Pascal Zuberbühler wäre beinahe von seinem Stuhl im Studio von Volketswil gekippt. Der ehemalige FCB- und Nationaltorhüter war am Sonntag, kaum war im St.-Jakob-Park abgepfiffen, in völliger Auflösung. Und holte zur Generalabrechnung aus. Sein Urteil, für das er als Experte von «Blue» bezahlt wird, fiel vernichtend aus: «Ich frage mich: Willst du jetzt mit Heiko Vogel weiterfahren? In dieser Situation? Ich sage klar: No way! Für mich keine Chance. Du wirst als FC Basel keine Chance mehr haben mit Heiko Vogel.»
Zuberbühler der Torhüter stammt noch aus einer Zeit, als die Gegner nach Basel fuhren und sich nicht fragten, ob, sondern wie hoch sie verlieren werden. Zubi stand im Joggeli zwischen den Pfosten, als am 8. März 2003 mit einem 2:0 gegen Servette eine seither nicht mehr wiederholte Serie von ungeschlagenen Heimspielen für den FCB begann und mit ihm im Tor am ominösen 13. Mai 2006 im 60. Spiel schmerzhaft endete.
@PascalZubi fordert die Entlassung von Heiko Vogel@blueSport_de pic.twitter.com/LMB0wB5ox7
— Andreas Böni (@AndreasBoeni) October 1, 2023
17 Jahre später lautet Zuberbühlers Ferndiagnose über den FC Basel: «Man riecht bis nach Volketswil, dass da etwas nicht in Ordnung ist.» Neben ihm im Studio pflichtete Ciriaco Sforza als Zweitgeruchsexperte bei. Jener Sforza, der im April 2021 als Trainer des akut abstiegsgefährdeten FCB entlassen wurde. Nach einem 1:4 daheim gegen den FC Zürich, das bis Sonntag als zuletzt höchste Heimniederlage vermerkt war. Und nach einem blamablen 2:6 im Cup gegen Winterthur. Nur gab es damals keine Pfiffe gegen den Trainer, weil das Joggeli pandemiebedingt leer war.
Das war am Sonntag und nach einem fussballerisch erschütternden Auftritt der Rotblauen anders. Mit Schimpf und Schande wurden die Spieler und vor allem Heiko Vogel aus dem Stadion gejagt. In einer Form, wie man es noch nie erlebt hat. In der Muttenzerkurve, wo ja eigentlich der eiserne Grundsatz gilt, die eigene Mannschaft nicht auszupfeifen, ist vermutlich manch einer über sich selbst erschrocken. Aber der Frust musste raus. Zwei Tage nach der überraschenden Entlassung von Timo Schultz, der sich einige Sympathien erworben hat am Rheinknie, aber zu wenig Punkte aufweisen konnte.
Zuberbühler meint also, dass Bis-auf-weiteres-Nachfolger Heiko Vogel nicht als Trainer zu halten ist, er weiss aber auch: «Ich glaube, momentan könnte da jeder Trainer auf Basel kommen und es würde nicht klappen.» So gesehen ist es also zunächst doch an Vogel, die Sache auszubaden. Der erntete von seinem französischen Kollegen Anthony Braizat an der Seitenlinie von Stade Lausanne-Ouchy sowohl Anerkennung wie Verständnis für die fussballerische Misere («Top Trainer», «grosser Klub», «Es braucht jetzt einen kleinen Boost, vor allem Vertrauen und Ruhe»). Und Vogel wies dezent darauf hin, dass der Liga-Neuling bis dato ein besseres Passspiel als der FCB an den Tag gelegt hat und in den Zweikampfwerten sogar Ligaspitze darstellt.
Soll man sich also wundern, dass dieser FC Basel mit seiner in ein paar Transferwochen durcheinandergewürfelten Truppe keine Resilienz an den Tag legen kann? Dass er einen unehrenhaften Hattrick hingelegt und gegen alle drei Aufsteiger verloren hat? Dass nach acht Spielen lausige fünf Punkte auf seinem Konto sind? Vogel, der Volkes Zorn tapfer wegmoderierte («Die Unmutsbekundungen, auch gegen meine Person, kann ich durchaus verstehen. Negativerlebnisse machen auch die Faszination Fussball aus»), hat viel Arbeit vor sich, elementare («Der nächste Pass, der nächste Zweikampf - weiter sollte man nicht denken») und grundsätzliche («Die Mannschaft muss einen Charakter entwickeln»).
Vielleicht sind diese Ansagen auch ein Hinweis darauf, warum es Schultz den Job gekostet hat.
Fest steht, dass der FCB einen intern angezählten Trainer gegen einen Trainer ausgetauscht hat, der zwei Tage später jeglichen Kredit verspielt zu haben scheint. Die Leute, die ihn vor elf Jahren noch gefeiert haben nach magischen Champions-League-Nächten im Joggeli, mögen seinen Auftritt, seine Kommunikation nicht oder nicht mehr.
Wie in fussballerischen Notlagen üblich, zieht sich der FC Basel in eine Wagenburg zurück, wird nun die Trainingswoche hinter verschlossenen Türen abgehalten und auf Medienaktivitäten verzichtet. Und weil Zubi zum Glück nicht gefordert hat, den FCB umgehend vom Spielbetrieb abzumelden, kann die Partie bei den Berner Young Boys stattfinden. Schwer genug wird diese Prüfung für Basel.
Und die Alarmglocken werden noch in den Ohren der Spieler klingen, wenn sie am Sonntag im Wankdorf auflaufen. Das letzte Erfolgserlebnis dort ist nun schon über sieben Jahre her. (bzbasel.ch)