Obwohl es noch mehrere Monate geht, bis die neue Ski-Saison startet, ist bei Swiss-Ski die Stimmung angespannt. Der Grund dafür ist, dass in dieser Woche entschieden wird, ob die Schienbeinschoner im Weltcup nicht mehr erlaubt werden sollen. Am Donnerstag wird bei der FIS-Vorstandssitzung entschieden, wie das weitere Vorgehen in dieser Thematik sein wird.
Der Grund für ein mögliches Verbot ist die Sicherheit. Der österreichische Verband und auch Renndirektor Markus Waldner sind der Meinung, dass mit den Schienbeinschonern eine schnellere, aber auch gefährlichere Linie gefahren wird. Als Beispiel wird auch der Horrorsturz von Cyprien Sarrazin genannt, der Franzose stürzte im letzten Dezember schwer und trug dabei Karbon-Schienbeinschoner.
Auch die Schweizer Marco Odermatt und Thomas Tumler tragen solche Schienbeinschoner und stellten im Interview mit dem Blick klar, dass ein Verbot grosse Folgen hätte. «Falls der internationale Ski-Verband das Tragen dieser Schienbeinschützer tatsächlich verbieten sollte, wäre das für mich und diverse andere Athleten ein Riesenseich. Sofern sich keine alternative Lösung findet, könnte ich in Zukunft sicher nicht mehr alle Rennen fahren», stellt Odermatt klar und lässt damit den einen oder anderen Schweizer Ski-Fan leer schlucken. Wird der vierfache Gesamtweltcup-Sieger bald nicht mehr regelmässig in den Rennen um den Sieg mitfahren können?
Odi hat seit Beginn seiner Weltcup-Karriere Probleme mit seiner Schienbeinhaut, da diese durch die vielen Schläge auf der Piste und das Verbiegen des Schienbeinknochens stark gereizt wird. «Ich hatte wegen einer Entzündung am Schienbein so starke Schmerzen, dass ich laut geschrien habe», erzählte Odermatt bereits im Dezember. Der aktuell beste Skifahrer der Welt versuchte vieles, um das Problem zu beheben, doch das meiste half nichts: «Ich habe danach diverse Anpassungen vorgenommen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Aber nichts hat genutzt, bis ich dank eines Inputs von meinem Nidwaldner Kumpel Reto Schmidiger die orthopädischen Schienbeinschützer erhalten habe.»
Für Odermatt ist es auch möglich, dass der Einwand der Österreicher auch mit einer Trotzreaktion zusammenhängen könnte. Einige österreichische Athleten fuhren in der Abfahrt ebenfalls mit den Schienbeinschonern, aber ohne grossen Erfolg. «Die meisten ÖSV-Athleten haben die Schienbeinschoner ausprobiert. Weil sie dadurch nicht schneller geworden sind, fordern sie jetzt ein Verbot», vermutet der Schweizer.
Für Thomas Tumler, welcher in der letzten Saison seinen ersten Weltcupsieg feierte, wäre ein Verbot unverständlich. Auch er müsste aus gesundheitlichen Gründen auf einige Rennen verzichten. «Ich leide seit einigen Jahren unter einer Knochenhautentzündung am Schienbein, was auf unruhigen oder komplett vereisten Pisten zu bösen Schwellungen führt. Meinen ersten Weltcupsieg in Beaver Creek habe ich zwar ohne diesen Spezialschutz herausgefahren, weil die Piste in Colorado kaum Rippen aufgewiesen hat. Aber in Saalbach hätte ich ohne die von Odi empfohlenen Schoner niemals WM-Silber gewinnen können», erklärt der 35-Jährige ebenfalls gegenüber dem «Blick».
Durch ein allfälliges Verbot könnte sich Odermatt vorstellen, dass die Entscheidung sich auch auf andere Ausrüstungen, welche im Weltcup benutzt werden, auswirken könnte: «Viele Skirennfahrer fahren seit längerer Zeit mit einem Nierengurt, welcher den Rumpf stabilisiert. Lindsey Vonn startet mit einem künstlichen Kniegelenk, was ihr noch mehr Stabilität verleiht. Warum sollen solche Dinge weiter erlaubt sein, wenn Schienbeinschoner verboten werden?»
Die neue Saison wird Ende Oktober traditionell in Sölden eröffnet. Das grosse Highlight werden die Olympischen Spiele in Italien sein. Ob mit oder ohne Schienbeinschoner, zeigt sich vielleicht bereits am Donnerstag. (riz)