Visp hätte bereits mit drei konkurrenzfähigen Ausländern (vier durften eingesetzt werden) Ajoie in der Liga-Qualifikation wahrscheinlich besiegt. Aber man hat die Liga-Qualifikation nur mit zwei guten begonnen und wegen Verletzungspech nur noch mit einem beendet.
Nun wird die Tresor-Türe einen schönen Spalt breit geöffnet. Für einen neuen Verteidigungsminister. Colin Gerber (27) kommt gleich für drei Jahre. Ein Verteidiger mit NHL-Postur (191 cm/85 kg) im besten Alter, gestählt in über 300 NL-Partien, in der höchsten Liga gut für 10 Punkte und eine Plus-Bilanz und mit einem Talent, das immerhin mit Aufgeboten für eine U18-, eine U20-WM und fast 100 Junioren-Länderspielen geadelt worden ist. Ein flinker Riese mit grosser Reichweite und langem Stock, der beim SCB nicht mehr weiterkam und vor zwei Jahren nach Rapperswil-Jona wechselte. Falls erforderlich, kann er auch «böse» sein, und er war vorletzte Saison der meistbestrafte Spieler der Lakers.
Colin Gerber ist auch deshalb ein interessanter Spieler, weil er für das Schicksal der soliden, braven Handwerker mit wenig Charisma steht, die nach der Erhöhung von vier auf sechs Ausländer ins Niemandsland zwischen der höchsten und zweithöchsten Liga geraten sind: Viele Sportchefs wollen den Tresor nicht mehr öffnen, gehen lieber das Risiko ein, einen Junior einzusetzen oder im Notfall halt während der Saison nachzurüsten, statt schon vor dem Saisonbeginn die achte oder neunte Verteidigerposition solide und verlässlich zu besetzen. Und in der Swiss League gibt es höchstens noch einen oder zwei Klubs – mit Sierre wohl bald einen dritten –, die noch sechsstellig löhnen. Noch vor fünf Jahren hätte einer wie Colin Gerber in unserer höchsten Liga problemlos mehr als 100'000 Franken verdient.
Spieleragent Gaëtan Voisard hat lange hausiert, auch in Langnau persönlich vorgesprochen, bei Ajoie nachgefragt, mit Ambris Paolo Duca telefoniert, in Lausanne, Kloten und Genf darauf hingewiesen, dass die Verteidigung etwas knapp bemannt sei und etwas Rumpelpotenzial gut täte – aber eine Lösung hat er nicht gefunden.
In Visp sind mit dem Meistertitel in der Swiss League und der Liga-Qualifikation der Ehrgeiz und die Einsicht geweckt worden, dass es sich womöglich doch lohnt, ein wenig zu investieren. Auch deshalb, weil zu befürchten ist, dass Chris McSorley in Sierre das Stadion-Luftschloss doch bauen kann – und dann sportlich rockt und Visp im Walliser Hockey nur noch am Katzentisch sitzt.
Und so hat Gaëtan Voisard für Colin Gerber doch noch eine gute Lösung gefunden. Der Sohn der Goalie-Legende Roland Gerber (65) wechselt gleich für drei Jahre nach Visp. Ohne dabei die Seele zu verkaufen. Will heissen: ohne für ein schönes Salär in der Zweitklassigkeit auf eine Karriere in der höchsten Liga zu verzichten: Er hat das Recht, im Falle eines Angebotes aus der National League bis zum 15. Februar den Vertrag per Saisonende zu kündigen plus während der laufenden Saison auf der Basis einer B-Lizenz in die National League zu wechseln – in diesem Falle aber hat Visp das Recht, valablen Realersatz zu fordern.
Wir können davon ausgehen, dass Colin Gerber im Laufe der nächsten Saison in der National League auftauchen wird – er hat akkurat das Profil, das SCB-Trainer Jussi Tapola liebt: gross, kräftig, abräumstark und taktisch folgsam. Und in Langnau ist die Verteidigung so dünn besetzt, dass Sportchef Pascal Müller noch bevor die letzten Blätter fallen einen Verteidiger verpflichten wird.
See you soon im Bernbiet, Colin.