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Französische Städte boykottieren die Fussball-WM

epa04299333 Spectators gather to watch the FIFA World Cup 2014 quarter final soccer match between France and Germany on a giant screen in front of Hotel de Ville (Town Hall) in Paris, France, 04 July  ...
Keine Fanzonen mehr wie hier 2014. Paris sagt «non» zur WM-Matchbegleitung.Bild: EPA

Kein Public Viewing in Paris: Französische Städte boykottieren die Fussball-WM

Immer mehr französische Städte verzichten auf die Einrichtung von Fanzonen während der Fussballweltmeisterschaft in Katar. Ist das heuchlerisch?
04.10.2022, 15:55
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Spielerstars wie Kylian Mbappe oder Karim Benzema müssen sich auf eine mässige Begeisterung ihrer Fans einstellen. Anderthalb Monate vor Beginn der Fussball-WM spricht in Frankreich niemand davon, dass die «Bleus» in Katar einen dritten Weltmeisterstern anstreben. Diskutiert wird vielmehr, ob sich Sportsfreunde nicht zu Helfershelfern einer umstrittenen Veranstaltung machen, wenn sie die Turnierspiele ab dem 20. November mitverfolgen.

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Keine Fanzonen mehr wie hier 2018. Paris sagt «non» zur WM-Matchbegleitung. Bild: EPA/EPA

Keine Grossleinwände mehr

Der Bürgermeister der Weinstadt Bordeaux, Pierre Hurmic, erklärte jedenfalls, er würde sich als «Komplize» einer Veranstaltung fühlen, die «voller humanitärer, ökologischer und sportlicher Absurdität» stecke. Aus diesem Grund verzichte Bordeaux auf das Public Viewing in eigens ausgewiesenen Fanzonen oder auf andere Begleitveranstaltungen.

Vergangene Woche hatte die Elsässerstadt Strassburg bekannt gegeben, sie werde während des einmonatigen Turniers keine Grossleinwände aufstellen. Der Bau von sieben Stadien in der Hauptstadt Doha, die bei der Leichtathletik-WM nicht einmal ein Stadion vollgebracht habe, sei widersinnig.

Die grüne Bürgermeisterin Jeanne Barseghian verwies auch auf die ungeklärten tödlichen Arbeitsunfälle asiatischer Immigranten. Der liberale Bürgermeister der Champagnerstadt Reims, Arnaud Robinet, begründet sein Abseitsstehen seinerseits mit der künstlichen und klimaschädlichen Kühlung ganzer Stadien.

Diese Woche haben sich auch die beiden grössten französischen Städte angeschlossen. Die fussballvernarrte Mittelmeermetropole Marseille will einem Turnier, das in jeder Hinsicht eine «Katastrophe» sei, nicht noch Vorschub leisten. Gleicher Meinung ist man im Pariser Rathaus, vor dem schon Zehntausende die Spiele der «Bleus» mitverfolgt und gefeiert hatten.

Die linke Bürgermeisterin Anne Hidalgo verwies auf das schwere Los der Stadionarbeiter und fügte an, im Dezember sei es an der Seine ohnehin zu kalt für eine Fanzone. Mittlerweile haben sich auch kleinere Provinzstädte wie Rodez der Boykottwelle angeschlossen.

epa09611381 Paris mayor Anne Hidalgo arrives for the 2021 Ballon d'Or ceremony at Theatre du Chatelet in Paris, France, 29 November 2021. EPA/YOAN VALAT
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo an der Ballon-d'Or-Zeremonie in Paris 2021.Bild: keystone

Heuchlerischer Boykott?

Gegenstimmen sind selten. Einzelne Fussballfans verwiesen am Dienstag auf den Umstand, dass der Mannschaftsbus des Vereins Paris-Saint-Germain (PSG) zu einem Spiel der Champions League in Portugal 1800 Kilometer weit völlig leer gefahren sei. Das sei nur geschehen, um das Team vom Flughafen ins Hotel und dann ins Stadion zu bringen. Das sei ökologisch auch nicht unbedingt vorbildlich.

Der Publizist Nabil Ennasri, Autor eines Buches über «das Rätsel Katar», hält die Absagen der Städte seinerseits für «heuchlerisch». Frankreich habe Katar zu einem strategischen Partner in der Golfregion erklärt und dem Scheichtum Rafale-Kampfjets gegen Öllieferungen verkauft. Während der Turnierdauer zu «schmollen» und die Geschäfte dann wieder aufzunehmen, sei politisch nicht kohärent. Präsident Emmanuel Macron hat sich bisher nicht zur städtischen Protestwelle geäussert.

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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Magnum
04.10.2022 16:11registriert Februar 2015
Sehr sympathisch, dass Frankreich dem Vorbild Italiens und der Niederlande folgt...
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-V-
04.10.2022 16:12registriert Oktober 2018
gefällt mir!!
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Scrat
04.10.2022 17:47registriert Januar 2016
Von mir aus kann man diese WM medial gleich vollständig boykottieren: kein Public-Viewing, keine TV-Übertragungen und auch keine weitere Berichterstattung - stattdessen endlich seriös fundierte Hintergrundberichte zu den Machenschaften der Unrechtsregime in diesen Staaten.
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