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Zugespitzt wird gar nichts. Mit einer wohltuend ehrlichen Art nimmt Abrashi der Schweiz-Albanien-Thematik bewusst die Brisanz. Der gebürtige Thurgauer entfacht keine Hektik. Er entschlackt die teilweise zu aufgepumpte Debatte völlig unaufgeregt.
In seiner ganz eigenen Auseinandersetzung mit der speziellen EM-Ouvertüre der «Kombëtarja shqiptare» am kommenden Samstag gegen die Schweiz will der Secondo die politische Komponente weitgehend ausblenden.
«Klar ist der Rahmen aussergewöhnlich, aber von aussen wird mehr hineininterpretiert. Ich bin primär Sportler, der seinen Job erledigen will», sagt der Bundesliga-Aufsteiger. Die EM-Premiere sei nicht die Bühne, um unkontrollierte Emotionen auszuleben. «Es geht um ein sportliches Kräftemessen, der Fussball soll im Zentrum stehen. Alle Nebenschauplätze werde ich ausklammern.»
Von der innerhalb der Schweiz immer wieder aufflammenden Diskussion um den Grad der Identifikation mit der Landesauswahl hält der langjährige SFV-Junioren-Nationalspieler wenig: «Schade, ich verstehe diese Skepsis nicht. Die Schweiz sollte doch geschlossen hinter dieser Mannschaft stehen.»
Bis zu einem gewissen Punkt fühlt er mit den früheren Weggefährten mit. Die Verbindungen sind nach wie vor eng. Xherdan Shaqiri beispielsweise meldete sich im letzten Frühling nach der Freiburger Promotion als erster Gratulant. Auch mit anderen Ex-Kollegen tauscht er sich regelmässig aus.
«Ich kenne viele, mit einigen stand ich an der U21-Endrunde im Final und spielte 2012 das Olympia-Turnier.» Der Verbandswechsel verschiebt für ihn zwar Grenzen, die alten Erinnerungen wird er nie auslöschen: «Die gemeinsame Zeit war riesig, das macht die Sache aussergewöhnlich.»
Er schweift gedanklich zurück. 22. Juni 2011, kurz vor Mitternacht: Im kleinen dänischen Städtchen Herning sinkt Abrashi erschöpft, aber glücklich auf den Rasen. An der Seite des damaligen Captains Yann Sommer, Xherdan Shaqiri, Fabian Frei und Matchwinners Admir Mehmedi zelebriert er die erste Olympia-Teilnahme des SFV seit 84 Jahren.
«Noch heute schaue ich mir die damals eigens angefertigte CD ab und zu an.» Im Moment des Schwelgens, des kurzen Innehaltens, gibt Abrashi freimütig zu: «Ich hätte nie gedacht, mal gegen meine ehemaligen Kollegen zu spielen.»
Aber für allzu verklärte Gefühle bleibt momentan selbstredend kein Raum. Abrashi denkt deshalb lieber pragmatisch: «Es geht um Punkte, beide Teams wollen sich früh eine gute Ausgangslage schaffen.» Der Wettkämpfer Abrashi spricht, der Nostalgiker schweigt: «Die Tagesform wird entscheidend sein, nicht die Meriten der Vergangenheit.»
Der in Freiburg nach einer wunderbaren Saison hoch geschätzte Mittelfeldschwerarbeiter hat im Zusammenhang mit der Schweiz früh klare Verhältnisse geschaffen. Weil er spürte, dass er angesichts der Dichte und Qualität auf seiner Position im SFV kaum einmal als Stammkraft infrage kommen würde, regelte Abrashi in einem Gespräch mit dem früheren Selektionär Ottmar Hitzfeld seine Zukunft.
«Ich habe meinen Entscheid begründet, er hat ihn verstanden», sagt Abrashi über den Wechsel mit nachvollziehbarem Kalkül. «Es gab keinerlei Theater.» Unspektakulär, aber vollumfänglich im Sinn einer für alle Beteiligten vernünftigen Lösung.
Bereut hat Abrashi nichts. Er vergleicht die Konstellation in der Nachbetrachtung sogar etwas mit seinem Transfer von GC zu Freiburg: «Ich ging einen anderen Weg, vielleicht sogar einen Schritt zurück. Aber das Projekt hat mich überzeugt.» In den Gesprächen mit dem albanischen Trainerteam um Gianni de Biasi erkannte er ein Konzept, «das mich faszinierte».
Die Überzeugung reifte rasch: «Da mache ich mit, das will ich erleben.» Die Erfolgsgeschichte ist bekannt, Albanien produzierte europaweit positive Schlagzeilen. Und der Aussenseiter dürfte sich nicht mit einer Statistenrolle begnügen: «Wir wollen mehr, wir müssen uns auch in Frankreich nicht verstecken.»
Abrashi klopft energisch auf den Tisch, er gestikuliert, als könnte er das erste Tackling im Stade Bollaert-Delelis in Lens kaum erwarten: «Es kommt gut, wir haben überhaupt nichts zu verlieren.» Und er kündigt an: «Wir nehmen den Drive der Qualifikation mit.»
Die «verschworene Truppe» vom Balkan will nun auch auf der ganz grossen europäischen Bühne Geschichte schreiben. Abrashi wird derweil tun, was er immer schon mit Vorliebe gemacht hat: «Vollgas geben.» (jwe/sda)