Katar hatte offenbar Angst, dass der Weltfussballverband FIFA dem Golfstaat den Austragungsort aufgrund der internationalen Kritik wieder entziehen könnte. Wie eine Recherche von «SRF Investigativ» zeigt, haben die Scheichs nach der umstrittenen WM-Verlosung eine weltumspannende Geheimoperation gestartet, damit der Austragungsort nicht anderweitig vergeben wird.
Hohe katarische Regierungskreise sollen Ex-CIA-Agenten und Hacker engagiert haben, um FIFA-Funktionäre zu erpressen. Zu den Kataris soll auch Tamim bin Hamad Al Thani, das derzeitige Staatsoberhaupt von Katar, gehört haben.
Aber von vorne:
2012 erhält Peter Hargitay, der frühere Berater von FIFA-Präsident Sepp Blatter, seltsame E-Mails. Hargitay öffnet die Inhalte nicht. Denn er weiss, dass sich auf seinem Computer wertvolle Informationen befinden. Hargitay erstattet daraufhin Strafanzeige (mehr dazu weiter unten).
Wie SRF nun aufdeckte, ist Hargitay damals ins Visier eines Spionagenetzwerks geraten, das für die Regierung Katars arbeitete. Die Spionageaffäre soll 2012 – vier Jahre nach der WM-Vergabe – an Fahrt gewonnen haben. Ihr Ziel: eine globale Rufmordkampagne. Die Operation richtete sich gegen Personen, die sich gegen die WM in Katar aussprachen.
Ein erbitterter Gegner des Austragungsortes Katar war der australische Fussballverbandspräsident Frank Lowy. Gemäss der Recherche wollte das Spionagenetzwerk belastende Informationen über ihn sammeln, um seinem globalen Ruf zu schaden und die Beziehungen zur FIFA «zu zerstören».
Konkret soll das Netzwerk Informationen über angebliche Beziehungen zwischen Lowy und der russischen Bewegung um die WM 2018 gesammelt haben, die man ans amerikanische FBI weitergeben wollte.
Wer gehörte zu diesem Spionagenetzwerk? Dokumenten von SRF zufolge beauftragten höchste katarische Regierungskreise die amerikanische Firma Global Risk Advisors, die aus Ex-Mitarbeitern amerikanischer Geheimdienste besteht – angeführt vom früheren CIA-Spion Kevin Chalker.
Nicht nur die hier genannten FIFA-Kenner waren den Spionen ausgeliefert. Aus Dokumenten, die SRF vorliegen, geht hervor, dass die Spione in E-Mail-Accounts und Computer von Freunden und Familien zahlreicher FIFA-Akteure vordrangen.
Katar soll für den Schattenkrieg tief ins Portemonnaie gegriffen haben. Die einzelnen Aufträge sollen zwischen 387 Millionen und 567 Millionen Dollar gekostet haben.
Die SRF-Redaktion hat laut eigenen Angaben Informationen und Akteneinsicht von mehreren Personen erhalten, die Zugang zu den geheimen Dokumenten hatten.
Die Schweiz soll zum Schauplatz des Spionagenetzwerks geworden sein. Wie SRF berichtet, hätten sich die Chef-Spione mit den katarischen Auftraggebern in Zürich getroffen. Weiter soll der Spion Chalker im Auftrag Katars nach Zürich geflogen sein, um Hotelzimmer von FIFA-Akteuren und Journalisten zu verwanzen.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft sei zwar frühzeitig über die Aktion informiert worden, denn Peter Hargitay erstattete 2012 Strafanzeige. Aber 2020 schloss die Staatsanwaltschaft den Fall Peter Hargitay erfolglos ab. «Es war offensichtlich, dass es sich um eine grosse Sache handelt», kritisiert SRF.
«In der Fifa blieb die Spionageoperation offenbar weitgehend unbemerkt», schreibt SRF. Sepp Blatter zeigt sich in einer Stellungnahme überrascht:
Der Recherche zufolge ist auch Blatter für die Spionage von Interesse gewesen. In einem Dokument ist vermerkt, dass man Blatters «Pläne und Absichten» kennen müsse.
Weder die Botschaft in Bern noch das Kommunikationsministerium in Doha sollen auf die Anfragen von SRF reagiert haben.
Nach der ersten Anfrage soll der vierte Emir von Katar in einer öffentlichen Rede seinem Volk mitgeteilt haben, dass Katar seit der Vergabe Opfer einer «beispiellosen Kampagne» geworden sei.
«Das ist ein solcher Skandal. Den müssten die aufgreifen, die verantwortlich sind», kritisiert Sportfunktionär Theo Zwanziger, der auch Opfer des Spionageangriffs gewesen sein soll.
Wer in seinen Augen «verantwortlich» ist, erklärt Zwanziger im Interview mit SRF so: «Fifa-Präsident Infantino als allererster. Aber der macht das natürlich nicht, weil er ein Vasall von Katar ist.»
Der FIFA-Präsident soll sich nicht zu den Dokumenten geäussert haben.
Tatsache ist: Katar hat die WM-Vergabe nicht verloren. In zwei Wochen beginnt das erste Spiel in Doha. Viele werden den Fussball-Event mitverfolgen. «Doch vielleicht mit anderen Augen, als es sich der Emir immer gewünscht hat», schreibt SRF.
Hier kannst du die ganze Recherche nachlesen.
(cst)
Sollen sie an ihrer dekadenz ersticken!