Wer mit Rieder redet, hat nicht das Gefühl, dass er erst 21 Jahre alt ist. Diese enorme Reife ist auch darauf zurückzuführen, dass er mit elf Jahren seinen Vater verloren hat. Inwiefern hat dieser Schicksalsschlag seine Denkweise verändert, was den Fussball betrifft? «Das ist schwierig zu sagen, da ich nicht weiss, wie es sonst wäre. Jedoch hat er mich sicher geprägt, ich habe nun eine andere Sichtweise aufs Leben, versuche jeden Moment zu geniessen. Ich stehe mit Spass und Freude auf dem Platz», so Rieder.
Zudem verfügt er über einen ausgesprochenen Ehrgeiz. Egal bei was, er will immer gewinnen. Verliert er im Training, kocht er innerlich. Deshalb nennen ihn die Mitspieler bei den Young Boys zwischendurch «Hässeli-Bänz». Diese Winner-Mentalität hat er schon von klein an und lebt sie vor. «Wenn Spieler nicht an ihre Leistungsgrenzen gehen, dann spreche ich das klar an», sagt Rieder.
Er ist auch sehr wissbegierig. Selbst in der Freizeit spielt der Fussball bei ihm eine grosse Rolle. Er schaut sich viele Partien an, achtet auf Dinge, die ihn weiterbringen, zum Beispiel wie sich die Mittelfeldspieler zwischen den Linien bewegen, wie sie vorausschauen. Als Vorbilder bezeichnet er Kevin De Bruyne, Thiago Alcantara sowie Joshua Kimmich. Zu De Bruyne müsse er nicht viel sagen, Alcantara sei ein unglaublicher Techniker, und bei Kimmich fasziniere ihn dessen Mentalität, erzählt Rieder, der als Kind auch Leichtathletik betrieben hat und viel Ski gefahren ist.
Rieder wechselte 2017 von Solothurn zu den Young Boys. Das Debüt in der ersten Mannschaft gab er am 17. Oktober 2020 gegen Servette. In der vergangenen Saison stand er bei den Bernern in 41 von 48 Pflichtspielen in der Startelf. Nationaltrainer Murat Yakin bot Rieder für die letztjährige WM auf, obwohl dieser zuvor noch nie für die Nationalmannschaft berücksichtigt worden war. In Katar war er dann nicht nur dabei, sondern wurde er gegen Kamerun in der 81. Minute eingewechselt und spielte er gegen Brasilien bis zur 56. Minute.
Auf die WM angesprochen, sagt Rieder: «Ich konnte dort von den besten Spielern der Schweiz abschauen, wie sie sich vorbereiten, habe das aufgesaugt. Dass ich dieses Turnier miterleben durfte, hilft mir sehr.» Diese Aussage passt perfekt zu ihm, er ist keiner, bei dem zu befürchten ist, dass er die Bodenhaftung verlieren wird, was er unter anderem auf seine Erziehung zurückführt. Sollte das dennoch passieren, «hätte es genügend Leute um mich herum, die mich zurückholen würden».
Die U21-EM ist für Rieder nun ein weiteres Schaufenster, wobei es so gut wie sicher ist, dass er in der nächsten Saison im Ausland spielen wird. Sein aktueller Wert beträgt gemäss transfermarkt.com 15 Millionen Euro. Zu den Interessenten gehört Borussia Mönchengladbach. Dort ist neu Gerardo Seoane der Trainer, unter dem Rieder bei YB im Fanionteam debütiert hat.
Was seine Zukunft betrifft, gibt sich Rieder entspannt: «Es bringt nichts, wenn ich mir Stress mache. Es kommt, wie es kommt.» Wenn es nicht klappe mit einem Wechsel, spiele er halt weiter für die Young Boys. Er ist ohnehin nicht der Typ, der weit nach vorne schaut, vielmehr nimmt er «Woche für Woche».
YB-Sportchef Christoph Spycher sagte gegenüber dem Schweizer Fernsehen, dass er Rieder zutraue, eines Tages Captain des Schweizer Nationalteams zu werden. Das ehrt Rieder selbstredend und er übernimmt auch gerne Verantwortung, zunächst will er sich aber im Ausland beweisen. «Ich habe überall noch Luft nach oben, wenn ich die internationale Spitze anschaue», stellt er klar.
Wo speziell? «Den rechten Fuss kann ich sicherlich noch trainieren, das Kopfballspiel. Ausserdem bin ich ab und zu zu wild im Spiel, werde ich mit einem Kontakt ausgespielt. Es gilt, die goldene Mitte zu finden zwischen voll draufzugehen und abzuwarten.» Gelingt ihm das am Mittwoch gegen Frankreich? (mom/sda)