Heute Abend werden die 33. Olympischen Sommerspiele in Paris eröffnet. Für Kanadas Frauenfussball-Nationaltrainerin ist das Turnier aber schon wieder vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Denn wie der kanadische Fussballverband Canada Soccer mitteilte, wurde die Trainerin Bev Priestman mit sofortiger Wirkung suspendiert und tritt nun die Heimreise an. Grund für die Suspendierung ist ein Drohnen-Spionage-Skandal, der immer grössere Ausmasse annimmt.
Canada's men's and women's soccer teams have relied on drones and spying for years, sources say
— TSN (@TSN_Sports) July 25, 2024
Coaching staff and contractors working with Canada’s men’s and women’s national soccer teams have been engaged for years in efforts to film the closed-door training sessions of their… pic.twitter.com/GuwijxTMNm
Nachdem bekanntgeworden war, dass die Mitglieder des kanadischen Teams das Training der Auftaktgegnerin Neuseeland mit einer Drohne ausspioniert haben, mussten bereits die Assistenztrainerin Jasmine Mander sowie der Analyst Joseph Lombardi aus Paris abreisen. Zweiterer wurde von der französischen Polizei dabei ertappt, wie er eine Drohne über das Gelände flog, wo die Neuseeländerinnen trainierten.
Priestman entschuldigte sich für den Vorfall: «Im Namen unseren ganzen Teams, möchte ich mich zuerst bei den Spielerinnen und beim Stab des neuseeländischen Fussballverbands sowie den Spielerinnen von Team Kanada entschuldigen. Das repräsentiert nicht die Werte, für die unser Team steht.» Als Konsequenz verzichtete sie beim 2:1-Auftaktsieg gegen Neuseeland freiwillig darauf, auf der Trainerinnenbank Platz zu nehmen.
Der kanadische TV-Sender TSN hat nun aber neue Details ans Licht gebracht, die eine Suspendierung der Trainerin zur Folge haben. Denn: Das Ausspionieren scheint schon länger eine Taktik der kanadischen Fussball-Nationalteams sein. So sollen sowohl Staff-Mitgliedes kanadischen Frauen- und Männerteams schon seit Jahren nicht-öffentliche Trainings ihrer Gegnerinnen und Gegner filmen – so auch im Jahr 2021, als die Kanadierinnen in Tokio Olympia-Gold holten.
2022 wurde das Frauen-Nationalteam bereits einmal beim heimlichen Filmen des Trainings der Gegnerinnen erwischt, und zwar vor einem WM-Qualifikationsspiel gegen Panama. Der Fussballverband von Panama reichte daraufhin Beschwerde beim Nord- und Mittelamerikanischen Verband CONCACAF ein.
Als Reaktion auf die Vorwürfe, gab Kevin Blue, Geschäftsführer von Canada Soccer, schliesslich in einer Erklärung bekannt, dass Cheftrainerin Bev Priestman für den Rest des olympischen Turniers von ihren Pflichten entbunden worden sei. Blue schrieb, dass der Verband neue Informationen über frühere Drohneneinsätze gegen Gegner vor den Olympischen Spielen 2024 erhalten habe.
Die ehemalige kanadische Nationalspielerin Amy Walsh meinte zu den Vorwürfen: «Die Spielerinnen profitieren vom Betrug der Trainer. Sie vertrauen blind darauf, dass die Trainer alles richtig machen, und das ist der ultimative Verrat.»
Wie zwei anonyme Quellen dem TSN verrieten, soll auch das Männernationalteam auf Drohnen-Spionage setzen. So soll 2019 ein Training der US-Männer mit einer Drohne gefilmt worden sein. Und zwei Jahre später unterbrach Honduras während der WM-Qualifikation eine Trainingseinheit in Toronto, nachdem jemand eine Drohne am Himmel gesichtet hatte.
Coaching staff and contractors working with Canada’s men’s and women’s national soccer teams have been engaged for years in efforts to film the closed-door training sessions of their opponents, including during the women’s gold-medal winning Olympic tournament in 2021, two… https://t.co/yC9bNCjm7E
— Rick Westhead (@rwesthead) July 25, 2024
Der kanadische Trainer meinte damals: «Ich kann mir vorstellen, dass es in Kanada viele Leute gibt, die Drohnen fliegen. Und wenn eine grosse Mannschaft wie Honduras kommt, interessiert das die Leute».
Eine der anonymen Quellen sprach gegenüber TSN über die Beweggründe hinter der Spionage: «Die meisten Leute sehen das als Betrug an, und das ist es auch. Einige unserer Trainer sehen darin einfach einen Wettbewerbsvorteil und rechtfertigen es damit, dass es jeder macht, was auch nicht stimmt. Nicht jeder betrügt und wir sollten es auch nicht tun.»
Wer das kanadische Team nach der Abreise der Trainerin nun während der Olympischen Spielen betreut, ist noch nicht bekannt. Sowohl die FIFA als auch der kanadische Verband haben Untersuchungen eingeleitet. (kat)