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Die Presseschau zum EM-Final zwischen England und Deutschland

epa10100809 Players of England celebrate after the UEFA Women's EURO 2022 final between England and Germany at Wembley in London, Britain, 31 July 2022. EPA/Neil Hall
Die Engländerinnen stemmen nach dem Sieg den Pokal in die Höhe.Bild: keystone

Für England «historisch», Deutschland fühlt sich «betrogen» – die Presseschau zum EM-Final

01.08.2022, 08:5502.08.2022, 07:48
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Am Sonntagabend hat sich die englische Frauen-Nationalmannschaft den Titel bei der Europameisterschaft gesichert. Vor heimischem Publikum im Wembley setzten sich die «Lionesses» gegen Deutschland mit 2:1 nach Verlängerung durch.

Für das Mutterland des Fussballs war es der erste grosse Titel seit der WM 1966, für die Frauen der erste überhaupt. Dementsprechend gross war die Euphorie auf der Insel – auch in den Medien wurde der Triumph gefeiert. In Deutschland haderte hingegen auch die Presse mit der Schiedsrichterin und dem Pech. Eine Übersicht über die Stimmung in den beiden Ländern.

Die englische Presse

«The Guardian»

«Sarina Wiegmans Team hat genau das geschafft, was Gareth Southgates Männer im letzten Sommer gemacht haben – sie haben das ganze Land mit ihrer Entschlossenheit, ihrer Fröhlichkeit und ihrem unverschämten Können in ihren Bann gezogen. Doch sie gingen noch einen Schritt weiter: In der Verlängerung erzielte Chloe Kelly den Treffer, der England zum Europameister machte.

Während des gesamten Turniers hat das Team mitreissend gespielt. Der Donnerschlag von Georgia Stanway, der gegen Spanien ins Netz ging, als die Uhr gegen Ende der Verlängerung herunterlief; Alessia Russos Tor mit der Hacke, ein atemberaubendes Kunststück gegen Schweden; die Ruhe und das Selbstvertrauen von Leah Williamson, die ihr Land zum ersten Mal bei einem Seniorenturnier als Kapitänin anführt. Die Löwinnen haben wirklich gebrüllt.»
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screenshot: guardian

«The Independent»

«Um Geschichte zu schreiben, musste England erst einmal leiden. Um den Schmerz der Vergangenheit loszuwerden, mussten die Löwinnen in den Abgrund blicken, und Wembley musste sich anfühlen, als würde sich die Geschichte wiederholen, als das Elfmeterschiessen drohte. Es musste einfach wieder passieren, dass England in einem Finale eines grossen Turniers und nach Wochen, in denen es einen überwältigend positiven Eindruck hinterlassen hatte, von der kalten, erdrückenden Erkenntnis getroffen wurde, dass es einfach nicht sein sollte.

Aber dies ist eine andere Mannschaft, unbelastet von den Narben der Vergangenheit, deren Reise nach Wembley unter Sarina Wiegman stattdessen von der Möglichkeit angetrieben wurde, ihre eigene Geschichte zu schreiben und den Sport und damit auch die Gesellschaft zu verändern. Diese Emotionen waren bei Chloe Kellys Siegtreffer zu spüren, der von einem hemmungslosen Jubel begleitet wurde. Diese Freude wird sich bis in die Nacht hinein fortsetzen und in den kommenden Jahren vielleicht als der Moment in Erinnerung bleiben, der alles verändert hat.»
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screenshot: independent.co.uk

«The Sun»

«Englands Löwinnen feiern stolz ihren historischen Triumph bei der EM 2022. Sie haben den männlichen Stars gezeigt, wie es geht, als der Fussball gestern – 56 Jahre nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1966 – mit einem 2:1-Sieg in der Verlängerung gegen den alten Rivalen Deutschland im ausverkauften Wembley-Stadion endlich wieder nach Hause kam. Die Königin lobte das Team als ‹eine Inspiration›. Die eingewechselte Chloe Kelly schoss die Löwinnen zum Sieg – und riss sich vor Freude das Hemd vom Leib, als die Nation in Jubel ausbrach. 56 Jahre nach dem Triumph der Männer bei der Weltmeisterschaft 1966 war der Fussball endlich wieder zu Hause.»
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screenshot: thesun.co.uk

«Daily Mail»

«Es war die Nacht, in der der Fussball nach Hause kam. In der ein ikonisches weisses Hemd ausgezogen wurde. In der alles zusammenkam. Die Matchwinnerin Chloe Kelly wirbelte ihr weisses Trikot in Anlehnung an eine der berühmtesten Feiern des Fussballs um ihren Kopf und verkörperte damit einen der wichtigsten Momente in der Geschichte des Fussballs in diesem Land.

Die Opfer, die harte Arbeit, der Weg, die Mühe, die es gekostet hat, um Englands Frauen endlich in den Mittelpunkt zu stellen, haben sich gelohnt. Es hat alles zu diesem Ereignis geführt. Zu diesem Abend. Diese wunderbare, freudige, friedliche Nacht. England ist der Europameister. Sie haben ihren grössten Rivalen, ihren Erzfeind Deutschland, in der Verlängerung im Wembley-Stadion besiegt. Kellys Tor in der 110. Minute war die Entscheidung in einem grossartigen Spiel, das der Vorstellung, dass es sich hier um eine sanftere, mildere, zahmere, weniger fesselnde Version des Sports handelt, einen Riegel vorschob.»
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screenshot: dailymail.co.uk

Die deutsche Presse

«Bild»

«Bei der 1:2-Pleite nach Verlängerung werden wir fast genau 56 Jahre nach dem Skandal um das Wembley-Tor schon wieder betrogen. Kapitänin Leah Williamson verhindert das Gegentor sogar mit der Hand. Die Video-Schiris Paolo Valeri und Pol van Boekel sind sich einig, dass das Handspiel nicht strafbar ist, Schiri Kateryna Monzul schaut sich die Situation deshalb gar nicht an.

BILD konfrontierte Monzul nach dem Spiel mit der Szene: ‹Was war in der 25. Minute mit dem Handspiel von England?› Monzul zuckt die Schultern, breitet die Arme entschuldigend aus – und geht. Video-Schiri Valeri läuft nach Schlusspfiff in der Mixed Zone vorbei. Auf die italienische BILD-Frage grüsst er lächelnd und sagt: ‹Non posso dire niente, mi dispiace.› Heisst auf Deutsch so viel wie: Maulkorb verpasst bekommen.»
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screenshot: bild.de

«Eurosport Deutschland»

«Es war der Schock kurz vor dem Anpfiff: Alexandra Popp fiel nach dem Aufwärmen mit muskulären Problemen aus. Ein Tiefschlag für die DFB-Elf. Lea Schüller ersetzte die Kapitänin in der Sturmspitze, doch vor allen Dingen die körperliche Wucht Popps in der Sturmspitze fehlte der deutschen Mannschaft gegen die starken Engländerinnen. Schüller, die nach ihrer überstandenen Coronainfektion nicht in Bestform auftrat, konnte wenige Bälle an sich ziehen, hing häufig in der Luft und sammelte bis zu ihrer Auswechslung in der 67. Minute nur 22 Ballkontakte.

Mit Tabea Wassmuth, Nicole Anyomi und Sydney Lohmann kamen drei Spielerinnen früh in die Begegnung, die im bisherigen Turnierverlauf nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatten. Zwar bereitete Wassmuth den Ausgleich von Lina Magull (79.) vor, doch in der entscheidenden Phase des Spiels fehlte der – gezwungenermassen – neu formierten deutschen Offensive schliesslich die Durchschlagskraft.»
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screenshot: eurosport.de

«Kicker»

«Wunderbar! Dem Fussball der Frauen in Deutschland stehen nach dieser begeisternden EM trotz der finalen Niederlage gegen England fantastische Zeiten bevor. Nämlich dann, wenn alle Wellenreiter, die während des zunehmend populären Turniers aus ihrer Gleichgültigkeit aufgetaucht sind, im Herbst auch bei Spielen der Bundesligisten mitsurfen.

Das Überschwängliche dominiert gerade. Die aktuelle Euphorie allein kann den Mädchen- und Frauenfussball jedoch nicht voranbringen. Damit der Fussball der Frauen aus dieser EM Kapital schlagen kann, reicht keine Elf-Freundinnen-müsst-ihr sein-Romantik. Das ist die Ironie: Was sonst pauschal kritisiert wird, ist bei den Frauen genau jetzt gefragt, um das Publikum zu binden: Professionalisierung, Marketing, Stars.»
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screenshot: kicker.de

«Spiegel»

«Was bleibt von diesem Turnier, das höchst ansehnlichen Fussball, Kampfgeist und grosse Dramatik auf die grosse Bühne brachte, muss die Zeit zeigen. Die Deutschen jedenfalls dürfen sich nicht Europameisterinnen nennen, am Montagnachmittag bei der Rückkehr nach Deutschland auf dem Frankfurter Römerplatz aber zu Recht für grosse Leistungen feiern lassen.

Und es muss nicht die letzte Party gewesen sein: Jule Brand, 19 Jahre, Oberdorf, 20 Jahre, die im Finale durch Corona verhinderte Klara Bühl, 21 Jahre – die Generation nach Popp hat genug Talent in den Füssen, um auch bei kommenden Turnieren zu glänzen.»
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screenshot: spiegel.de
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Die Stadien der Frauen-EM 2022 in England
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Die Stadien der Frauen-EM 2022 in England
Vom 6. bis 31. Juli findet die Fussball-EM 2022 der Frauen in England statt. Die Schweiz trifft auf Portugal, Schweden und die Niederlande.
quelle: keystone / robert ghement
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32 Kommentare
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Palpatine
01.08.2022 09:29registriert August 2018
Na ja, wenn man die hier angegebenen Berichte aus Deutschland liest, dann fühlt sich genau ein einziges "Medium" (von Zeitung darf man bei der "Bild" ja nicht sprechen) betrogen.
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obi
01.08.2022 09:13team watson
❤️❤️❤️💪💪💪🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿
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boerni 52
01.08.2022 09:36registriert November 2020
Diese EM machte - ausser dem Auftritt der Schweizer und ihrem Null-kompetenztrainer - grosse Freude! Toller Fussball, keine sich am Boden wälzende Simulanten und euphorische Zuschauer!
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