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«Equal Pay» im Schweizer Fussball ist weit weg von der Realität

Swiss goalkeeper Gaelle Thalmann, right, encourages her teammates ahead of the women�s football friendly match between France and Switzerland, on Saturday, February 20, 2021, at the Saint-Symphorien S ...
Die Schweizer Nati-Frauen bekommen künftig die gleichen Prämien wie die Männer.Bild: keystone
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«Equal Pay» im Schweizer Fussball? Tönt gut – ist aber weit weg von der Realität

Kurz vor der EM der Fussballerinnen verkünden der Schweizer Fussballverband und seine Hauptsponsorin den grossen Wurf: gleiche Prämien für Männer und Frauen! Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
22.06.2022, 04:3922.06.2022, 07:19
Etienne Wuillemin / ch media
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Das Highlight für die Schweizer Fussballerinnen in diesem Sommer rückt näher: Noch gut zwei Wochen, dann beginnt die EM in England. Die Schweiz spielt gegen Portugal (9.7.), Schweden (13.7.) und Holland (17.7). Der Kampf um Tore und Siege auf dem Rasen – es ist nicht der einzige für die besten Fussballerinnen dieses Landes. Im Gegensatz zu den Männern geht es immer auch um das Thema «Geld». Es gibt Nationalspielerinnen, die verdienen weniger als 10’000 Franken pro Jahr.

Auch darum ist der gestrige Tag ein wichtiger für den Frauenfussball hierzulande, «geschichtsträchtig», nennt ihn Tatjana Haenni, die Direktorin Frauenfussball in der Schweiz, an einer Medienkonferenz gestern. Was ist passiert?

«Es braucht mutige Schritte, um die Barrieren einzureissen»

Ab sofort bezahlt die Credit Suisse, Hauptsponsorin des Schweizerischen Fussballverbandes, Nationalspielerinnen und Nationalspielern dieselben Erfolgsprämien. Das entspricht einer Erhöhung um den Faktor 4.5 bei den Frauen. Bei diesen Prämien handelt es sich um Bonuszahlungen, die anfallen, wenn sich die Schweizer Frauen für eine EM oder WM qualifizieren – oder bei der Endrunde die Gruppenphase überstehen. Gelder, die zu 100 Prozent direkt zu den Spielerinnen fliessen. «Frauen sind auch heute noch in vielen Bereichen Ungleichheit ausgesetzt. Es braucht mutige Schritte, um die Barrieren einzureissen.» So tönt das in der Videobotschaft von André Helfenstein, dem CEO von Credit Suisse Schweiz.

Nun liegt der Verdacht nahe, dass die Grossbank in diesen für sie schwierigen Zeiten ganz gerne ein paar nette Schlagzeilen mitnimmt. Zumal die Prämien für die EM-Qualifikation rückwirkend noch nicht erhöht werden und es ziemlich unrealistisch ist, dass die Schweizerinnen an der EM den Viertelfinal erreichen werden.

Doch das wäre zu kurz gedacht. Die CS ist von sich aus auf den Fussballverband zugegangen mit der klaren Absicht, das Engagement im Frauenfussball zu stärken. Auch in der heimischen Liga, der Women’s Super League. Und – wohl der wichtigste Punkt – bei der Kandidatur für die Frauen-EM 2025 in der Schweiz.

«Equal Pay»? Es bleibt ein weiter Weg

Wer nun die Worte «gleiche Prämien für Frauen und Männer» hört, könnte rasch auf die Idee kommen, dass «Equal Pay» im Schweizer Fussball tatsächlich Einzug gehalten hat. Doch so weit ist es noch lange nicht. Die Prämien von Sponsoren sind nur eine von drei Säulen. Die zweite Säule betrifft Bilder- und Namensrechte, beispielsweise für Werbungen. Auch hierfür bezahlt der SFV künftig Nationalspielern und Nationalspielerinnen dieselbe Summe. Doch entscheidend ist die dritte Säule. Die Schlüsselfrage dabei: Wie viel Geld schütten die grossen Fussballverbände Fifa und Uefa den teilnehmenden Ländern einer WM oder EM aus?

Switzerland's Ramona Bachmann in action during the FIFA Women's World Cup 2023 qualifying round group G soccer match between the national soccer teams of Switzerland and Italy, at the Stockh ...
Eine Viertelfinal-Quali der Schweizer Nati an der EM wäre eine Überraschung.Bild: keystone

Bei der EM der Männer vor einem Jahr betrug die Gesamtsumme der Uefa-Gelder 221 Millionen Franken. Im Jahresbericht des Schweizerischen Fussballverbands ist die Summe zu finden, welche sich die Schweiz dank der Viertelfinalteilnahme erspielte: 16’207’108 Franken. Davon gab der SFV gut 8.8 Millionen Franken als Prämien weiter an Spieler, Staff und Personal. Bei der Frauen-EM beträgt die Summe der Uefa-Gelder für alle 16 teilnehmen Länder nur 16 Millionen Franken. Die EM ist darum für den SFV in jedem Fall ein Minusgeschäft.

SFV will sich einsetzen für gerechtere Geld-Aufteilung

Frauenfussball-Direktorin Tatjana Haenni sagt darum: «Es ist völlig logisch, dass derzeit nicht realistisch ist in der Schweiz. Für mich ist es aber nicht nachvollziehbar, warum so grosse Unterschiede bestehen bei den Summen der grossen Fussballverbände.» SFV-Präsident Dominique Blanc versicherte gestern, dass sich die Schweiz gegenüber Fifa und Uefa für höhere Frauen-Gelder einsetzen werde.

Dominique Blanc, Praesident SFV, spricht an der Medienkonferenz ueber Praemienzahlungen fuer das A-Nationalteam der Frauen sowie zur Kandidatur des SFV fuer die UEFA Women's EURO 2025 am Dienstag ...
Verbandspräsident Dominique Blanc will die Gleichstellungs-Frage auch bei der Fifa und der Uefa angehen.Bild: keystone

Ein freudentrunkener Blick auf den Frauenfussball in der Schweiz wäre aber verfehlt. Dazu reicht es, wenn man sich die Realität rund um die EM in England vor Augen führt. Der Staff, der das Team begleitet, ist nur knapp halb so gross wie jeweils bei den Männern. Eigener Koch? Geht nicht. Mehr als eine Assistentin für den Trainer? Geht nicht. Ein Backup für den Teamarzt? Geht nicht.

Noch ist das Umdenken nicht überall an der Basis des Schweizer Fussballs angekommen. Man denke nur daran, dass es nur in etwa einem Drittel ­aller Klubs Mädchenteams gibt. Die Zahlen der lizenzierten Fussballerinnen zeigen jedenfalls steil nach oben. Ende Mai 2021 ­waren es noch gut 25000 Spielerinnen. Ende Mai 2022 bereits gut 29000 – was einer Zunahme von 16 Prozent entspricht.

EM 2025 in der Schweiz? Es wäre ein starkes Zeichen

Der nächste wegweisende Tag für den Frauenfussball in der Schweiz dürfte der 7. Dezember sein. Dann entscheidet die Uefa, wo die EM 2025 stattfindet. Die grösste Schweizer Konkurrenz? Einerseits Polen. Andererseits die gemeinsame Kandidatur von Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland.

Die grösste Herausforderung besteht gemäss Tatjana Haenni nun darin, von den ­Kantonen eine Zusicherung zur Finanzierung zu erhalten. Bis am 12. Oktober bleibt Zeit für die finale Eingabe des Schweizer Projektes. Eine EM zu Hause? Für die Bedeutung des Frauenfussballs in der Schweizer wäre das unbezahlbar. (aargauerzeitung.ch)

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Das Schweizer Kader der Frauen-EM 2022 in England
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Das Schweizer Kader der Frauen-EM 2022 in England
Die Schweiz trifft an der Frauen-EM 2022 in England in der Vorrunde auf Portugal (9.7.), Schweden (13.7.) und die Niederlande (17.7.).
quelle: keystone / alessandro della valle
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Schiri wird von Fussballerin in die
Video: watson
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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DerRabe
22.06.2022 06:04registriert Juli 2014
Ich werfe die ketzerische Frage in den Ring: Wie viele Einnahmen generieren denn die Frauen-Fussballerinnen?
Fussballer (m) generieren durch TV-Rechte, Trikot/Merch- Verkäufe und Ticket-Einnahmen Geld, was den hohen Lohn teilweise rechtfertigt.
Mit Verlaub, aber bei den Fussballerinnen ist dies einfach nur in viel kleinerem Umfang der Fall. Sprich: Bei equal pay subventionieren die Fussballer die Fussballerinnen. Ist dies nun wirklich fair? Klar leisten (im Sinne des Aufwands) die Frauen gleich viel wie die Männer. Aber auch ne Putzkraft krampft mind. gleich viel wie ne Hedgefonds-Managerin.
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namib
22.06.2022 06:42registriert März 2018
Die Musiker, die im Bogen F ein Konzert geben, stellen ihre Instrumente wohl selber auf. Wer das Hallenstadion füllt, der hat dafür ein ganzes Team. Ist doch nicht so schwer, das zu verstehen?
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Laggoss
22.06.2022 05:44registriert Januar 2021
Ist doch eine tolle Sache, wieso wird das jetzt wieder ins Negative gezogen? Der Männerfussball generiert auf dem Markt halt noch viel
Mehr Geld, umso besser ist doch, dass der SFV trotzdem die gleichen Prämien zahlt.
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