Sport
Fussball

Amir Abrashi: «Die Schweiz sollte doch geschlossen hinter der Nationalmannschaft stehen.»

Amir Abrashi spielte für die Schweiz und jetzt für Albanien – auf Klubebene ist er für den SC Freiburg im Einsatz.
Amir Abrashi spielte für die Schweiz und jetzt für Albanien – auf Klubebene ist er für den SC Freiburg im Einsatz.Bild: Steffen Schmidt/freshfocus

Amir Abrashi: «Die Schweiz sollte doch geschlossen hinter der Nationalmannschaft stehen.»

Amir Abrashi ist mehr als das Gros der albanischen Doppelbürger in der Schweiz verwurzelt. Der U21-EM-Finalist von 2011 hat im SFV-Dress zwei grosse Turniere gespielt. Gedanken und persönliche Erinnerungen
08.06.2016, 15:0009.06.2016, 08:18
Mehr «Sport»

Zugespitzt wird gar nichts. Mit einer wohltuend ehrlichen Art nimmt Abrashi der Schweiz-Albanien-Thematik bewusst die Brisanz. Der gebürtige Thurgauer entfacht keine Hektik. Er entschlackt die teilweise zu aufgepumpte Debatte völlig unaufgeregt.

Amir Abrashi im Dress von Albanien gegen Portugal.
Amir Abrashi im Dress von Albanien gegen Portugal.
Bild: EPA/LUSA

In seiner ganz eigenen Auseinandersetzung mit der speziellen EM-Ouvertüre der «Kombëtarja shqiptare» am kommenden Samstag gegen die Schweiz will der Secondo die politische Komponente weitgehend ausblenden.

«Es geht um ein sportliches Kräftemessen, der Fussball soll im Zentrum stehen.»
Amir Abrashi über das Spiel Schweiz – Albanien

«Klar ist der Rahmen aussergewöhnlich, aber von aussen wird mehr hineininterpretiert. Ich bin primär Sportler, der seinen Job erledigen will», sagt der Bundesliga-Aufsteiger. Die EM-Premiere sei nicht die Bühne, um unkontrollierte Emotionen auszuleben. «Es geht um ein sportliches Kräftemessen, der Fussball soll im Zentrum stehen. Alle Nebenschauplätze werde ich ausklammern.»

«Die Schweiz sollte doch geschlossen hinter dieser Mannschaft stehen.»

Von der innerhalb der Schweiz immer wieder aufflammenden Diskussion um den Grad der Identifikation mit der Landesauswahl hält der langjährige SFV-Junioren-Nationalspieler wenig: «Schade, ich verstehe diese Skepsis nicht. Die Schweiz sollte doch geschlossen hinter dieser Mannschaft stehen.»

Abrashi spielte als Junior für die Schweizer Auswahl.
Abrashi spielte als Junior für die Schweizer Auswahl.
Bild: KEYSTONE

Bis zu einem gewissen Punkt fühlt er mit den früheren Weggefährten mit. Die Verbindungen sind nach wie vor eng. Xherdan Shaqiri beispielsweise meldete sich im letzten Frühling nach der Freiburger Promotion als erster Gratulant. Auch mit anderen Ex-Kollegen tauscht er sich regelmässig aus.

Kein Platz für Nostalgie

«Ich kenne viele, mit einigen stand ich an der U21-Endrunde im Final und spielte 2012 das Olympia-Turnier.» Der Verbandswechsel verschiebt für ihn zwar Grenzen, die alten Erinnerungen wird er nie auslöschen: «Die gemeinsame Zeit war riesig, das macht die Sache aussergewöhnlich.»

«Ich hätte nie gedacht, mal gegen meine ehemaligen Kollegen zu spielen.»
Amir Abrashi

Er schweift gedanklich zurück. 22. Juni 2011, kurz vor Mitternacht: Im kleinen dänischen Städtchen Herning sinkt Abrashi erschöpft, aber glücklich auf den Rasen. An der Seite des damaligen Captains Yann Sommer, Xherdan Shaqiri, Fabian Frei und Matchwinners Admir Mehmedi zelebriert er die erste Olympia-Teilnahme des SFV seit 84 Jahren.

«Noch heute schaue ich mir die damals eigens angefertigte CD ab und zu an.» Im Moment des Schwelgens, des kurzen Innehaltens, gibt Abrashi freimütig zu: «Ich hätte nie gedacht, mal gegen meine ehemaligen Kollegen zu spielen.»

Die U21 der Schweiz von 2011 mit Amir Abrashi (mitte).
Die U21 der Schweiz von 2011 mit Amir Abrashi (mitte).Bild: KEYSTONE

Aber für allzu verklärte Gefühle bleibt momentan selbstredend kein Raum. Abrashi denkt deshalb lieber pragmatisch: «Es geht um Punkte, beide Teams wollen sich früh eine gute Ausgangslage schaffen.» Der Wettkämpfer Abrashi spricht, der Nostalgiker schweigt: «Die Tagesform wird entscheidend sein, nicht die Meriten der Vergangenheit.»

Der in Freiburg nach einer wunderbaren Saison hoch geschätzte Mittelfeldschwerarbeiter hat im Zusammenhang mit der Schweiz früh klare Verhältnisse geschaffen. Weil er spürte, dass er angesichts der Dichte und Qualität auf seiner Position im SFV kaum einmal als Stammkraft infrage kommen würde, regelte Abrashi in einem Gespräch mit dem früheren Selektionär Ottmar Hitzfeld seine Zukunft.

«Das Projekt hat mich überzeugt und fasziniert.»
Abrashi über die albanische Nationalmannschaft

«Ich habe meinen Entscheid begründet, er hat ihn verstanden», sagt Abrashi über den Wechsel mit nachvollziehbarem Kalkül. «Es gab keinerlei Theater.» Unspektakulär, aber vollumfänglich im Sinn einer für alle Beteiligten vernünftigen Lösung.

Bereut hat Abrashi nichts. Er vergleicht die Konstellation in der Nachbetrachtung sogar etwas mit seinem Transfer von GC zu Freiburg: «Ich ging einen anderen Weg, vielleicht sogar einen Schritt zurück. Aber das Projekt hat mich überzeugt.» In den Gesprächen mit dem albanischen Trainerteam um Gianni de Biasi erkannte er ein Konzept, «das mich faszinierte».

Amir Abrashi mit der albanischen Nationalmannschaft. 
Amir Abrashi mit der albanischen Nationalmannschaft. Bild: Expa

Die Überzeugung reifte rasch: «Da mache ich mit, das will ich erleben.» Die Erfolgsgeschichte ist bekannt, Albanien produzierte europaweit positive Schlagzeilen. Und der Aussenseiter dürfte sich nicht mit einer Statistenrolle begnügen: «Wir wollen mehr, wir müssen uns auch in Frankreich nicht verstecken.»

Vollgas in Lens

Abrashi klopft energisch auf den Tisch, er gestikuliert, als könnte er das erste Tackling im Stade Bollaert-Delelis in Lens kaum erwarten: «Es kommt gut, wir haben überhaupt nichts zu verlieren.» Und er kündigt an: «Wir nehmen den Drive der Qualifikation mit.»

Mit vollem Einsatz: Amir Abrashi gegen Marko Arnautovic (Österreich).
Mit vollem Einsatz: Amir Abrashi gegen Marko Arnautovic (Österreich).
Bild: HEINZ-PETER BADER/REUTERS

Die «verschworene Truppe» vom Balkan will nun auch auf der ganz grossen europäischen Bühne Geschichte schreiben. Abrashi wird derweil tun, was er immer schon mit Vorliebe gemacht hat: «Vollgas geben.» (jwe/sda)

Sie können nicht vollgas geben: Diese 23 Top-Spieler verfolgen die EM vor dem TV.

1 / 25
Haben die Qualifikation verpasst: Diese 23 Top-Spieler verfolgen die EM vor dem TV.
Tor: Jan Oblak, Slowenien, Marktwert: 25 Millionen.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
elco
08.06.2016 15:18registriert Februar 2016
Amir Abrashi, geile Siech!

Hopp Schwiiz! (und bitzli, aber nume bitzli hopp albanie;-)
7925
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scenario
08.06.2016 18:23registriert Mai 2015
Wenn man für die Schweiz spielt, kann man es den Damen und Herren nicht recht machen. Wenn man für Albanien spielt, ist es ebenfalls schlecht. Na was denn nun?!
419
Melden
Zum Kommentar
avatar
fuegy
08.06.2016 16:15registriert November 2015
Ich bin Schweizer, bin aber trotzdem England Fan. Bin ich nun "unschweizerisch"?
2512
Melden
Zum Kommentar
28
Der ZSC setzt Siegesserie auch im Final fort und gewinnt die erste Partie gegen Lausanne
Die ZSC Lions gehen im Playoff-Final gegen Lausanne wie erwartet 1:0 in Führung. Der 2:1-Sieg gegen Lausanne ist ein hartes Stück Arbeit mit Goalie Simon Hrubec und Traumtänzer Derek Grant als Matchwinnern.

Ohne zu brillieren blieben die ZSC Lions auch im neunten Spiel in diesen Playoffs der National League ungeschlagen. Sie waren über weite Strecken nicht besser als Lausanne, aber am Ende eine Spur abgeklärter.

Zur Story