
Im Januar gedachte die Südkurve den verstorbenen FCZ-Helden Karl Grob, Fritz Künzli, Rosario Martinelli und Köbi Kuhn (von links).Bild: KEYSTONE
Kommentar
Die Coronafälle bei Xamax und dem FC Zürich verwandeln die Meisterschaft in eine Farce. Ein Abbruch ist die einzige Lösung.
15.07.2020, 14:0815.07.2020, 15:14

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Irgendwie hoffte man, dass irgendetwas geht. Und die verstärkte Juniorenmannschaft des FC Zürich auswärts in Basel etwas zu reissen vermag. Vielleicht sogar die Sensation schafft. Am Ende kam es am Dienstagabend im St.-Jakob-Park, wie es in solchen Fällen fast immer kommt. Der mit drei Profis ergänzte FCZ-Nachwuchs ging mit 0:4 unter.
Im gesamten Spiel hatten die Zürcher etwa eineinhalb Torchancen. Hätten sie sich nicht wie «Zürileuen» gewehrt und wäre Goalie Novem Baumann nicht über sich hinausgewachsen, die Niederlage wäre viel höher ausgefallen. So weit, so normal. Doch damit droht der Kampf um den Meistertitel zwischen Basel, den Young Boys und St.Gallen endgültig zum Witz zu verkommen.

Dank Goalie Baumann ging der FCZ-Nachwuchs in Basel nicht völlig unter.Bild: keystone
Willkommen im Schweizer Amateurfussball in Zeiten von Corona.
Seit beim FC Zürich mehrere Spieler und der Präsident positiv auf das Virus getestet wurden, ist die Super League aus den Fugen geraten. Der eng getaktete Spielplan erträgt eigentlich keinen Störfall. Der ist nun aber Tatsache, und seit am Dienstag auch bei Xamax ein positiver Coronafall aufgetaucht ist, steht die Meisterschaft endgültig auf der Kippe.
Bei der Swiss Football League aber herrscht die Devise: Augen zu und durch! Der FCZ will seine Chance auf die Europa League wahren und tritt beim FC Basel mit den Junioren an. Die Liga winkt das durch, sie will keinen Spieltag verlieren und sich Ärger mit den Inhabern der Fernsehrechte einhandeln. Folglich nimmt sie die Wettbewerbsverzerrung in Kauf.
Andere machen es besser
Man muss nicht nach Sündenböcken suchen. Aber offenkundig taugen die Schutzkonzepte von Liga und Klubs wenig. Der Verband und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) spielen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Andere Länder scheinen die Lage im Griff zu haben, selbst England, Italien und Spanien. Die Schweiz aber wird zur Lachnummer.

England ist Europas Corona-Hotspot Nr. 1, aber die Premier League scheint die Lage im Griff zu haben.Bild: keystone
Eine zwiespältige Rolle spielen die Medien. Der «Blick» schrieb die U-21 der Zürcher im Vorfeld der Partie vom Dienstag stark und tat so, als ob gegen Basel künftige Ronaldos und Messis antreten würden. Der «Tages-Anzeiger» räumte ein, dass das ungleiche Duell sportlich nicht fair sei. Es sei aber «das kleinste aller Übel in einer Situation, für die es keine gute Lösung gibt.»
Wo bleibt die Chancengleichheit?
Ähnlich argumentierte die NZZ, die zudem befand, es sei «nur noch ein sehr kleiner Schritt bis zur Farce, bis alles keinen Sinn mehr ergibt und die Meisterschaft wertlos ist». Andere geben der UEFA die Schuld. Die Meldefrist für die europäischen Wettbewerbe zwinge die Schweiz dazu, die Saison bis Anfang August durchzupeitschen.
Vollends idiotisch ist das Argument, der FCZ habe in dieser Saison auch mit dem A-Team in Basel mit 0:4 verloren. Wer so argumentiert, sieht den Puck nicht (falsche Sportart, aber was soll's). Es geht um Chancengleichheit. Ausserdem ist der FCB seit dem Ende der Corona-Pause höchst inkonstant. Mal spielt er top, dann stolpert er über die eigenen Füsse.
«The show must go on», lautete die allgemeine Devise. Also nimmt man in Kauf, dass die Meisterschaft auf unfaire Weise entschieden wird. Und der Leidtragende ausgerechnet der FC St.Gallen sein könnte, der wesentlich häufiger gegen den Abstieg als um den Titel spielt. Er muss als Letzter der drei Meisterkandidaten gegen Zürich auflaufen.
Hüppi hält den Ball flach
Gegen Basel trat der FCZ mit dem verstärkten Nachwuchs an, gegen YB am Samstag vielleicht mit der ersten Mannschaft, die aber während zehn Tagen nicht regulär trainieren konnte. Und gegen St.Gallen eine Woche später vielleicht voll im Saft sein wird.

Bei Matthias Hüppi muss es innerlich brodeln.Bild: keystone
Kann sein, dass die Ostschweizer mit der Wut im Bauch antreten und den FCZ aus dem Letzigrund ballern. Sie könnten aber auch resignieren. Man muss es FCSG-Präsident Matthias Hüppi hoch anrechnen, dass er nicht den Constantin macht und ein juristisches Gewitter entfacht, sondern den Ball flach hält. Aber innerlich muss es bei ihm brodeln.
Auf der Geisterbahn
Man hofft deshalb fast darauf, dass es in Neuenburg zur Eskalation kommt und die Saison abgebrochen wird. Als Schlussrangliste könnte man die Tabelle nach 27 Runden verwenden, wenn alle dreimal gegen alle gespielt haben. Eine ideale Lösung ist das nicht, aber St.Gallen wäre Meister, der FCZ im Niemandsland, Xamax steigt ab und Sion muss in die Barrage. Das macht Sinn.
Sollte die Swiss Football League weiter versuchen, die Spielzeit um jeden Preis zu beenden, kann der FCZ am Samstag gegen YB mit Karl Grob, Köbi Kuhn, Rosa Martinelli, Jure Jerković und Fritz Künzli antreten. Die sind alle tot, aber das passt zum aktuellen Geisterfussball. Und zur Geisterbahnfahrt des so genannten Schweizer Profifussballs.
Marlen Reusser verteidigt ihren EM-Titel im Zeitfahren erfolgreich. Die 30-jährige Bernerin setzt sich auf den 24 Kilometern in Fürstenfeldbruck nahe München fünf Sekunden vor der niederländischen Mitfavoritin Ellen van Dijk und 27 Sekunden vor deren Landsfrau Riejanne Markus durch.
Reusser schaffte die Titelverteidigung trotz komplizierter Vorgeschichte: Nachdem sie eine Handverletzung und eine Corona-Infektion zurückgeworfen hatten, feierte sie Ende Juli an der Tour de France einen imposanten Solo-Etappensieg.