Als Luis de la Fuente nach der enttäuschenden Weltmeisterschaft 2022 zum spanischen Nationaltrainer ernannt wurde, war sein Name für viele ausserhalb der Iberischen Halbinsel eine Überraschung. Der Trainer verfügte nämlich weder über die Erfahrung noch über die Erfolgsbilanz seiner Vorgänger. Er hatte nicht die Errungenschaften von Luis Aragones, das Renommee von Vicente del Bosque oder die Popularität von Luis Enrique. Sein Werdegang ähnelte eher dem von Julen Lopetegui. Diese beiden hatten eine bescheidene Karriere auf Klubebene und arbeiteten bei den spanischen Juniorenteams.
Luis de la Fuente spielte lange Zeit für Bilbao und gewann zweimal die Liga. Zu seinen Erfolgen gehört auch ein Titel im Copa Del Rey. Danach wandte sich der Mann aus der Region Rioja dem Trainerberuf zu, ohne jedoch jemals wirklich die Zügel eines Vereins oder einer ersten Mannschaft in die Hand zu nehmen.
Die Trainerkarriere von Luis de la Fuente wurde im Verborgenen geschrieben. Er ist ein Ausbildner. Er hat an der Basis des iberischen Fussballs gearbeitet, weit weg vom Bling-Bling der La-Liga-Bänke. Nach seiner Zeit in den Jugendmannschaften des FC Sevilla und Bilbao, wo er mit Sergio Ramos und Jesus Navas zusammenarbeitete, führte der heutige Trainer der Furia Roja die Reserve von Athletic Bilbao 2006 in die dritte Liga. Erst nach all diesen Erfahrungen wechselte er 2013 zum spanischen Fussballverband (RFEF), wo er nicht ohne mehrere glückliche Umstände die Karriereleiter hinaufkletterte.
Erstmals stand der 63-jährige Trainer an der Seitenlinie eines Nationalteams, als er die spanische U19 übernahm, die ursprünglich Fernando Morientes zugesagt worden war. Dieser lehnte das Angebot ab und es musste in kürzester Zeit ein Ausbildner gefunden werden, als die Ausscheidungsspiele für die U19-EM anstanden. Luis de la Fuente verdankt seine Ernennung einem ehemaligen Nationaltrainer der Spanier, einem gewissen Iñaki Saez. Er war es auch, der dem Vorstand seinen Namen zuflüsterte.
De la Fuentes Beförderung zum U21-Chef fünf Jahre später wiederum hängt mit dem überstürzten und turbulenten Abgang des A-Nationaltrainers Julen Lopetegui wenige Stunden vor Beginn der WM 2018 zusammen. Als er zu Real wechselte, nahm er Albert Celades, der damals die Rojita betreute, als seinen Assistenten mit. Damit wurde diese Stelle frei.
Als Trainer des A-Nationalteams übernahm er dann nach der Entlassung von Luis Enrique vor 18 Monaten. Zuvor war Spanien im Achtelfinal der WM enttäuschend ausgeschieden. Danach hat de la Fuente das spanische Spiel zum Leben erweckt. Die sterilen Ballbesitzsequenzen sind einer offensiven Dynamik gewichen, die von den stets durchschlagskräftigen Flügelspielern Lamine Yamal und Nico Williams verkörpert wird. Der spanische Trainer wird dafür gelobt und das ist auch richtig so. Seine Leistung ist jedoch an anderer Stelle zu finden.
Luis de la Fuente ist mit seinen Jungs gross geworden, hat sie in der Jugend zum Sieg geführt und einige von ihnen auch in das Kader berufen, das nun Finalist der Europameisterschaft 2024 ist.
Die spanische U19, die 2015 die EM gewann, bestand aus Rodri, Unai Simon und Mikel Merino. Die Rojita, die 2019 Europameister wurde, umfasste die beiden letztgenannten Namen sowie Fabián Ruiz, Mikel Oyarzabal und Dani Olmo. Seine U23-Mannschaft, die bei den Spielen 2021 in Tokio die Silbermedaille gewann, unterschied sich kaum. Martin Zubimendi, Pedri und Marc Cucurella waren lediglich dazu gekommen, die Gruppe aufzubessern. Cucurella war im selben Jahr auch Halbfinalist bei der U21-EM, ebenfalls unter dem ehemaligen Bilbao-Spieler.
Als Luis de la Fuente Ende 2022 etwas überraschend von der U23 zum A-Nationaltrainer befördert wurde und nicht wie Julen Lopetegui zum FC Porto gehen musste, um Erfahrung zu sammeln, zögerte er nicht, starke Entscheidungen zu treffen. In seinem ersten Aufgebot strich er 15 WM-Teilnehmer, darunter Jordi Alba und Marco Asensio. Danach berief er einige seiner jungen Spieler und gewann im Juni 2023 die Nations League. Drei Monate später nominierte er Lamine Yamal, als guter Ausbildner, der immer bereit ist, dem Nachwuchs Vertrauen zu schenken. Fermin Lopez war das letzte der Juwelen, das gerade noch rechtzeitig zur EM 2024 eingeladen wurde.
Luis de la Fuente ist nur noch ein Spiel davon entfernt, mit einigen der Jungen, die er seit langem kennt, einen weiteren Europameistertitel zu gewinnen. Ein Beweis dafür, dass glänzende Lebensläufe nicht immer die Lösung sind. Egal wie der Final am Sonntag gegen England ausgeht, der Iberer hat sich die Glückwünsche von Weltmeister Lionel Scaloni redlich verdient. Von den USA aus gratulierte der Argentinier seinem Kollegen und erinnerte daran, dass er Luis de la Fuente als seinen Lehrer betrachte. Durch ihn lernte er die Wissenschaft des Fussballs und machte 2017 seinen Trainerschein.