als Wertanlage erachtet, zu fördern und einzusetzen. Nicht von wenigen Seiten ist zu hören, dass Freis Aufstellungen oft von eben diesen Wünschen der Vereinsleitung – und damit dem «Chief Football Officer» David Degen geprägt waren. Etwas, was ihm mannschaftsintern als Schwäche ausgelegt wurde. Der sonst so meinungsstarke Frei tat, was man tun musste.
All diese Faktoren, zusammen mit der seit Sommer 2017 und der Übernahme durch Bernhard Burgener nie mehr abebbenden Unruhe, schaffen ein Umfeld, in dem es keinem Trainer einfach gefallen wäre, zu reüssieren. Es ist ein Bild von Unbeständigkeit und der Unwägbarkeiten, welches der FC Basel auch unter Degen abgibt.
Passend dazu auch erneut der fragwürdige Fakt, dass im Communiqué zur Trennung von Frei kein einziges Zitat der Vereinsführung – allen voran David Degen, der den Sport verantwortet – zu finden ist. Stattdessen spricht Sportdirektor Vogel von den erhofften Impulsen durch den Trainerwechsel. Kommen sollen diese von – Achtung – Interimstrainer Vogel.
Der FC Basel muss aufpassen, dass er unter der aktuellen Führung seine Vertrauenswürdigkeit nicht verliert. Schliesslich wiederholt sich mit Freis Entlassung ein Stück weit jene Geschichte, die sich vor fast genau zwölf Monaten abspielte, als Patrick Rahmen gehen musste. Wie Frei musste auch Rahmen nach nur vier Spielen im neuen Jahr gehen. Und auch Kommunikations- und Handlungsweise gleichen sich: Druck aufsetzen, Rücken stärken, Interims-Nachfolge-Kandidat verpflichten, entlassen.
Das Image des FCB leidet. Die einst versprochene Demut, zu welcher der Klub zurückkehren wollte, ist nicht erkennbar. Dabei stünde sie dem Verein gut zu Gesicht. Ebenso wie Kontinuität. Vor allem Letztere. Nicht nur auf dem Platz. Sondern in Schlüsselpositionen, wie sie die eines Trainers nun einmal ist. (bzbasel.ch)