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60'000 Fans warten – Star-Team weigert sich, das Feld zu betreten

Der saudische Fußballverein Al-Ittihad um Karim Benzema blieb einem Champions-League-Spiel im Iran fern (Archivbild).
Der saudische Fußballverein Al-Ittihad um Karim Benzema blieb einem Champions-League-Spiel im Iran fern (Archivbild).Bild: STR/AP/dpa

60'000 Fans warten – Star-Team weigert sich, das Feld zu betreten

In Asiens Königsklasse verliess das Team von Karim Benzema noch vor dem Anpfiff das Stadion. Dahinter steckt die Tötung eines ranghohen Militärs.
03.10.2023, 05:3503.10.2023, 08:46
Christoph Cöln / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Die Atmosphäre war überragend im Stadion Naqsch-e Dschahan. Die 60'000 Zuschauer hatten die Arena in der iranischen Stadt Isfahan in einen Hexenkessel verwandelt, mit Banner, Fahnen und Rauchtöpfen und Leuchtfackeln in den Farben ihres Klubs. Sie warteten nur noch auf die beiden Teams, die sich am Montagabend in der asiatischen Champions League gegenüberstehen sollten. Auf die Heimelf des Sepahan FC und die Gastmannschaft Al-Ittihad mit ihren Superstars Karim Benzema, Fabinho und N'Golo Kanté.

Doch die Fussballfans warteten vergeblich. Das Spiel wurde abgesagt. Die Gäste aus Saudi-Arabien hatten sich offenbar geweigert, das Spielfeld zu betreten. Und so fuhr die Mannschaft von Al-Ittihad unverrichteter Dinge zum Flughafen und reiste zurück nach Jiddah. Der Verband, die Asian Football Confederation (AFC) verlautete danach, die Partie sei wegen «unvorhergesehener und unerwarteter Dinge» ausgefallen.

Was war passiert?

Nicht erwartet und vorhergesehen hatten die Offiziellen des saudischen Klubs AL-Ittihad wohl die Statue, die gut sichtbar und geradezu aufdringlich präsent vor dem Ausgang des Spielertunnels aufgestellt worden war. Eine Büste auf einem Sockel. Bei der Büste handelte es sich nicht etwa um eine historische Grösse des iranischen Fussballs, sondern um eine Abbildung des iranischen Generals Ghassem Soleimani.

Stimmungsvolle Fußball-Atmosphäre im Stadion von Isfahan. Doch die Fans warteten vergeblich auf den Anpfiff.
Stimmungsvolle Fussball-Atmosphäre im Stadion von Isfahan. Doch die Fans warteten vergeblich auf den Anpfiff.Bild: MORTEZA SALEHI/t-online

Wer ist Ghassem Soleimani?

Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden war nicht irgendwer. Er galt neben Al-Qaida-Chef Osama bin-Laden und dem IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi als einer der prominentesten Köpfe auf der Terrorliste der USA. 2020 ist Soleimani bei einem US-Drohnenangriff auf seine Fahrzeugkolonne ums Leben gekommen. Die gezielte Tötung des hohen Militärs sorgte für erhebliche diplomatische Verstimmungen, denn Soleimani war der Anführer der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit, die für zahlreiche Attentate im Ausland, insbesondere im arabischen Raum verantwortlich ist. Der 66-jährige Militär war einer der wichtigsten Drahtzieher des Mullah-Regimes in Teheran und einer der Vertrauten des obersten politischen und religiösen Führers der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Khamenei.

Was steckt hinter der Tötung Soleimanis?

General Soleimani gilt im Iran bis heute als eine der populärsten Figuren. Weite Teile der Bevölkerung verehren ihn, weil er den Einfluss der Schiiten in der Region mit seinen Operationen ausweitete. Mit seiner Tötung ging die damalige US-Regierung unter Donald Trump ein erhebliches Risiko ein. Erwartet wurden massive Vergeltungsaktionen der Mullahs. Doch die mutmasslichen Raketenangriffe auf US-Militärbasen in der Region forderten keine Opfer. Fünf Tage nach der Tötung Soleimanis traf eine iranische Flugabwehrrakete jedoch ein ukrainisches Flugzeug gleich nach dem Start in Teheran. 176 Menschen starben.

Die Büste Suleimanis thront auf einem Sockel am Ausgang des Spielertunnels.
Die Büste Suleimanis thront auf einem Sockel am Ausgang des Spielertunnels.Bild: MORTEZA SALEHI/AFP via Getty Images

Warum reagieren die Saudis so gereizt?

Die Büste Soleimanis vor dem Spiel eines saudischen Klubs so prominent zu platzieren, muss für die Saudis wohl einem Affront gleichkommen. Die Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sind ohnehin seit vielen Jahren angespannt. Der Iran ist ein mehrheitlich schiitisches Land, während in Saudi-Arabien Sunniten leben. Die Konflikte zwischen den jeweiligen islamischen Konfessionen sind gross. Saudi-Arabien und Iran hatten sich in den vergangenen Jahren wechselseitig mit Sanktionen belegt.

Soleimani galt in dem Konflikt als Hardliner. Sein Ziel war es, den Einfluss der Schiiten im arabischen Raum auszuweiten. Dafür schreckte er auch vor tödlichen Geheimoperationen und Attentaten im Ausland nicht zurück. So sollen seine Quds-Brigaden 2011 versucht haben, den saudi-arabischen Botschaft in den USA zu ermorden. Dafür heuerten sie den Auftragskiller eines mexikanischen Drogenkartells an. Doch die Attentatspläne flogen auf.

Spieler und Betreuer des Sepahan FC verlassen das Feld, ohne dass das Spiel in der asiatischen Champions League angepfiffen worden wäre.
Spieler und Betreuer des Sepahan FC verlassen das Feld, ohne dass das Spiel in der asiatischen Champions League angepfiffen worden wäre.Bild: MORTEZA SALEHI

Wie wird die Partie nun gewertet?

Laut Medienberichten sollen sich die saudischen Offiziellen geweigert haben, ihr Team auf den Platz schicken, wenn die Büste Soleimanis weiterhin dort steht. Ein Vertreter des Klubs sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: «Wir haben sie gebeten, die Büste vor dem Spiel zu entfernen, aber das haben sie nicht getan.» Anschliessend sei es deshalb zu einem Streit gekommen. Mohammed Reza Saket, Geschäftsführer von Sepahan, sagte dem iranischen Staatsfernsehen, seine Seite werde sich wegen des Vorfalls «sofort bei der AFC beschweren».

«Die Anfrage des Ittihad-Teams war ausserhalb der sportlichen Gepflogenheiten und verstiess gegen die üblichen Grundsätze», fügte Saket hinzu, das Stadion in Isfahan habe bereits Dutzende internationale Spiele mit dem gleichen Erscheinungsbild ausgetragen. Der Verband wollte sich am Montagabend noch nicht dazu äussern, wie das abgebrochene Spiel gewertet wird.

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fiction42
03.10.2023 07:32registriert Mai 2020
Nein der Fussball ist nicht politisch und hat auch nichts mit der Politik am Hut...
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Sonnig bis heiter
03.10.2023 11:08registriert August 2023
Darum können saudische Teams nicht in der Champions League spielen.
Uns Europäern wird ständig gesagt das Sport nicht politisch sein soll, darum darf man ja auch in Katar nicht für Menschenrechte demonstrieren.
Und nun sowas, wird doch einfach der Fussball in Saudi Stadien als politisches Werkzeug benutzt.
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Bongalicius
03.10.2023 09:50registriert Januar 2016
Die UEFA soll doch Saudi Arabien aufnehmen, so wie es mit Israel gemacht wurde. Dann kann so ein Vorfall nie wieder vorkommen und als Bonus können die Saudischen Vereine in der Champions League spielen. *Ironie off*
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