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Granit Xhaka: «Jeden Tag enormen Druck auszuhalten, gehört zu meinem Job»

Swiss national team soccer player Granit Xhaka during a training session of the of the Swiss national soccer team in Switzerland, Freienbach, Wednesday, May 23, 2018. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Granit Xhaka und der Ball – zwei gute Freunde.Bild: KEYSTONE
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Granit Xhaka: «Jeden Tag enormen Druck auszuhalten, gehört zu meinem Job»

Arsenal-Skipper Granit Xhaka spricht knapp zweieinhalb Wochen vor dem Start zu seiner dritten Endrunde über die WM-Ausgangslage der Schweiz und seine Fortschritte in London.
30.05.2018, 19:4131.05.2018, 06:24
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Der 25-Jährige Granit Xhaka hat in der SFV-Equipe nicht nur im taktischen Bereich mehr Einfluss denn je. Im Interview mit der Nachrichtenagentur sda beschreibt der Passkönig der Premier League seine Rolle als Steuermann der Nationalmannschaft und erzählt von seinem anspruchsvollen englischen Kluballtag.

In London bewegen Sie sich unter der Lupe von Experten und Altstars. Von der Kritik wurden Sie teilweise frontal erfasst.
Granit Xhaka: «Für Arsenal interessieren sich extrem viele Leute. Das gehört bei einem Topklub einfach dazu. Die Begleiter und Fans dürfen viel erwarten, das ist ihr gutes Recht. Unsere Ansprüche sind ja auch hoch.»

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Granit Xhaka ist sich gewohnt, gegen Weltklasse-Spieler, wie hier Antoine Griezmann, zu spielen.Bild: EPA/EFE
«Die enorme Wertschätzung, die ich innerhalb des Vereins spüre, ist für mich der Beleg dafür, nicht so viel falsch gemacht zu haben.»

Ärgert Sie die Skepsis gewisser Kommentatoren?
«Nein! Ich kann damit umgehen, obwohl ich die kritischen Töne nicht immer verstanden habe und mich gelegentlich wunderte, wer sich alles geäussert hat. Es gibt aber Wortmeldungen von ehemaligen Grössen, vor denen ich durchaus grossen Respekt habe.»

Fühlt sich auch das zweite Jahr in der Premier League wie ein Stahlbad an?
«Im mentalen Bereich ist der Druck enorm – Training für Training. Überrascht bin ich nicht; unter diesen Voraussetzungen wechselte ich nach England. Das auszuhalten, gehört zu meinem Job – und zwar jeden Tag. Die enorme Wertschätzung, die ich innerhalb des Vereins spüre, ist für mich der Beleg dafür, nicht so viel falsch gemacht zu haben.»

Am Ende der Saison war das Emirates Stadium gefüllt mit Emotionen – Arsène Wenger verabschiedete sich nach 22 Jahren. Weinten Sie auch?
«Einen dermassen emotionalen Moment habe ich im Fussball noch nie erlebt. Arsène hatte feuchte Augen, im Staff weinten sie, beim Publikum flossen Tränen. Die Momente gingen mir nahe. Er ist die grösste Persönlichkeit, die ich kennen lernen durfte – einer wie Ottmar Hitzfeld, ein Gentleman.»

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Der emotionale Abschied von Arsène Wenger.Bild: EPA/EPA

Sie kennen den Umgang mit Superstars. In Ihrer Kabine begegnen Sie im Alltag Weltmeistern. Lässt sich Ihr Selbstverständnis übertragen?
«Man muss immer trennen zwischen dem Klub und dem Nationalteam. Hier herrscht eine andere Dynamik, die Mannschaft ist anders aufgebaut. Ich kann nur für mich reden. Mit offenem Mund werde ich beim Startspiel gegen Brasilien nicht auf dem Platz stehen. Ich spiele ja nicht zum ersten Mal gegen ihre Stars. Respekt? Ja. Aber Angst? Nein.»

Bei den Gunners Sind Sie mittlerweile der Steuermann? Und im Nationalteam?
«Ich gehe vorneweg und ziehe die Jungen mit, weil ich an sie glaube. Ihre Qualität stimmt mich zuversichtlich. Akanji, Embolo, Zakaria – sie alle haben eine Topzukunft. Ihnen stehe ich zur Seite und scheue mich nicht davor, auch Klartext zu reden. So interpretiere ich meine Führungsrolle.»

Die Schweiz belegt in der FIFA-Weltrangliste Position 6. Wo ordnen Sie die SFV-Auswahl ein?
«Wir haben uns diese starke Klassierung verdient, sie bestätigt mein ohnehin gutes Gefühl. In den letzten vier Jahren haben wir kein grosses Turnier verpasst. Von ungefähr kommt eine solche Serie nicht. Verstecken brauchen wir uns ganz bestimmt nicht.»

Beschreiben Sie die wichtigsten Qualitäten der Schweizer Auswahl.
«Mir kommen unsere Frechheit in den Sinn und die älteren Spieler, die schon beeindruckend viel erlebt haben – Gutes und Schlechtes. Die Jungen drängen gegen oben, sie setzen die Etablierten unter Druck. Jeder Einzelne muss Vollgas geben, um zu spielen. Geschenke gibt es keine, jeder besitzt die Klasse, um einen Startplatz zu beanspruchen.»

«Wir werden bis zur Schmerzgrenze kämpfen, beissen, leiden.»

Im Sommer vor zwei Jahren endete die EM-Kampagne im Penaltyschiessen gegen Polen. Was hat sich in der Zwischenzeit verändert?
«Schauen Sie sich die Transfers an seit 2016. Einige meiner Kollegen wechselten den Klub und spielen. Sie orientierten sich nach sportlichen Kriterien, sie wollen eine Rolle einnehmen. Mir gefällt die Entwicklung, dass viele Nationalspieler jedes Wochenende Verantwortung tragen müssen – wir sind alle reifer, stabiler und letztlich belastbarer.»

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Die Schweiz schied an dem EM 2016 im Penaltyschiessen gegen Polen aus.Bild: KEYSTONE

Wo akzentuierten sich die von Ihnen aufgeführten Fortschritte?
«Mir kommt das Playoff gegen die Nordiren in den Sinn. Eine solche Prüfung muss man zuerst mal überstehen. In diesen Spielen demonstrierten wir, dass wir uns der Situation anpassen können. Wir können unter Druck einen Fussball spielen, der zwar nicht schön ist, aber Ergebnisse bringt. Jeder im Team kann sich einschätzen – das ist hilfreich.»

Vor allem beim WM-Einstieg gegen den Rekordweltmeister Brasilien.
«Klar, wir sind ja nicht naiv. Brasilien ist der grosse Favorit, und wir reisen nicht mit der Erwartung nach Russland, Weltmeister zu werden. Uns ist bewusst, wie heikel die Gruppenphase verlaufen kann. Die Serben sind ein sehr unangenehmer Gegner, Costa Rica ist unberechenbar. Etwas garantiere ich dennoch frühzeitig: Es wird mühsam sein, gegen uns zu spielen. Wir werden bis zur Schmerzgrenze kämpfen, beissen, leiden.»

Wie taxieren Sie die generelle Ausgangslage in der Gruppe E?
«Mich erinnert vieles an die U17-WM 2009. Schon damals trafen wir in der Vorrunde auf Brasilien und schlugen sie. Danach folgte der Achtelfinal gegen Deutschland – auch die Jungs vom DFB kippten wir aus dem Turnier. Ich hätte nichts gegen eine Wiederholung der Geschichte einzuwenden (lacht).»

Welchen Part übernimmt dabei Vladimir Petkovic?
«Er ist der Fuchs, der das Spiel wahnsinnig gut liest. Herr Petkovic hat uns taktisch zu einem hohen Prozentsatz neu ausgerichtet. Ich mag sein Coaching, wie er kommuniziert, wie ihm während einer Partie keine Nuance entgeht.»​

Hat er sich selber auch stark verändert?
«Zu Beginn wollte er eventuell zu viel. Inzwischen wirkt alles verspielter, entspannter. Taktisch war er immer aussergewöhnlich gut. Mann kann ihn gut mit Lucien Favre vergleichen – beide sind Freaks, für die jedes noch so unscheinbare Detail wichtig ist.»

(zap/sda)

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